Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Januar 1995 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger begehrt als Rentenantragsteller und jetziger Rentner die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Er reiste am 2. August 1990 aus Polen, ohne das ab 1. Juli 1990 vorgeschriebene Aufnahmeverfahren zu betreiben (§§ 26 bis 29 des Bundesvertriebenengesetzes ≪BVFG≫ idF der Bekanntmachung vom 3. September 1971 ≪BGBl I 1565, 1807≫, geändert durch Art 1 des Aussiedleraufnahmegesetzes ≪AAG≫ vom 28. Juni 1990 ≪BGBl I 1247≫), in die Bundesrepublik Deutschland ein. Bei der Beklagten stellte er am 31. August 1990 Antrag auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Stadt Duisburg bestätigte ihm, er sei durch Abstammung deutscher Staatsangehöriger. Die Anerkennung als Vertriebener durch die zuständige Landesbehörde beantragte er nicht. Ebensowenig bemühte er sich beim Bundesverwaltungsamt nach der „Härtefallregelung” (§ 1 Abs 2 Nr 3, § 27 Abs 2 BVFG idF des AAG) um die nachträgliche Erteilung des Aufnahmebescheides.
Die Beklagte und die Vorinstanzen haben ihre ablehnenden Entscheidungen auf § 189, § 5 Abs 1 Nr 11 und 12 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sowie die Übergangsvorschrift des Art 56 Abs 1 des Gesundheitsreformgesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) gestützt (Bescheid vom 9. Oktober 1991 idF des Widerspruchsbescheides vom 11. März 1992, Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 14. Januar 1994; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen ≪LSG≫ vom 26. Januar 1995): Die Voraussetzungen für die KVdR (auch als Rentenantragsteller) lägen nicht vor, da der Kläger seit der ersten Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, frühestens seit dem 1. Januar 1950, bis zur Stellung des Rentenantrags nicht mindestens die Hälfte der Zeit Mitglied einer (gesetzlichen) Krankenkasse in der Bundesrepublik Deutschland gewesen sei. Die deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen sähen eine Gleichstellung nicht vor. Auch die Regelung des § 5 Abs 1 Nr 12 SGB V begünstige den Kläger nicht, denn er gehöre nicht zu den in § 1 und § 17a Fremdrentengesetz (FRG) genannten Personen. Es sei sachgerecht, das Aufnahme- und Anerkennungsverfahren nach dem BVFG zentral durchzuführen und vorzuschalten und bei den Leistungsgesetzen an diese Statusfeststellung anzuknüpfen. Keinesfalls sei die Beklagte befugt, selbst über die Anerkennung als Vertriebener zu entscheiden.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger als Zulassungsgrund die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Zum einen sei klärungsbedürftig, ob für die Anerkennung als Begünstigter nach § 1 Buchst a FRG zwingend die Durchführung eines Aufnahmeverfahrens nach § 28 BVFG notwendig sei, oder ob die „verbindliche Feststellung” auch in einem gerichtlichen Verfahren erfolgen könne. Es wäre bloßer Formalismus und würde nur unnütz Zeit beanspruchen, an das Aufnahmeverfahren anzuknüpfen, wenn die materiellen Voraussetzungen für die Anerkennung als Vertriebener vorlägen. Zum anderen müsse geklärt werden, ob § 4 Abs 2 BVFG verfassungsgemäß sei.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet. Die erste vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil sich die Antwort ohne jeden Zweifel bereits aus dem nicht weiter auslegungsfähigen Gesetzeswortlaut ergibt (BSGE 40, 42 und 158, 159). Die zweite vom Kläger aufgeworfene verfassungsrechtliche und damit idR grundsätzlich bedeutsame (vgl BSGE, aaO, S 158) Rechtsfrage ist im hiesigen Verfahren ungeachtet der fehlenden Zuständigkeit bereits deshalb nicht klärungsfähig, weil § 4 Abs 1 und 2 BVFG in der Fassung des Art 1 des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes (KfbG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2094) im Falle des Klägers keine Anwendung findet und deshalb nicht rechtserheblich sein kann (Kummer, „Die Nichtzulassungsbeschwerde”, 1990, RdNr 128, mwN).
Nach § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG in der ab 1. Juli 1990 gültigen Neufassung durch das AAG ist derjenige Vertriebener, der vor dem 1. Juli 1990 oder danach im Wege der Aufnahme (nach § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG idF des am 1. Jnuar 1993 in Kraft getretenen KfbG: „vor dem 1. Juli 1990 oder danach im Wege des Aufnahmeverfahrens vor dem 1. Januar 1993”) die Aussiedlungsgebiete (ua Polen) verlassen hat. Die Durchführung des dem Statusverfahren nach dem BVFG vorgeschalteten Aufnahmeverfahrens nach den §§ 26 bis 29 BVFG, das mit einem Aufnahmebescheid des Bundesverwaltungsamtes endet, ist seit dem 1. Juli 1990 zwingende materielle Voraussetzung für die Anerkennung als Vertriebener durch die für die Statusfeststellung als Vertriebener allein zuständigen Landesbehörden. Der Beschwerdeführer irrt deshalb, wenn er meint, das Aufnahmeverfahren sei ein verzichtbarer Formalismus, wenn nur die übrigen Voraussetzungen des § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG vorliegen. Selbst wenn es nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers zulässig wäre, bei der Anwendung eines an den Vertriebenenstatus anknüpfenden Leistungsgesetzes (hier § 5 Abs 1 Nr 12 SGB V iVm § 1 Buchst a FRG iVm § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG) die Vertriebeneneigenschaft festzustellen, müßte die ab 1. Juli 1990 geltende Gesetzesänderung beachtet werden. Im übrigen hat das LSG zutreffend darauf hingewiesen, daß § 1 Buchst a FRG an die bereits erfolgte Anerkennung als Vertriebener anknüpft. Diese ist deshalb Tatbestandsvoraussetzung bei der Anwendung des § 5 Abs 1 Nr 12 SGB V. Für die Zweistufigkeit des Verwaltungsverfahrens bestehen sachliche Gründe. Insoweit wird auf die Ausführungen des LSG Bezug genommen.
Die Einführung des Aufnahmeverfahrens hatte den Zweck, den Zustrom von Ausweisbewerbern aus den Ostvertreibungsgebieten, der durch die dort eingetretenen politischen Veränderungen entstanden ist, durch eine jedenfalls vorläufige Prüfung der Aussiedlereigenschaft sowohl im Hinblick auf die mit einer Aufnahme verbundenen innerstaatlichen Belastungen als auch zum Zwecke der Vermeidung unberechtigter, aus Rechtsgründen nicht zu erfüllender Erwartungen in geordnete Bahnen zu lenken. Das Gesetz geht dabei davon aus, daß es den Betroffenen wegen der veränderten politischen Verhältnisse in den Ostvertreibungsgebieten regelmäßig zuzumuten ist, bis zum Abschluß des Aufnahmeverfahrens in den Vertreibungsgebieten zu bleiben (vgl Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines AAG, BT-Drucks 11/6937 S 5; BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1994, BVerwGE 95, 311, 317; BVerwG, Beschluß vom 11. Juli 1994, 9 B 288/94; Buchholz 412.3 § 27b BVFG Nr 1).
Der Kläger hat bisher von der Härteregelung des § 27 Abs 2 BVFG, die auch möglicherweise verfassungswidrige Beeinträchtigungen in der Übergangszeit auffangen soll, keinen Gebrauch gemacht. Danach kann Personen ohne Aufnahmebescheid, die sich bereits in der Bundesrepublik aufhalten, nachträglich vom Bundesverwaltungsamt ein Aufnahmebescheid erteilt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde. Sobald dieser Bescheid vorliegt, wäre die Einreise „im Wege der Aufnahme” iSd § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG erfolgt. Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt sich, daß für die Anwendung der Härteregelung keinesfalls diejenigen Behörden, die Rechte und Vergünstigungen an Vertriebene gewähren, zuständig sind. Gleiches gilt für die Zuständigkeit der Fachgerichte, die jene Entscheidungen kontrollieren.
Die „Spätaussiedlerregelung” des § 4 BVFG idF durch das KfbG gegen die der Kläger verfassungsrechtliche Bedenken äußert, betrifft nur solche Personen, die aus den Aussiedlungsgebieten des § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG (ebenfalls im Wege des Aufnahmeverfahrens) nach dem 31. Dezember 1992 in der Bundesrepublik Deutschland ihren ständigen Aufenthalt genommen haben. Nur dann wird in Abs 1 und Abs 2 nach den jeweiligen Herkunftsgebieten differenziert. Der vom Kläger behauptete Verfassungsverstoß dieser Regelung kommt in seinem Falle überhaupt nicht zum Tragen und kann nicht entscheidungserheblich sein, selbst wenn es eine Überprüfungskompetenz der Sozialgerichtsbarkeit gäbe.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen