Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Dezember 2022 wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 258 729,62 Euro festgesetzt.
Gründe
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil als Zulassungsgrund weder eine grundsätzliche Bedeutung noch ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, in der gebotenen Weise dargelegt oder bezeichnet wird (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 SGG).
a) Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Erfordernissen wird die klägerische Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger, ein Träger von Werkstätten für behinderte Menschen, begehrt von der Beklagten in der Sache eine Anhebung der vertraglich vereinbarten Entgelte für die von ihm erbrachten Leistungen im Eingangs- und Berufsbildungsbereich für die Jahre 2016 bis 2018. Seiner Leistungserbringung liegt ein auf unbestimmte Zeit geschlossener Vertrag aus dem Jahr 2013 zugrunde; der monatliche Kostensatz, der für alle laufenden und neu beginnenden Maßnahmen bis zur Anpassung durch eine neue Vereinbarung gelten sollte, betrug zunächst 1249,20 Euro. Bis Ende 2015 haben die Beteiligten in gesonderten Vergütungsvereinbarungen Erhöhungen dieses Betrags auf zuletzt 1376,70 Euro geregelt. Für den streitbefangenen Zeitraum konnte kein Einvernehmen über den Umfang der Preissteigerung erzielt werden.
Der Kläger misst vor diesem Hintergrund folgenden Fragen grundsätzliche Bedeutung bei:
"Haben Werkstätten für behinderte Menschen einen Anspruch gegen die Bundesagentur für Arbeit auf Abschluss einer Vereinbarung nach § 38 SGB IX einschließlich Vereinbarung einer Vergütung?
Haben Träger von Werkstätten für behinderte Menschen einen Anspruch gegen die Bundesagentur für Arbeit auf Vereinbarung einer Vergütung analog § 58 Abs. 3 SGB IX?
Hat ein Leistungserbringer einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung des Rehabilitationsträgers bei der Entscheidung über den Abschluss einer Vereinbarung einschließlich Vereinbarung der Vergütungen gem. § 38 SGB IX?
Verlangt § 38 Abs. 2 SGB IX im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Vereinbarung über Vergütungen im Eingangsverfahren /Berufsbildungsbereich eine einrichtungsindividuelle Betrachtung der tariflichen Personalkosten der Werkstatt für behinderte Menschen durch die Bundesagentur für Arbeit?"
Die Beschwerdebegründung lässt indes die Klärungsfähigkeit dieser Fragen nicht erkennen. Denn sie differenziert nicht zwischen dem erstmaligen Abschluss einer Vergütungsvereinbarung und deren nachträglicher Anpassung. Nach den Ausführungen in der Beschwerde besteht zwischen den Beteiligten für den streitbefangenen Zeitraum ein wirksamer öffentlich-rechtlicher Vertrag über die Erbringung von Leistungen im Eingangs- und Berufsbildungsbereich der vom Kläger getragenen Werkstätten für behinderte Menschen. Als Gegenleistung haben die Beteiligten einen monatlichen Kostensatz iHv 1376,70 Euro vereinbart. Klageziel ist demnach lediglich eine Anhebung dieses Betrags. Vor diesem Hintergrund bleibt unklar, warum einem entscheidungserheblichen Rückgriff auf die als klärungsbedürftig angesehenen Regelungen des Bundesrechts nicht die vertragliche Bindung der Beteiligten entgegenstehen sollte, die sich ausdrücklich auf eine Fortgeltung des ausgehandelten Entgelts bis zur Anpassung durch eine neue Vereinbarung verständigt hatten. Auch geht die Beschwerdebegründung nicht auf Anwendbarkeit und Voraussetzungen der diesbezüglichen Vorschrift des § 59 Abs 1 SGB X ein.
b) Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; siehe bereits BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 16 mwN). Die Beschwerdebegründung des Klägers, die als Verfahrensmangel allein eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, wird auch diesen Darlegungsanforderungen nicht gerecht.
Der Kläger macht in diesem Zusammenhang geltend, das LSG habe seinen Vortrag zur Nichteinhaltung der Schriftform bei den Vereinbarungen zwischen der Beklagten und der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen Baden-Württemberg eV, seinen Vortrag zu erheblichen Unterschieden zwischen dem Angebot der Beklagten an ihn und den anderen Leistungserbringern gewährten Vergütungen und seinen Vortrag zu den unterschiedlichen tariflichen Bindungen der Werkstätten in Baden-Württemberg, die in das sogenannte Korridormodell einfließen, und seiner Zugehörigkeit zum TVöD als einem im Vergleich mit anderen Werkstätten für behinderte Menschen in Baden-Württemberg besonders teuren Tarif nicht zur Kenntnis genommen.
Die damit angesprochene Regelung des § 62 SGG konkretisiert den verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG) und soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (§ 128 Abs 2 SGG) und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen miteinbezogen wird (vgl nur BSG vom 2.2.2022 - B 9 SB 47/21 B - juris RdNr 12 mwN). Das Gericht muss jedoch nicht jedes Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich bescheiden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör bietet keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lassen (vgl BSG vom 2.2.2022 - B 9 SB 47/21 B - juris RdNr 12 mwN unter Hinweis auf BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216 = juris RdNr 43). Er gewährleistet nur, dass jeder Beteiligte "gehört", nicht jedoch "erhört" wird. Die Gerichte werden durch Art 103 Abs 1 GG nicht dazu verpflichtet, dem Vortrag eines Beteiligten zu folgen (stRspr; zuletzt etwa BSG vom 5.12.2022 - B 9 V 30/22 B - juris RdNr 16).
Soweit der Kläger rügen will, dass das LSG den in der Beschwerdebegründung zitierten Tatsachenvortrag des Klägers seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt habe und daher von einem falschen Sachverhalt ausgegangen sei, ist damit also nicht ohne Weiteres ein Gehörsverstoß bezeichnet. Andernfalls würde auch die Regelung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG umgangen, wonach ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Entscheidung des Gerichts nach freier, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnener Überzeugung) gestützt werden kann (vgl BSG vom 28.2.2022 - B 7/14 AS 325/21 B - juris RdNr 18 mwN).
Ob der Kläger darüber hinaus hinreichend dargelegt hat, das LSG habe entscheidungserheblichen Sachvortrag übergangen und sei gerade deswegen von einer - aus Sicht des Klägers - unzutreffenden Sach- und Rechtslage ausgegangen, kann im Ergebnis dahinstehen. Denn die Beschwerdebegründung lässt jedenfalls nicht erkennen, dass das Berufungsurteil auf einem solchen Mangel beruhen könnte. Bezüglich der Nichteinhaltung der Schriftform bei Abschluss der Rahmenvereinbarung wird nicht aufgezeigt, dass das LSG entscheidungserheblich entgegen § 56 SGB X iVm § 125 BGB von einem wirksamen öffentlich-rechtlichen Vertrag ausgegangen wäre. Was den Vergleich mit den Vergütungssätzen anderer Werkstätten angeht, kann aus dem Hinweis, das LSG habe übersehen, dass das Angebot der Beklagten nicht zu einem leicht über-, sondern zu einem leicht unterdurchschnittlichen Kostensatz des Klägers geführt hätte, nicht abgeleitet werden, dass sich dies auf das Ergebnis der Subsumtion unter den im Berufungsurteil gebildeten Obersatz "krasse Unterschiede zu anderen Leistungserbringern gewährten Vergütungen" hätte auswirken können. Hinsichtlich der vom LSG unberücksichtigt gelassenen Bindung an einen besonders teuren Tarifvertrag trägt der Kläger nicht vor, dass nach der insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des LSG eine Prüfung der einrichtungsindividuellen Kostensituation jedes Leistungserbringers vorzunehmen war.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Der Kläger ist kein Leistungsempfänger iS des § 183 SGG(ebenso für einen Werkstattträger BSG vom 29.5.2019 - B 8 SO 3/18 R - BSGE 128, 162 = SozR 4-3500 § 76 Nr 3, RdNr 24; vgl zu anderen Leistungserbringern etwa BSG vom 17.9.2019 - B 3 KR 67/18 B - juris RdNr 13; BSG vom 8.12.2022 - B 8 SO 8/20 R - juris RdNr 27 - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen) . Er macht keine Förderung nach dem SGB III geltend; im Streit steht vielmehr die (Vereinbarung der) Höhe der Vergütung, die dem Kläger als Gegenleistung für eine wirtschaftliche Betätigung zusteht.
3. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 Satz 1, Abs 3 GKG. Der Senat folgt der Berechnung des LSG im Beschluss vom 18.1.2023, gegen die die Beteiligten keine Einwände erhoben haben. Die Rechtsmittelgerichte sind im vorliegenden Fall nicht gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 47 Abs 2 Satz 1 GKG an die Streitwertfestsetzung des SG (5 000 Euro) gebunden, da diese Regelung nicht an die erstinstanzliche Entscheidung, sondern an den objektiv angemessenen Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs anknüpft (vgl BSG vom 19.9.2006 - B 6 KA 30/06 B - juris RdNr 5; BVerwG vom 17.3.2021 - 4 BN 61.20 - juris RdNr 10).
Söhngen |
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Burkiczak |
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B. Schmidt |
Fundstellen
Dokument-Index HI15858369 |