Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Divergenz. Auslegungsgrundsätze. Leistungslegende der Bewertungsmaßstäbe im ärztlichen und zahnärztlichen Bereich. Konkrete Gebührenziffer. Außer Kraft getretenes Recht. Verallgemeinerungsfähigkeit. Breitenwirkung. Rechtsfrage. Medizinische Frage

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Soweit Auslegungsgrundsätze geklärt sind, könnte auch deren fehlerhafte Anwendung im Einzelfall eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht begründen.

2. Aus der Anwendung der Grundsätze zur Auslegung der Leistungslegende der Bewertungsmaßstäbe im ärztlichen und zahnärztlichen Bereich auf eine konkrete Gebührenziffer ergibt sich im Regelfall noch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

3. Bei Rechtsfragen zu bereits außer Kraft getretenem Recht kann eine Klärungsbedürftigkeit nur anerkannt werden, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage dieses Rechts zu entscheiden ist oder wenn die Überprüfung der Rechtsnorm bzw. ihrer Auslegung aus anderen Gründen (namentlich wegen einer weitgehenden Übereinstimmung mit dem neuen Recht) fortwirkende allgemeine Bedeutung hat.

4. Klärungsfähigkeit ist nicht gegeben, wenn die Rechtsfrage aufgrund besonderer Gestaltung des Rechtsstreits einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung nicht zugänglich ist und es ihr damit an Breitenwirkung fehlt.

5. Bei der Auslegung der Leistungslegende einer GOP des EBM-Ä handelt es sich um eine Rechtsfrage und nicht um eine medizinische Frage.

6. Eine Divergenz liegt nicht schon vor, wenn das LSG einen Rechtssatz aus einer höchstrichterlichen Entscheidung nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn es diesem Rechtssatz widersprochen, also einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat; nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung einer Revision wegen Divergenz.

 

Normenkette

SGG §§ 62, 128 Abs. 1 Sätze 1-2, § 136 Abs. 1 Nr. 6, § 160 Abs. 2 Nr. 2, § 160a Abs. 2 S. 3; SGB V § 87 Abs. 1 S. 1; EBM-Ä GOP §§ 11500, 11310-11312; GG Art. 103 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 22.02.2023; Aktenzeichen L 7 KA 47/19)

SG Potsdam (Entscheidung vom 12.06.2019; Aktenzeichen S 1 KA 60/16)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Februar 2023 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 145 263,39 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I

Der Kläger wendet sich gegen eine sachlich-rechnerische Richtigstellung für das Quartal 3/2014 bezogen auf die Gebührenordnungspositionen (GOP) 11310 bis 11312 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) in der bis zum 30.6.2016 geltenden Fassung (im Folgenden: aF).

Der Kläger war in dem hier maßgeblichen Zeitraum im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) als Facharzt für Humangenetik zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Nach Anhörung reduzierte die Beklagte die Honorarforderung des Klägers für das Quartal 3/2014 um 145 263,39 Euro und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Der Kläger habe die GOP 11310 und 11311 EBM-Ä aF im Falle einer Wiederholung wegen ungenügender Qualität oder zur Kontrolle des Befundes mehrfach abgerechnet. Abweichend davon könnten die genannten GOP nur einmal je Untersuchung angesetzt werden; unvollständige Analysen und Analyseversuche seien nicht abrechnungsfähig. Die GOP 11312 EBM-Ä aF sei in einem Teil der Fälle abgesetzt worden, weil die vom Kläger durchgeführte sog GTG-Bänderung bereits Inhalt der GOP 11310 und 11311 EBM-Ä aF sei. In anderen Fällen seien die Voraussetzungen der GOP 11312 EBM-Ä aF nicht erfüllt, weil angesichts der vom Kläger angegebenen Kultivierungszeit von 72 bis 96 Stunden keine Untersuchung von Langzeitkulturen stattgefunden habe. Darüber hinaus habe der Kläger die GOP 11312 EBM-Ä aF für Untersuchungen des vollständigen Chromosomensatzes mittels Subtelomerscreening mit je 53 Zielsequenzen 53-fach in Ansatz gebracht. Über die GOP 11312 EBM-Ä aF sei jedoch nur die spezielle Chromosomenbandanalyse einzelner Chromosomen, nicht aber des gesamten Chromosomensatzes abrechenbar.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück. Das SG hat einen Sachverständigen zur Auslegung der GOP 11310 bis 11312 EBM-Ä aF gehört und der Klage teilweise stattgegeben. Die GOP 11310 und 11311 EBM-Ä aF dürften zwar bei der mehrfachen Untersuchung desselben Körpermaterials nicht mehrfach angesetzt werden. Soweit der Kläger insbesondere Abortgewebe unterschiedlichen Ursprungs untersucht habe, seien die genannten GOP je untersuchtem Gewebe und damit mehrfach abrechenbar. Entgegen der Auffassung der Beklagten könne zudem für die gleichzeitige Untersuchung aller Chromosomen unter Verwendung eines Sondenkits (hier: Subtelomerscreening) die GOP 11312 EBM-Ä aF jeweils mehrfach in Ansatz gebracht werden. In den übrigen Punkten hat das SG die Auffassung der Beklagten bestätigt.

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG geändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen; die Anschlussberufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Soweit das SG davon ausgegangen ist, dass der Kläger insbesondere bei der Untersuchung von Abortgewebe Gewebe unterschiedlichen Ursprungs untersucht habe und deshalb die GOP 11310 und 11311 EBM-Ä aF mehrfach habe in Ansatz bringen können, hat das LSG ausgeführt, dass der Kläger das Abortgewebe selbst als Mischgewebe bezeichnet habe und seine pauschale Behauptung, verschiedene Kulturansätze aus verschiedenartigem Abortgewebe angelegt zu haben, in keiner Weise konkretisiert oder belegt habe.

Entgegen der Auffassung des SG werde die Leistungslegende der GOP 11312 EBM-Ä aF durch die gleichzeitige Untersuchung aller Chromosomen unter Verwendung eines Sondenkits nicht erfüllt. Die genannte GOP setze die Untersuchung einzelner Chromosomen voraus, sodass Screeningverfahren (hier: Subtelomerscreening) nicht erfasst seien. Erforderliche Untersuchungen zum Vorliegen eines Chromosomenmikrodefekts könnten mittels Mikroarry-Analyse durchgeführt und über die GOP 11500 EBM-Ä aF abgerechnet werden. Die in der Leistungslegende zu dieser GOP geregelten Voraussetzungen dürften nicht durch die Abrechnung eines Subtelomerscreenings nach GOP 11312 EBM-Ä aF unterlaufen werden.

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Rechtsprechungsabweichungen und Verfahrensfehler geltend (Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG).

II

Die Beschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg. Soweit sie zulässig ist und den Begründungsanforderungen entspricht, ist sie unbegründet.

1. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt nicht vor.

Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsbedürftig und klärungsfähig (entscheidungserheblich) und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 29.11.2006 - B 6 KA 23/06 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG Beschluss vom 28.10.2015 - B 6 KA 12/15 B - SozR 4-2500 § 116 Nr 11 RdNr 5; BSG Beschluss vom 15.10.2020 - B 6 KA 16/20 B - juris RdNr 8). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die aufgeworfene Frage bereits geklärt ist oder wenn sich die Antwort ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften oder aus schon vorliegender Rechtsprechung klar beantworten lässt (vgl nur BSG Beschluss vom 11.10.2017 - B 6 KA 29/17 B - juris RdNr 4). Klärungsfähigkeit ist nicht gegeben, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage nicht im Revisionsverfahren zur Entscheidung anstünde oder wenn die Bedeutung über den Einzelfall hinaus fehlt, weil eine weitergehende Bedeutung der Rechtsfrage für weitere Fälle nicht erkennbar ist oder die Rechtsfrage aufgrund besonderer Gestaltung des Rechtsstreits einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung nicht zugänglich ist (vgl zB BSG Beschluss vom 13.2.2019 - B 6 KA 17/18 B - juris RdNr 7). In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

Der Kläger macht die grundsätzliche Bedeutung bezogen auf folgende Fragen geltend:

"Erlaubt und gebietet die gebotene Wortlautauslegung des EBM in Ausnahmefällen die Einholung und Berücksichtigung eines Sachverständigengutachtens zum Wortsinn, wenn die im EBM genutzten Begrifflichkeiten Fachbegriffe zu Untersuchungsvorgängen enthalten, die vom allgemeinen Sprachverständnis nicht umfasst sind?

Darf eine Kassenärztliche Vereinigung im Rahmen einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung die Honorarkürzung mit dem Verweis auf die Abrechnung und Erbringung einer anderen Leistung begründen, wenn der EBM keine Konkurrenzregel vorsieht und die alternative GOP im Hinblick auf die abgerechnete GOP weder der Fallgruppe der Spezialität zugeordnet werden kann, noch die abgerechnete GOP vollständig in der alternativen GOP enthalten ist?

Darf eine Kassenärztliche Vereinigung im Rahmen einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung die Indikation der Leistung überprüfen?

Kann der Einwand, eine Leistung entspreche nicht dem Stand der Wissenschaft und Technik, zulässiger Gegenstand einer sachlich-rechnerischen Berichtigung sein?

Sind mit der Formulierung 'Darstellung der Strukturen einzelner Chromosomen' in einer GOP des EBM Untersuchungsverfahren ausgeschlossen, die die Untersuchung aller einzelnen Chromosomen ermöglichen?"

Es kann offenbleiben, ob es sich im Einzelnen um Rechtsfragen zur Auslegung und Anwendung revisiblen Bundesrechts handelt. Jedenfalls bezogen auf die ersten vier Fragen legt der Kläger bereits nicht die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit dar, sondern macht zur Begründung seiner Beschwerde im Wesentlichen geltend, dass die Entscheidung des LSG unrichtig sei, weil es geltende Auslegungsgrundsätze unzutreffend angewandt habe (nachfolgend a). Soweit dem Vorbringen des Klägers, das der fünften Frage zugeordnet werden kann, zu entnehmen ist, dass die Auslegung von - hier entscheidungserheblichen - Formulierungen in der Leistungslegende zu den GOP 11310, 11311 und 11312 EBM-Ä aF in der Rechtsprechung des Senats noch nicht geklärt sei, trifft dies zwar zu; daraus folgt aber nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (nachfolgend b). Auch kann die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht erfolgreich damit begründet werden, dass das LSG die Berücksichtigung eines Sachverständigengutachtens unterlassen habe, obwohl dies - nach Ansicht des Klägers - "unter Berücksichtigung der vorliegenden Besonderheiten des Falles ausnahmsweise […] erforderlich und geboten" gewesen wäre (nachfolgend c).

a) Zur Begründung seiner Beschwerde macht der Kläger geltend, das LSG habe die Vorgaben des EBM-Ä "falsch bewertet" und "die systematische Abgrenzung der sachlich-rechnerischen Richtigstellung zu den Wirtschaftlichkeitsprüfungen überschritten", indem es ihn auf die Möglichkeit der alternativen Leistungserbringung und -abrechnung nach der GOP 11500 EBM-Ä aF verwiesen habe (S 25 der Beschwerdebegründung). Ferner sei die Auffassung des LSG, dass die Leistung der Darstellung der Subtelomerbereiche aller einzelnen Chromosomen mittels FISH vollständig in der GOP 11500 EBM-Ä aF aufginge, nicht zutreffend bzw "nicht haltbar" (S 26 der Beschwerdebegründung). Das LSG habe damit Auslegungsgrundsätze verletzt (S 30 der Beschwerdebegründung). In Bezug auf die GOP 11312 EBM aF die jeweils 53-mal in 38 Behandlungsfällen bei Leistungen der Subtelomerdarstellung aller Chromosomen gekürzt worden war, habe das LSG "die Reichweite der sachlich-rechnerischen Berichtigung verkannt und die Auslegungsmethodik falsch angewandt" (S 27 der Beschwerdebegründung). Ferner habe das LSG die Unterschiede von Wirtschaftlichkeitsprüfung und sachlich-rechnerischer Richtigstellung (vgl dazu zB BSG Urteil vom 27.4.2005 - B 6 KA 39/04 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 10 RdNr 14 = juris RdNr 20; BSG Urteil vom 13.5.2020 - B 6 KA 25/19 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 63 RdNr 59; zuletzt BSG Beschluss vom 25.10.2023 - B 6 KA 38/22 B - juris RdNr 10) verkannt.

Mit diesen und weiteren Ausführungen macht der Kläger geltend, dass das LSG anerkannte Auslegungsgrundsätze nicht oder unzutreffend angewandt und deshalb eine unrichtige Entscheidung getroffen habe. Daraus ergibt sich indes nicht die Klärungsbedürftigkeit der vom Kläger formulierten Fragen, mit denen er im Wesentlichen die in der Rechtsprechung des BSG entwickelten Grundsätze zur Auslegung von GOP (vgl dazu zB BSG Urteil vom 4.5.2016 - B 6 KA 16/15 R - SozR 4-5532 Allg Nr 2 RdNr 23 mwN) und deren Anwendung auf die GOP 11310, 11311 und 11312 EBM-Ä aF thematisiert. Der Kläger macht in der Begründung seiner Beschwerde nicht geltend, dass Klärungsbedarf bezogen auf bestimmte Grundsätze zur Auslegung von GOP oder bezogen auf die Unterscheidung von Wirtschaftlichkeitsprüfung und sachlich-rechnerischer Berichtigung bestehe, sondern dass das LSG anerkannte Auslegungsgrundsätze verkannt (vgl zB S 33 der Beschwerdebegründung) und Rechtsfragen (ua zur Unzuständigkeit der Beklagten für die Durchführung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen) unzutreffend beantwortet habe. Soweit Auslegungsgrundsätze geklärt sind, könnte jedoch auch deren (unterstellt) fehlerhafte Anwendung im Einzelfall eine grundsätzliche Bedeutung nicht begründen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 15.6.2022 - B 5 R 56/22 B - juris RdNr 6 mwN).

b) Der Kläger kann die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auch nicht erfolgreich damit begründen, dass sich das BSG mit der Auslegung von Formulierungen in der Leistungslegende zu den streitigen GOP noch nicht befasst habe (fünfte Frage). Nach stRspr des Senats ergibt sich aus der Anwendung der Grundsätze zur Auslegung der Leistungslegende der Bewertungsmaßstäbe im ärztlichen und zahnärztlichen Bereich auf eine konkrete Gebührenziffer im Regelfall noch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (vgl zB BSG Beschluss vom 13.12.2000 - B 6 KA 30/00 B - juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 12.12.2012 - B 6 KA 31/12 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 15.5.2014 - B 6 KA 55/13 B - BeckRS 2014, 69370 RdNr 11; BSG Beschluss vom 17.2.2016 - B 6 KA 63/15 B - juris RdNr 4, 6; BSG Beschluss vom 25.11.2020 - B 6 KA 6/20 B - juris RdNr 15; BSG Beschluss vom 6.4.2022 - B 6 KA 16/21 B - juris RdNr 15).

Hier kommt hinzu, dass es um die Auslegung alten, heute nicht mehr geltenden Rechts geht. Die Regelungen zur Vergütung humangenetischer Leistungen sind zum 1.7.2016 grundlegend umstrukturiert worden (vgl dazu bereits BSG Beschluss vom 6.4.2022 - B 6 KA 16/21 B - juris RdNr 20). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist die Auslegung einer Rechtsnorm, die bereits außer Kraft getreten ist, regelmäßig nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage daraus erwächst, dass ihre Klärung nicht nur für den Einzelfall, sondern im Interesse der Fortbildung des Rechts oder seiner einheitlichen Auslegung erforderlich ist (BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 10; BSG Beschluss vom 12.1.2017 - B 6 KA 68/16 B - juris RdNr 8, jeweils mwN). Bei Rechtsfragen zu bereits außer Kraft getretenem Recht kann eine Klärungsbedürftigkeit daher nur anerkannt werden, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage dieses Rechts zu entscheiden ist oder wenn die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihrer Auslegung aus anderen Gründen (namentlich wegen einer weitgehenden Übereinstimmung mit dem neuen Recht) fortwirkende allgemeine Bedeutung hat (BSG Beschluss vom 12.1.2017 - B 6 KA 68/16 B - juris RdNr 8 mwN). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist, wenn dies nicht offensichtlich ist, gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG in der Beschwerdebegründung darzulegen (BSG Beschluss vom 7.2.2007 - B 6 KA 56/06 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 11.3.2009 - B 6 KA 31/08 B - juris RdNr 20; BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 10 mwN; BSG Beschluss vom 6.4.2022 - B 6 KA 16/21 B - juris RdNr 20). Daran fehlt es hier.

Der Bewertungsausschuss (BewA) hat in seiner 372. Sitzung (DÄ 2016, A 776) und in seiner 376. Sitzung (DÄ 2016, A 1406) die Weiterentwicklung der humangenetischen Leistungen und deren Anpassung an den Stand von Wissenschaft und Technik mit Wirkung zum 1.7.2016 beschlossen. Während zuvor alle humangenetischen Leistungen im Kapitel 11 des EBM-Ä zusammengefasst waren, sind die Leistungen nunmehr in konstitutionelle genetische (neugefasster Abschnitt 11.4 in Kapitel 11: "In-vitro-Diagnostik konstitutioneller genetischer Veränderungen"), tumorgenetische (neuer Abschnitt 19.4 in Kapitel 19: "In-vitro-Diagnostik tumorgenetischer Veränderungen") und immungenetische Leistungen (neuer Abschnitt 32.3.15 in Kapitel 32: "Immungenetische Untersuchungen") unterteilt. Auch die Leistungsbeschreibung der GOP wurde überarbeitet und an den aktuellen wissenschaftlichen Stand angepasst. In Abkehr von der bisher bestehenden methodenorientierten Abbildung genetischer Untersuchungen im Abschnitt 11.3 EBM-Ä aF beschreiben die Leistungsinhalte der neuen GOP grundsätzlich befundrelevante pathogenetische Prinzipien ohne einen direkten Methodenbezug (vgl die im Internet auf der Seite des Instituts des BewA veröffentlichten Entscheidungserheblichen Gründe zum Beschluss des BewA nach § 87 Abs 1 Satz 1 SGB V in seiner 372. Sitzung am 11.3.2016 zur Änderung des EBM-Ä; dazu auch bereits BSG Beschluss vom 6.4.2022 - B 6 KA 16/21 B - juris RdNr 21; zu dem gleichzeitig für bestimmte, zum 1.1.2021 wieder gestrichene humangenetische Leistungen eingeführten Genehmigungsvorbehalt vgl BSG Beschluss vom 27.1.2021 - B 6 A 1/19 R - SozR 4-2500 § 87 Nr 39). Im Rahmen dieser weitreichenden Änderungen wurden auch die bisherigen - hier streitigen - GOP 11310 bis 11312 gestrichen.

Soweit der Kläger geltend macht, dass die Auslegung der in GOP 11312 EBM-Ä aF enthaltenen Wendung "Darstellung der Strukturen einzelner Chromosomen" auch nach der Aufhebung dieser Regelung "in vielfacher Hinsicht von allgemeiner Relevanz" sei, wird eine fortbestehende grundsätzliche Bedeutung nicht in der erforderlichen Weise dargelegt. Auch soweit der Kläger geltend macht, dass sich die formulierten Rechtsfragen in weiteren, ihn selbst betreffenden Verfahren stellen, folgt hieraus keine fortwirkende allgemeine Bedeutung der Rechtssache.

c) Soweit der Kläger geltend macht, dass "unter Berücksichtigung der vorliegenden Besonderheiten des Falles ausnahmsweise die Berücksichtigung der Ausführungen der Sachverständigen erforderlich und geboten" gewesen wäre, liegt eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ebenfalls nicht vor. Das folgt bereits daraus, dass es dem Kläger ausdrücklich um die Besonderheiten seines Einzelfalls geht. Klärungsfähigkeit ist nach stRspr (vgl zB BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 50/07 B - BeckRS 2008, 58197 RdNr 6; BSG Beschluss vom 13.2.2019 - B 6 KA 17/18 B - juris RdNr 7) nicht gegeben, wenn die Rechtsfrage aufgrund besonderer Gestaltung des Rechtsstreits einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung nicht zugänglich ist und es ihr damit an Breitenwirkung fehlt.

Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass es sich bei der Auslegung der Leistungslegende einer GOP des EBM-Ä um eine Rechtsfrage und nicht um eine medizinische Frage handelt (BSG Beschluss vom 12.12.2012 - B 6 KA 31/12 B - juris RdNr 4). Die Frage, welche GOP ein Vertragsarzt erbringen und abrechnen darf, ist durch Auslegung des EBM-Ä zu ermitteln und als Rechtsfrage grundsätzlich keiner weiteren Sachaufklärung zugänglich (vgl BSG Urteil vom 20.10.2004 - B 6 KA 41/03 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 15 = juris RdNr 31; BSG Beschluss vom 29.11.2007 - B 6 KA 52/07 B - juris RdNr 7; BSG Urteil vom 16.5.2018 - B 6 KA 16/17 R - SozR 4-5531 Nr 33076 Nr 1 RdNr 15).

Soweit der Kläger rügt, dass das LSG das vom SG eingeholte Gutachten "nicht aufgegriffen" und die streitgegenständlichen GOP stattdessen eigenständig interpretiert habe, macht er im Übrigen eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Entscheidung des Gerichts nach freier aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnener Überzeugung) geltend. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kann damit ein Verfahrensmangel jedoch nicht begründet werden und ein Beschwerdeführer kann diese gesetzliche Beschränkung der Verfahrensrüge nicht dadurch erfolgreich umgehen, dass er die Rüge in eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung kleidet (vgl BSG Beschluss vom 25.10.2017 - B 1 KR 18/17 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 28.2.2018 - B 1 KR 65/17 B - juris RdNr 5, jeweils mwN).

2. Soweit der Kläger Rechtsprechungsabweichungen geltend macht, ist die Beschwerde bereits unzulässig.

Zur Darlegung einer Rechtsprechungsabweichung gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 2 SGG müssen abstrakte Rechtssätze des Urteils des LSG und eines Urteils des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG bezeichnet und einander gegenübergestellt werden. Ferner ist darzulegen, dass sie nicht miteinander vereinbar sind und dass das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 27.6.2012 - B 6 KA 78/11 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 26.5.2021 - B 6 KA 26/20 B - juris RdNr 7, jeweils mwN). Eine Divergenz im Sinne der genannten Vorschrift liegt nicht schon vor, wenn das LSG einen Rechtssatz aus einer höchstrichterlichen Entscheidung nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn es diesem Rechtssatz widersprochen, also einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung einer Revision wegen Divergenz (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 29.11.2017 - B 6 KA 43/17 B - juris RdNr 13 mwN).

Die genannten Darlegungsanforderungen werden nicht erfüllt. Es fehlt bereits an der erforderlichen Bezeichnung und Gegenüberstellung abstrakter nicht miteinander vereinbarer Rechtssätze. Der Kläger macht lediglich die Unrichtigkeit der Entscheidung des LSG im vorliegenden Einzelfall und keine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen geltend.

3. Der geltend gemachte Verfahrensmangel des Fehlens von Entscheidungsgründen im Urteil des LSG liegt nicht vor. Der Kläger macht geltend, dass das LSG das rechtliche Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) verletzt habe, indem es die Klage in vollem Umfang abgewiesen habe, ohne sich in der nach § 136 Abs 1 Nr 6 SGG gebotenen Weise mit einem - die insoweit abweichende Entscheidung des SG tragenden - Grund auseinandergesetzt zu haben: Das SG sei zutreffend davon ausgegangen, dass eine dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht mehr entsprechende Leistung dem Arzt nur im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung entgegengehalten werden könne, nicht hingegen im Rahmen einer sachlich-rechnerischen Berichtigung.

Richtig ist, dass das SG die Ansicht vertreten hat, dass der Einwand, mit der Einführung der GOP 11500 EBM-Ä aF (Geistige Entwicklungsstörung ungeklärter Ätiologie - Analyse auf Mikrodeletion und Mikroduplikation, Obligater Leistungsinhalt: Untersuchung auf Mikrodeletionen und Mikroduplikationen mittels Mikroarray-Analyse) entspreche die Abrechnung des Subtelomerscreenings nach GOP 11312 EBM-Ä aF nicht mehr dem Stand von Wissenschaft und Technik und sei auch nicht mehr wirtschaftlich, nicht Gegenstand einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung, sondern nur einer Wirtschaftlichkeitsprüfung sein könne. Allerdings hat das LSG keinen Anlass gesehen, sich mit diesem Einwand im Einzelnen zu befassen, weil es die Abrechnung der GOP 11312 EBM-Ä aF mit einer etwas anderen Begründung als unrichtig angesehen hat: Es hat die Abrechnung des Subtelomerscreenings nach der GOP 11312 EBM-Ä aF mit der Einführung der GOP 11500 EBM-Ä aF (Array-CGH) unter systematischen Gesichtspunkten als ausgeschlossen angesehen, wenn die erforderliche Diagnostik mit einer Mikroarray-Analyse durchgeführt und dann nach GOP 11500 EBM-Ä aF abgerechnet werden kann. Die Vertragspartner des EBM-Ä hätten in der Leistungslegende zur GOP 11500 EBM-Ä aF Kriterien aufgestellt bei deren Vorliegen die Mikroarray-Analyse zur Anwendung kommen dürfe. Diese Kriterien dürften nicht dadurch unterlaufen werden, dass anstelle einer Mikroarray-Analyse ein Subtelomerscreening durchgeführt und nach GOP 11312 EBM-Ä aF abgerechnet werde. Unwirtschaftlichkeit hat das LSG dem Kläger also nicht entgegengehalten. Das Urteil des LSG enthält damit in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben (§ 136 Abs 1 Nr 6, § 128 Abs 1 Satz 2 SGG) die Gründe, die für die Entscheidung leitend gewesen sind. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt damit ebenfalls nicht vor.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da sie keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO).

5. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3 Satz 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Sie entspricht dem Betrag der sachlich-rechnerischen Richtigstellung.

Oppermann

Loose

Rademacker

 

Fundstellen

Dokument-Index HI16186700

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