Verfahrensgang
SG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 18.12.2020; Aktenzeichen S 3 R 3376/19) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 10.02.2023; Aktenzeichen L 4 R 3208/22) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10. Februar 2023 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger fordert vom beklagten Rentenversicherungsträger die Erstattung von Kosten für ein von ihm angestrengtes Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid über seine Altersrente für schwerbehinderte Menschen vom 15.4.2019. Nach Übersendung ergänzender Anlagen zum Rentenbescheid hatte er von der Beklagten nur noch die Begleichung einer Kostennote über 380,80 Euro oder aber die Entscheidung über seinen Widerspruch verlangt. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück und lehnte eine Erstattung der durch das Widerspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen des Klägers ab (Widerspruchsbescheid vom 13.6.2019). Das SG hat die Beklagte dem Grunde nach zur Erstattung der Kosten des Vorverfahrens verurteilt (Urteil vom 18.12.2020). Auf die Beschwerde der Beklagten hat das LSG die Berufung zugelassen und sodann unter Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidung die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.2.2023). Gegenstand des Rechtsstreits sei allein das Begehren des Klägers auf Änderung der Kostengrundentscheidung des Widerspruchsbescheids und Verurteilung der Beklagten zur Kostenerstattung (Anfechtungs- und Leistungsklage). Dieses Klagebegehren sei auch ohne ein gesondertes Vorverfahren hinsichtlich der Kostengrundentscheidung zulässig, aber nicht begründet. Nach Auffassung des BSG, der sich der Berufungssenat nach eigener Prüfung uneingeschränkt anschließe, bestehe nach Zurückweisung eines auf eine unzureichende Begründung gestützten Widerspruchs nach Heilung des Begründungsmangels im Widerspruchsverfahren kein Kostenerstattungsanspruch nach § 63 Abs 1 Satz 2 SGB X. Es fehle an der erforderlichen Kausalität der nachgeholten Begründung für die Erfolglosigkeit des Widerspruchs. Dass der Begründungsmangel die gebundene Entscheidung im Rentenbescheid vom 15.4.2019 in der Sache nicht beeinflusst habe, sei offensichtlich. Die Auffassung des Klägervertreters, die Regelungen in § 42 und § 41 SGB X stünden in einem Exklusivitätsverhältnis, treffe nicht zu.
Der Kläger hat gegen das ihm am 13.2.2023 zugestellte LSG-Urteil durch seinen Prozessbevollmächtigten am 14.2.2023 Beschwerde zum BSG eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 8.3.2023 begründet. In weiteren Schreiben vom 16.3.2023, vom 19.3.2023 und vom 24.4.2023 hat er sich ergänzend geäußert. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, auf eine Rechtsprechungsabweichung sowie auf einen Verfahrensmangel.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Der Kläger hat weder eine grundsätzliche Bedeutung noch eine Divergenz oder einen Verfahrensmangel in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG erforderlichen Weise dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
a) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht hinreichend dargelegt.
Eine Rechtssache hat nur dann iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage zu revisiblem Recht (§ 162 SGG) aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung dieses Revisionszulassungsgrundes (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG) muss der Beschwerdeführer daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN; BSG Beschluss vom 22.12.2022 - B 5 R 119/22 B - juris RdNr 5, zur Veröffentlichung in SozR 4-1500 § 160a Nr 42 vorgesehen; s auch Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, Kap IX RdNr 283 ff). Daran fehlt es hier.
Der Kläger erachtet folgende Frage als grundsätzlich klärungsbedürftig:
"Ist nach einem geheilten Verfahrensfehler (§ 35 Abs. 1 S. 1 iVm § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X) die Anwendung der Vorschrift des § 42 mit der Folge ausgeschlossen, dass nach § 63 Abs. 1 S. 2 SGB X Kosten nicht zu erstatten sind"?
Der Senat geht zu seinen Gunsten davon aus, dass der Kläger trotz der missverständlichen Formulierung (doppelte Verneinung) in der Sache geklärt wissen will, ob die Regelung in § 42 Satz 1 SGB X Anwendung auch auf Fälle findet, in denen ein Begründungsmangel gemäß § 41 Abs 1 Nr 2 SGB X nachträglich geheilt worden ist. Die Klärungsbedürftigkeit der so verstandenen Rechtsfrage wird nicht anforderungsgerecht dargelegt. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort nicht außer Zweifel steht, sich zB nicht unmittelbar und ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder nicht bereits höchstrichterlich entschieden ist (vgl zB BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Der Kläger bringt vor, der Senat habe im Urteil vom 6.7.2022 (B 5 R 21/21 R - zur Veröffentlichung in BSGE 134, 237 = SozR 4-1300 § 63 Nr 32 vorgesehen) die Anwendung des § 42 SGB X auch bei der Heilung eines Begründungsfehlers bejaht. Damit räumt er eine bereits erfolgte Klärung der Frage ein.
Der Kläger zeigt nicht hinreichend auf, dass die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage erneut klärungsbedürftig geworden sein könnte. Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann wieder klärungsbedürftig werden, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden. Erneuter Klärungsbedarf ist darüber hinaus auch gegeben, wenn neue erhebliche Gesichtspunkte gegen die bisherige Rechtsprechung vorgebracht werden, die zu einer über die bisherige Erörterung hinausgehenden Betrachtung der aufgeworfenen Fragestellung führen können und die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung nicht offensichtlich ausgeschlossen ist (vgl zB BSG Beschluss vom 7.9.2022 - B 6 KA 37/21 B - juris RdNr 16; BSG Beschluss vom 14.11.2022 - B 1 KR 96/21 B - juris RdNr 8, jeweils mwN). Zur Darlegung der erneuten Klärungsbedürftigkeit einer höchstrichterlich bereits geklärten Rechtsfrage ist daher aufzuzeigen, dass und mit welchen Gründen der höchstrichterlichen Rechtsauffassung in der Rechtsprechung oder in der Literatur widersprochen worden ist oder dass sich völlig neue, bislang nicht erwogene Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten (vgl zB BSG Beschluss vom 25.8.2022 - B 5 R 11/22 B - juris RdNr 16 mwN). Dem entspricht das Beschwerdevorbringen nicht.
Der Kläger trägt unter Hinweis auf eine Vielzahl von Literaturstimmen, auf die Ausführungen in der BT-Drucks VI/1173 S 75 f - der Begründung zum Entwurf des VwVfG - und auf eine Entscheidung des LSG vom 16.5.2001 (L 5 KA 2481/00) vor, die Anwendung von § 42 SGB X sei bei der Heilung eines Verfahrensfehlers ausgeschlossen. Damit zeigt er nicht auf, inwiefern der BSG-Entscheidung vom 6.7.2022 mit gewichtigen Einwendungen entgegengetreten worden ist. Die von ihm genannte Entscheidung des LSG war schon zeitlich zuvor ergangen. Das gilt auch für die Gesetzesbegründung aus dem Jahr 1970, die im Übrigen nicht unmittelbar das Sozialverwaltungsverfahren betrifft. Hinsichtlich des angeführten Schrifttums stellt der Kläger nicht dar, dass darin auch auf die BSG-Entscheidung vom 6.7.2022 eingegangen wird. Ebenso wenig zeigt er schlüssig Gesichtspunkte auf, die in der zu dieser Frage ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht berücksichtigt worden wären. Hierzu hätte es einer näheren Auseinandersetzung mit den Ausführungen im Urteil des BSG vom 6.7.2022 bedurft, weshalb § 42 SGB X auch im Fall eines nach § 41 SGB X geheilten Begründungsfehlers zur Anwendung gelangt, trotz der vom BSG selbst angeführten anderslautenden Stimmen im Schrifttum (vgl BSG Urteil vom 6.7.2022 - B 5 R 21/21 R - juris RdNr 33, zur Veröffentlichung in BSGE 134, 267 und SozR 4-1300 § 63 Nr 32 vorgesehen).
Der Kläger stellt im Kern der höchstrichterlichen Rechtsprechung lediglich seine eigene Rechtsauffassung gegenüber, indem er ausführlich zur Auslegung und Anwendung von § 42 SGB X vorträgt sowie dazu, warum nach seinem Dafürhalten selbst geheilte Form- und Verfahrensfehler im Rahmen der Kostenerstattung Beachtung finden müssen. Auf die darin liegende Rüge, die mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung übereinstimmende Entscheidung des LSG sei unrichtig, kann die Nichtzulassungsbeschwerde indes nicht gestützt werden (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 13.8.2020 - B 5 R 61/20 B - juris RdNr 8 mwN). Gleiches gilt für sein Vorbringen, das angegriffene Berufungsurteil sei mit Erwägungen in den Entscheidungen des BSG vom 12.6.2013 (B 14 AS 68/12 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 20), vom 24.10.2018 (B 6 KA 34/17 R - BSGE 127, 33 = SozR 4-2500 § 106d Nr 2) und vom 24.9.2020 (B 9 SB 4/19 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 31) nicht vereinbar.
b) Ebenso wenig wird insoweit der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) anforderungsgerecht dargelegt. Divergenz liegt vor, wenn der angefochtenen Entscheidung ein abstrakter Rechtssatz zugrunde liegt, der von einem zu derselben Rechtsfrage entwickelten abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht, und die angefochtene Entscheidung auf dieser Abweichung beruht. Dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist in der Beschwerdebegründung im Einzelnen darzulegen. Hierzu sind die betreffenden Rechtssätze einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 13). Nicht ausreichend ist hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (stRspr; zB BSG Beschluss vom 7.7.2022 - B 5 R 87/22 B - juris RdNr 5 mwN).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger trägt insoweit vor, nach der Rechtsprechung des 9. Senats ("9 SB 4/19 R") und des "4. Senats" ("B 14 AS 68/12") "wäre, ausgehend von einer formalen Betrachtungsweise, der Widerspruch mit der Rechtsfolge, dass ein Kostenerstattungsanspruch nach § 63 Abs. 1 S. 2 SGB X besteht, erfolgreich gewesen". Damit sind keine konkreten Rechtssätze aus den genannten Entscheidungen bezeichnet. Zudem fehlt jegliches Eingehen darauf, inwiefern diese Entscheidungen zu vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind (vgl dazu zB BSG Beschluss vom 9.8.2018 - B 5 RE 3/18 B - juris RdNr 14; BSG Beschluss vom 25.10.2019 - B 9 SB 40/19 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 28.3.2023 - B 12 BA 19/22 B - juris RdNr 11). Das gilt auch, soweit der Kläger vorträgt, die Entscheidungen des LSG und des erkennenden Senats vom 6.7.2022 seien "mit der Entscheidung des 6. Senats vom 24.10.2022 - B 6 KA 34/17 R - Rn. 37 nicht vereinbar". Der Kläger berücksichtigt insbesondere nicht, dass sich die letztgenannte Entscheidung mit einem im Widerspruchsverfahren geheilten Anhörungsmangel befasst (zu diesem gemäß § 42 Satz 2 SGB X ausnahmsweise anders zu behandelnden Sachverhalt s auch BSG Urteil vom 6.7.2022 - aaO RdNr 33).
Soweit der Kläger darüber hinaus geltend macht, das LSG sei von einem Rechtssatz im Beschluss des BVerfG vom 4.4.1962 (2 BvL 9/60 - BVerfGE 14, 42) abgewichen, behauptet er lediglich pauschal Rechtssätze, die in der angefochtenen Entscheidung des LSG und dem Beschluss des BVerfG enthalten sein sollen. Es fehlen jedoch nähere Ausführungen, aus welchen Begründungselementen die angeführten Rechtssätze hergeleitet werden können. Woraus sich ergeben soll, dass das LSG seiner Entscheidung die Rechtsmeinung zugrunde gelegt hätte, die Heilung eines Verfahrensfehlers bedeute zugleich ein Obsiegen in der Sache, erschließt sich nicht. Soweit der Kläger hierzu auf "S. 5, 6" des LSG-Urteils verweist, ist das zu pauschal, zumal sich dort lediglich Ausführungen zum Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren sowie zum Gegenstand des Rechtsstreits finden. Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 24.4.2023 - mithin erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist am 13.4.2023 (vgl § 160a Abs 2 Satz 1 SGG) - "Seite 7" dieses Urteils in Bezug nimmt, formuliert er einen deutlich anderen Rechtssatz als noch in der Beschwerdebegründung vom 8.3.2023. Ungeachtet dessen zeigt er nicht auf, inwiefern sich aus den Entscheidungsgründen auf Seite 7 des LSG-Urteils der von ihm nunmehr angeführte Rechtssatz ergeben könnte. Dass auch dort die Rechtsmeinung zugrunde gelegt worden sei, dass ein "Widerspruch von Anfang an zulässig und begründet war", wenn im Widerspruchsverfahren eine unzureichende Begründung des Ausgangsbescheids nachgeholt und der formelle Mangel damit geheilt worden ist, wird aus den stichwortartigen Ausführungen des Klägers nicht ersichtlich. Dieser lässt zudem außer Acht, dass sich der von ihm genannte Beschluss des BVerfG explizit nur mit einer Sonderregelung zum Ausschluss der Kostenerstattung im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten befasst (vgl BVerfG Beschluss vom 4.4.1962 - BVerfGE 14, 42, 50, 54 = juris RdNr 24, 33) und zur Kostenerstattung für ein Verwaltungsverfahren keine Aussage trifft.
Entsprechendes gilt, soweit der Kläger in den Schriftsätzen vom 16.3.2013 und 19.3.2023 auch noch eine Divergenz zum Beschluss des BVerfG (Kammer) vom 8.2.2023 (1 BvR 311/22 - juris) behauptet. Zwar kann grundsätzlich eine erst nach Erlass der angefochtenen LSG-Entscheidung (dh nachträglich) infolge einer neuen höchstrichterlichen Entscheidung eingetretene Divergenz von Bedeutung sein (vgl BSG Beschluss vom 23.11.2022 - B 5 R 88/22 B - juris RdNr 10 mwN). Auch insoweit zeigt der Kläger jedoch nicht auf, inwiefern sich dem genannten Kammerbeschluss des BVerfG der von ihm angeführte Rechtssatz entnehmen lässt, dass im Verwaltungs-/Sozialgerichtsprozess die Kostenerstattung nicht mit der Begründung verweigert werden dürfe, dass eine Klage gegen rechtswidriges Verhalten des Staates offensichtlich zulässig und begründet gewesen sei, und welche Bedeutung dieser Rechtssatz zur Kostenerstattung "im Verwaltungs-/Sozialgerichtsprozess" für die hier streitbefangene Kostenerstattung für ein isoliertes Vorverfahren haben könnte. Im Übrigen hat das BVerfG ausgeführt, es sei nicht ausgeschlossen, dass das Gericht in pflichtgemäßer Ausübung seines Ermessens aus Gründen der Billigkeit nach § 193 SGG eine Kostenerstattung ablehne, obgleich die zugrundeliegende Untätigkeitsklage zulässig und begründet gewesen sei (BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 8.2.2023 - 1 BvR 311/22 - juris RdNr 14). Der Kläger erläutert nicht, inwiefern dies im Widerspruch stehen soll zu der Ansicht des LSG, dass ein Anspruch auf Kostenerstattung für ein Vorverfahren nicht besteht, sofern ein Begründungsmangel wirksam geheilt wurde und der ursprünglich vorliegende formelle Mangel die in der Sache rechtmäßige Entscheidung der Behörde nicht beeinflusst hat.
c) Schließlich ist auch ein Verfahrensmangel nicht anforderungsgerecht bezeichnet. Der Kläger rügt insoweit eine Verkennung des Streitgegenstands. Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Die Bezeichnung eines Verfahrensmangels, der in der Verkennung des Rechtsmittel- bzw Streitgegenstands liegt, erfordert die lückenlose Darlegung des Verfahrensgangs unter Auslegung der den Rechtsmittel- bzw Streitgegenstand bestimmenden Entscheidungen und Erklärungen sowie die sorgfältige Auseinandersetzung mit dem Regelungsgehalt der angegriffenen Verwaltungsentscheidungen, dem Klagebegehren, der Entscheidung erster Instanz und dem Berufungsbegehren (vgl zB BSG Beschluss vom 8.5.2019 - B 14 AS 86/18 B - juris RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 24.11.2022 - B 5 R 146/22 B - juris RdNr 13). Diesen Anforderungen entspricht das Beschwerdevorbringen schon deswegen nicht, weil die den Streitgegenstand formenden Erklärungen und Entscheidungen nicht hinreichend dargestellt und bewertet werden.
Der Kläger bringt vor, Streitgegenstand des LSG-Verfahrens sei "nach den Ausführungen im gesamten Verfahren" nur der "Widerspruchsbescheid vom 13.6.2019" gewesen, nicht der Ausgangsrentenbescheid. Indem das LSG bei seiner rechtlichen Beurteilung § 42 SGB X angewendet habe, habe es letztlich über einen Streitgegenstand entschieden, der "dem ausdrücklichen Willen des Klägers widersprach". Hinsichtlich des Widerspruchsbescheids sei "nur die Ergänzung des Bescheides um die Anlagen begehrt" worden. Aus dieser Darstellung ergibt sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht in schlüssiger Weise. Sofern der Kläger mit diesem Vortrag zum Ausdruck bringen wollte, dass das LSG über den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch mit anderem Ergebnis entschieden habe als von ihm erhofft, liegt darin kein Verfahrensmangel auf dem Weg zur Entscheidung (sog "error in procedendo").
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 und § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15796811 |