Verfahrensgang
SG Hannover (Entscheidung vom 21.12.2022; Aktenzeichen S 50 KR 2713/19) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 17.08.2023; Aktenzeichen L 4 KR 38/23) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 17. August 2023 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) durch die Beklagte.
Die Klägerin ist seit 1.8.2018 freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse. Diese setzte die Beiträge zur GKV und sPV wiederholt durch Bescheid fest. Dabei zog sie im Rahmen der Beitragserhebung neben den Renten- und Versorgungsbezügen der Klägerin auch das Einkommen ihres nicht in der GKV versicherten Ehegatten heran. Im August 2019 hob sie frühere Bescheide auf und forderte rückwirkend für den Zeitraum von August 2018 bis Juli 2019 Beiträge nach(Bescheid vom 13.8.2019; Widerspruchsbescheid vom 27.11.2019) .
Das SG hat die Bescheide aufgehoben, soweit Beiträge für den Zeitraum 1.8.2018 bis 31.7.2019 rückwirkend festgesetzt worden sind, und im Übrigen die Klage abgewiesen(Urteil vom 21.12.2022) . Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens sei nach der Rechtsprechung des BSG und des BVerfG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden(Urteil vom 17.8.2023) . Mit ihrer Beschwerde wendet sich der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels ist entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG kein Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Die Klägerin meint, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist(stRspr; vgl nurBSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17;BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN) . Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin trägt zunächst vor, die vorliegende Entscheidung betreffe "die Rechtsfrage,
inwieweit - auch wenn" sie "aus ihren eigenen Einkünften ihren Lebensunterhalt decken kann - höhere Einnahmen des Ehegatten berücksichtigt werden dürfen und ob dies ein Verstoß gegen§ 240 SGB V darstellt, wonach (nur) auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwillig Versicherten abzustellen ist und nicht auf ein fiktives Ehegatteneinkommen".
Darüber hinaus stelle sich auch die Frage,
"ob diese Rechtspraxis noch mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz ausArtikel 3 GG oder auch dem Schutz der Familie ausArtikel 6 GG vereinbar ist".
Anders als bei dem der Entscheidung des Großen Senats des BSG(Beschluss vom 24.6.1985 - GS 1/84 - BSGE 58, 183 = SozR 2200 § 180 Nr 27) zugrunde liegenden Sachverhalt könne sie von ihrem eigenen Einkommen leben. Sie werde dafür bestraft, dass sie mit einem nicht gesetzlich versicherten Ehepartner verheiratet sei. Inwiefern dies einen Schutz der Familie darstelle, wie inArt 6 GG gefordert werde, sei nicht nachvollziehbar. Es bestehe eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem: Freiwillig Versicherte, die mit einer nicht gesetzlich versicherten Person verheiratet seien, würden durch§ 240 SGB V und die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz) anders behandelt, als freiwillig Versicherte, die mit einer gesetzlich versicherten Person verheiratet seien oder freiwillig Versicherte, die ohne Trauschein miteinander leben würden. Alle diese Personen würden jedoch eine Einstandsgemeinschaft ("Obergruppe") bilden. Zudem liege eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber Personen vor, die nach§ 5 Abs 1 Nr 11 SGB V pflichtversichert seien. Sie habe einen eigenen Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, sei "jedoch im maßgeblichen Zeitraum nicht ganz zu 9/10 Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, sondern nur zu etwa 6,5/10, sodass sie nunmehr freiwillig versichert" sei. Dies sei der einzige Grund, weshalb sie monatlich (neben den höheren Beiträgen aus den Versorgungsbezügen) mehr zahlen müsse als pflichtversicherte Personen.
a) Soweit die Klägerin durch die Heranziehung des Einkommen ihres Ehegatten nach einem Verstoß gegen§ 240 SGB V undArt 3 GG sowieArt 6 GG fragt, beschäftigt sie sich jedenfalls nicht hinreichend mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach zu den Grundsätzen der Beitragsbemessung bei freiwilligen Mitgliedern gehört, dass sich die Beitragsbemessung nach der Gesamtheit der Einnahmen bestimmt, die die Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds bestimmen. Hierzu hat das BSG zu Satzungsbestimmungen aufgrund der (bis zum 31.12.2008 geltenden) Ermächtigung des§ 240 Abs 1 SGB V ausgeführt, dass eine Beitragsbemessung nach der Hälfte der Einnahmen des Ehegatten auch dann vorgesehen werden dürfe, wenn die eigenen geringeren Einnahmen des Mitglieds seinen Lebensunterhalt abdeckten. Auch in diesem Fall würden die höheren Einnahmen des Ehegatten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds iS von§ 240 Abs 1 Satz 2 SGB V mitprägen(BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 KR 9/10 R - juris RdNr 18 ) . Insofern ist eine Satzungsbestimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz desArt 3 Abs 1 GG auch insoweit als vereinbar angesehen worden als die Höhe der eigenen Einnahmen des freiwilligen Mitglieds für die Beitragshöhe unerheblich ist, solange diese Einnahmen betragsmäßig unter derjenigen des Ehegatten lägen und die Hälfte der Beitragsbemessungsgrenze nicht überstiegen(BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 KR 9/10 R - juris RdNr 19 ) . Soweit die Satzungen der Krankenkasse inzwischen durch die einheitlich vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen (SpVBdKK) geregelten BeitrVerfGrsSz abgelöst worden sind, hat der Senat auch bereits entschieden, dass der SpVBdKK seinem Regelungsauftrag durch Erlass der BeitrVerfGrsSz grundsätzlich im Einklang mit höherrangigem Gesetzes- und Verfassungsrecht nachgekommen sei(BSG Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 16/16 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 32 RdNr 15 mwN) . Die Klägerin legt nicht hinreichend dar, weshalb sich aus dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Frage ergeben sollen.
b) Auch soweit die Klägerin die Frage der Vereinbarkeit des§ 5 Abs 1 Nr 11 SGB V mitArt 3 GG aufwirft, fehlt es an hinreichenden Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit.
Wird die Beschwerde mit einem Grundrechtsverstoß begründet, hat sie unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzuzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll(BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; ferner zBBSG vom 8.12.2008 - B 12 R 38/07 B - juris RdNr 7 mwN) . Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Die Beschwerdebegründung darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des Grundgesetzes zu benennen(BSG vom 30.4.2015 - B 10 EG 17/14 B - juris RdNr 5 mwN) .
Die Klägerin unterlässt es schon, die Rechtsprechung des BVerfG zu der von ihr als verletzt gerügten Verfassungsnorm desArt 3 Abs 1 GG konkret aufzuzeigen. Sie zitiert insoweit weder dessen zentrale Entscheidungen zur allgemeinen Differenzierung in Bezug auf die Rechtsfolgen gleicher bzw ungleicher Sachverhalte noch geht sie auf die Gesichtspunkte ein, die das BVerfG - insbesondere im Bereich des Sozialversicherungsrechts - als hinreichende sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung anerkannt hat. Die Beschwerdebegründung klammert insoweit aus, dass der Gesetzgeber bei der Festlegung der Voraussetzungen für sozialrechtliche Begünstigungen (hier: Gewährung kostengünstigen Krankenversicherungsschutzes als Rentner) über einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum und eine Einschätzungsprärogative verfügt (vgl zBBSG Urteil vom 26.2.2019 - B 12 KR 17/18 R - BSGE 127, 254 = SozR 4-2500 § 229 Nr 24, RdNr 24) .
2. Daneben macht die Klägerin geltend, es stelle sich "auch die Rechtsfrage,
ob es gesetzes- und insbesondere verfassungskonform ist, wenn freiwillig Versicherten der Freibetrag gem.§ 226 Abs. 2 SGB V verwehrt wird".
Pflichtversicherte Rentner müssten Beiträge zur GKV und sPV nur auf ihre Renteneinkünfte zahlen, nicht hingegen auch auf die Versorgungsbezüge, jedenfalls nicht auf einen Freibetrag in Höhe von 1/20 der monatlichen Bezugsgröße. Dies stelle mangels eines sachlichen Grundes für die Ungleichbehandlung eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes ausArt 3 GG dar. Auch insoweit fehlt es an hinreichenden Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit.
Wird mit der Beschwerde eine Verletzung des Gleichheitssatzes geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung im Rahmen der bereits unter 1. b) aufgezeigten Anforderungen ua darlegen, worin die für eine Gleich- bzw Ungleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltsmerkmale bestehen sollen(vgl BVerfG ≪Dreier-Ausschuss≫ Beschluss vom 8.6.1982 - 2 BvR 1037/81 - SozR 1500 § 160a Nr 45) . Die Klägerin unterlässt es auch hier bereits, die Rechtsprechung des BVerfG zu der von ihr als verletzt gerügten Verfassungsnorm desArt 3 Abs 1 GG konkret aufzuzeigen und sich mit ihr auseinanderzusetzen.
Auch fehlt eine Auseinandersetzung mit der umfangreichen Rechtsprechung des Senats, nach der die beitragsrechtliche Ungleichbehandlung von Pflichtversicherten und freiwillig Versicherten grundsätzlich verfassungsgemäß ist(vglBSG Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 16/16 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 32 RdNr 24;BSG Urteil vom 30.11.2016 - B 12 KR 6/15 R - SozR 4-2500 § 224 Nr 2 RdNr 29 mwN;BSG Urteil vom 27.1.2010 - B 12 KR 28/08 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 13 RdNr 17;BSG Urteil vom 26.5.2004 - B 12 P 6/03 R - SozR 4-2500 § 224 Nr 1 RdNr 16;BSG Beschluss vom 4.4.2018 - B 12 KR 99/17 B - juris RdNr 8 ) . Danach geht das Gesetz typisierend von einer geringeren Schutzbedürftigkeit der freiwillig versicherten Mitglieder im Vergleich zu Pflichtversicherten aus(vgl zBBSG Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 16/16 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 32 RdNr 24 mwN;BSG Urteil vom 30.11.2016 - B 12 KR 6/15 R - SozR 4-2500 § 224 Nr 2 RdNr 29 mwN) . Schließlich hätte die Klägerin zur Klärungsfähigkeit aufzeigen müssen, inwiefern die aufgeworfene Rechtsfrage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich wäre. Dazu hätte es zumindest Ausführungen dazu bedurft, ob sich bei Berücksichtigung eines Freibetrags auf ihre Versorgungsbezüge eine Änderung in der Beitragsbemessung ergeben würde. Das ist schon deshalb zweifelhaft, weil ihr Ehegatte über anzurechnende Einkünfte oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze verfügte und der Freibetrag auch für Pflichtversicherte nur von den monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach§ 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V abzuziehen ist(§ 226 Abs 2 Satz 2 SGB V ) .
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen(§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von§ 193 SGG .
Fundstellen
Dokument-Index HI16574334 |