Verfahrensgang
SG Frankfurt (Oder) (Entscheidung vom 25.11.2021; Aktenzeichen S 4 SB 407/18) |
LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 22.11.2023; Aktenzeichen L 11 SB 16/22) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. November 2023 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Der Kläger begehrt in der Hauptsache noch die Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens G. Das LSG hat wie zuvor der Beklagte und das SG einen solchen Anspruch des Klägers verneint(Urteil vom 22.11.2023) .
Der Kläger beantragt Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Durchführung einer Nichtzulassungsbeschwerde. Die Vorinstanzen hätten die Erforschung entscheidungserheblicher Fakten versäumt, obwohl er die Fehlerhaftigkeit der erstinstanzlich eingeholten Gutachten wiederholt dargelegt habe.
II
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH für die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ist abzulehnen.
1. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter(§ 73 Abs 4 SGG ) in der Lage wäre, die vom Kläger angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen. Hinreichende Erfolgsaussicht hätte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Die Revision darf danach nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) , das Urteil oder - wie hier - der Beschluss des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht(§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann(§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) .
Nach Durchsicht der Akten fehlen nach der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass ein vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter einen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg darlegen oder bezeichnen könnte.
Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) . Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Solche Rechtsfragen stellen sich hier nicht. Auch ist nicht ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von der Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte(§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) .
Schließlich fehlt ein ausreichender Anhalt dafür, dass ein die Revisionszulassung rechtfertigender Verfahrensfehler des LSG vorliegen könnte. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG (Anhörung eines bestimmten Arztes) und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein solcher zumindest sinngemäß vom anwaltlich nicht vertretenen Kläger gestellter Beweisantrag lässt sich den Verfahrensakten nicht entnehmen(vgl zu den diesbezüglichen AnforderungenBSG Beschluss vom 25.8.2022 - B 9 SB 4/22 B - juris RdNr 11 ;BSG Beschluss vom 9.4.2020 - B 9 SB 80/19 B - juris RdNr 6 ;BSG Beschluss vom 7.2.2017 - B 5 R 308/16 B - juris RdNr 20 , jeweils mwN) .
Dasselbe gilt für sonstige Verfahrensmängel, insbesondere die vom Kläger der Sache nach gerügte Missachtung des Rechts auf Vorlage sachdienlicher Fragen an die vom SG gehörten Sachverständigen Dr. B und Dr. L gemäߧ 116 Satz 2 SGG , § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm§§ 397 ,402 ,411 Abs 4 ZPO(vglBSG Beschluss vom 27.9.2018 - B 9 V 14/18 B - juris RdNr 12 mwN) . Dieses Fragerecht besteht indes grundsätzlich nur hinsichtlich solcher Gutachten, die in derselben Instanz erstattet wurden, falls nicht das SG einen bereits in der ersten Instanz rechtzeitig gestellten Antrag auf konkrete Befragung verfahrensfehlerhaft übergangen hat(BSG Beschluss vom 21.12.2020 - B 13 R 253/19 B - juris RdNr 12 ;BSG Beschluss vom 3.6.2020 - B 9 SB 14/20 B - juris RdNr 8 ;BSG Beschluss vom 11.12.2019 - B 13 R 164/18 B - juris RdNr 9 , jeweils mwN) . Damit war das Fragerecht zumindest in Bezug auf den Sachverständigen Dr. B schon deshalb verbraucht, weil das SG den erstinstanzlichen Schriftsatz des Klägers vom 30.10.2021 an diesen Sachverständigen zur schriftlichen Stellungnahme übersandt und diese wiederum zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht hatte.
Unabhängig davon hatte das LSG den Kläger auf seinen unter dem 11.4.2023 gestellten Antrag auf persönliche Befragung der erstinstanzlich gehörten Sachverständigen Dr. B und Dr. L mit Schreiben vom 26.10.2023 ausdrücklich auf dessen nach der zutreffend zitierten Rechtsprechung des BSG im Rahmen des Fragerechts bestehende Obliegenheit hingewiesen, nach seiner Meinung auch zum Ende des Berufungsverfahrens noch erläuterungsbedürftige Punkte hinreichend konkret zu bezeichnen(vglBSG Beschluss vom 27.9.2018 - B 9 V 14/18 B - juris RdNr 14 ) . Da die Rüge der Verletzung des Rechts auf Befragung eines Sachverständigen letztlich eine Gehörsrüge darstellt, muss der Beschwerdeführer alles ihm Zumutbare tun, um eine solche Anhörung des Sachverständigen auch zu erreichen(vgl stRspr; zBBSG Beschluss vom 23.6.2016 - B 3 P 1/16 B - juris RdNr 6 mwN) . Dieser Obliegenheit ist der Kläger nicht nachgekommen. Zwar sind an einen Beteiligten, der im Berufungsverfahren nicht anwaltlich vertreten ist, hinsichtlich der Geltendmachung eines Begehrens weniger strenge Anforderungen zu stellen(vglBSG Beschluss vom 22.1.2024 - B 2 U 76/23 B ua - juris RdNr 13 mwN) . Allein die pauschale Erwiderung des Klägers vom 31.10.2023, die Vorinstanzen hätten ausgiebig Zeit für die Aufklärung der bereits ausführlich vorgetragenen "Gutachterunstimmigkeiten" gehabt, genügte indes schon angesichts der schriftlichen Stellungnahme des Sachverständigen Dr. B auf die erstinstanzlich geäußerte Kritik des Klägers sowie des zwischenzeitlich ergangenen SG-Urteils und der weiteren medizinischen Ermittlungen des LSG im Berufungsverfahren nicht.
Dass der Kläger letztlich im Kern seines Vorbringens mit der Aus- und Bewertung der vorliegenden Sachverständigengutachten (auch) durch das LSG nicht einverstanden ist und er sich insoweit gegen dessen Beweiswürdigung wendet, ist nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung in § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 iVm § 128 Abs 1 Satz 1 SGG für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unerheblich.
2. Aufgrund der Ablehnung des PKH-Antrags entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH( § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm§ 121 Abs 1 ZPO ) .
Kaltenstein |
|
|
B. Schmidt |
|
|
Röhl |
Fundstellen
Dokument-Index HI16443959 |