Verfahrensgang
SG Reutlingen (Entscheidung vom 15.02.2018; Aktenzeichen S 6 KR 2846/15) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 13.11.2018; Aktenzeichen L 11 KR 1052/18) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. November 2018 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung.
Die Beklagte lehnte einen Antrag der Klägerin vom 18.12.2014 ab, ihr die Kosten selbst durchgeführter PKW-Fahrten zur ambulanten psychiatrischen Behandlung bei Dr. G. V. seit 2009 zu erstatten (Bescheid vom 12.1.2015 und Widerspruchsbescheid vom 12.10.2015). Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage ist die Klägerin bei den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben (SG-Urteil vom 15.2.2018 und LSG-Urteil vom 13.11.2018). Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, für den Zeitraum von 2009 bis 2014 scheitere der geltend gemachte Anspruch bereits an einer fehlenden vorherigen Antragstellung. Im Übrigen erfülle die Klägerin die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen nicht. Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung seien nach § 60 Abs 1 Satz 3 SGB V nur in Ausnahmefällen zu erstatten, die der Gemeinsame Bundesausschuss in der Krankentransport-Richtlinie geregelt habe. Die Voraussetzungen eines solchen Ausnahmefalls nach § 8 der Krankentransport-Richtlinie seien nicht erfüllt. Weder sei die Erkrankung der Klägerin mit den dort genannten vergleichbar, noch liege eine hohe Behandlungsfrequenz vor. Es sei auch keine an sich gebotene vollstationäre oder teilstationäre Behandlung vermieden worden (§ 60 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V).
Am 31.3.2016 endete die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten. Mit ihrer Beschwerde wendet sie sich gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels sind die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG Beschluss vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - juris).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. In ihr wird keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht formuliert.
2. Wer sich auf den Zulassungsgrund des Vorliegens eines Verfahrensmangels beruft, muss diesen bezeichnen. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug. Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG. Der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ausgehend davon bezeichnet die Klägerin einen Verfahrensmangel nicht.
a) Sie legt mit ihrem Vortrag, das LSG habe "in seiner Entscheidung den Streitgegenstand fehlerhaft beurteilt und verkannt", einen Verfahrensfehler nicht schlüssig dar. Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Anträge gebunden zu sein. Das Gewollte, also das mit der Klage bzw der Berufung verfolgte Prozessziel, ist bei nicht eindeutigen Anträgen im Wege der Auslegung festzustellen (stRspr; vgl etwa BSG Urteil vom 4.4.2006 - B 1 KR 5/05 R - BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 12 ff mwN; BSG Urteil vom 28.3.2017 - B 1 KR 15/16 R - BSGE 123, 10 = SozR 4-1300 § 107 Nr 7, RdNr 11). Wer als Verfahrensmangel geltend macht, das Berufungsgericht habe den Rechtsmittel- bzw Streitgegenstand verkannt, muss den Verfahrensgang unter Auslegung der den Rechtsmittel- bzw Streitgegenstand bestimmenden Entscheidungen und Erklärungen darlegen (vgl BSG Beschluss vom 10.2.1988 - 9/9a BV 80/87 - SozR 1500 § 160a Nr 62; BSG Beschluss vom 1.8.2017 - B 13 R 214/16 B - juris RdNr 9). Daran fehlt es. Die Klägerin führt aus, ihr gehe es darum, "die für ihre notwendigen Behandlung aufgewandten Fahrtkosten erstattet zu bekommen". Sie legt nicht dar, warum das LSG diesen Streitgegenstand verkannt haben soll, obwohl es den hierauf bezogenen Antrag der Klägerin im Tatbestand wiedergibt und in den Entscheidungsgründen ausführt, die Klägerin "hat für die Jahre 2009 bis 2016 keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die Fahrten zur ambulanten psychiatrischen Behandlung bei Dr. G" und "Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens ist ausschließlich die Fahrtkostenerstattung".
b) Soweit die Klägerin rügt, das LSG habe die mit Schriftsatz vom 25.8.2018 angebotenen Beweismittel nicht erhoben und daher das rechtliche Gehör verletzt, legt sie auch den damit sinngemäß gerügten Verfahrensmangel der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) nicht hinreichend dar.
Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss 1. einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist, 2. die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, 3. das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme darlegen und 4. schildern, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG also bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen müssen (BSG Beschluss vom 2.10.2019 - B 12 KR 42/19 B - juris RdNr 3; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG Beschluss vom 12.9.1991 - 1 BvR 765/91 - juris RdNr 5).
Daran fehlt es. Die Klägerin gibt weder eine Rechtsauffassung des LSG wieder noch benennt sie einen Beweisantrag, den sie bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt oder zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat.
3. Wer sich auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in einem Urteil des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen, Ausführungen dazu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen, und schließlich darlegen, dass die Berufungsentscheidung auf dieser Divergenz beruht (vgl BSG Beschluss vom 26.9.2017 - B 1 KR 37/17 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 37 RdNr 4; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG Beschluss vom 8.9.1982 - 2 BvR 676/81).
Soweit in der Beschwerdebegründung Entscheidungen des LSG Niedersachsen-Bremen, des BVerwG und des BSG genannt, "die Bedeutung der Angelegenheit für den Erhalt einer einheitlichen Rechtsprechung in Deutschland" erwähnt und damit sinngemäß eine Divergenz gerügt wird, ist diese nicht hinreichend bezeichnet. Denn es werden weder abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des LSG noch abstrakte Rechtssätze in den übrigen in Bezug genommenen Entscheidungen formuliert.
4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13729584 |