Verfahrensgang
Hessisches LSG (Urteil vom 06.09.1996) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. September 1996 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt die Aufhebung von Verwaltungsakten (Bescheide vom 24. Juni 1985 und 9. August 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 1985), aufgrund derer sie nach § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) an ihren ehemaligen Arbeitnehmer A. … Ö. … im Zeitraum vom 12. November 1984 bis zum 10. Juni 1985 gezahltes Arbeitslosengeld einschließlich der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung in Höhe von insgesamt 18.804,96 DM erstattet hat.
Das Sozialgericht hat der Klage stattgegeben; das Landessozialgericht (LSG) hat – abgesehen von einem Betrag von 101,94 DM – die Klage abgewiesen, da die angefochtenen Bescheide zu Recht ergangen seien: Die Klägerin habe den Nachweis nicht geführt, daß die Voraussetzungen eines der im Rahmen des § 128 AFG (idF des Vorruhestands-Anpassungsgesetzes vom 13. April 1984, BGBl I 610) geltenden Befreiungstatbestandes vorgelegen haben. Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin als Zulassungsgründe eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und eine Abweichung der Entscheidung des LSG von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 23. Januar 1990 – 1 BvL 48/87 – E 81, 156).
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde ist unzulässig. Denn die Klägerin hat in der Beschwerdebegründung weder den Zulassungsgrund der Abweichung (§ 160 Abs 2 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) noch den der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hinreichend bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Grundsätzliche Bedeutung hat nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die – über den Einzelfall hinaus – aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung muß der Beschwerdeführer daher anhand des anwendbaren Rechts unter Berücksichtigung und in Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Rechtsfrage sich stellt, daß diese Rechtsfrage noch nicht geklärt ist, und deshalb eine Klärung dieser Rechtsfrage aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten läßt (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 65 mwN).
An diesen Voraussetzungen mangelt es in mehrfacher Weise. Die Klägerin hat zwar eine Reihe von aus ihrer Sicht klärungsbedürftigen Rechtsfragen aufgeworfen. Sie hat jedoch nicht hinreichend dargetan, daß diese Rechtsfragen (noch) klärungsbedürftig sind. Dieser Pflicht wird auch durch die – allenfalls sinngemäß ihrem Vorbringen zu entnehmende – pauschale Behauptung nicht genügt, die aufgeworfenen Fragen seien höchstrichterlich noch nicht geklärt. Zur Klärungsbedürftigkeit hätte die Klägerin unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG vortragen müssen, daß das BSG zu der bezeichneten Rechtsfrage entweder noch keine Entscheidung gefällt oder durch schon vorliegende Urteile die aufgeworfenen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung abstrakt noch nicht abschließend beantwortet hat (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 65; BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 6).
Darüber hinaus läßt die Beschwerdebegründung auch Ausführungen dazu vermissen, inwieweit die aufgeworfenen Rechtsfragen – über den Einzelfall hinaus – noch klärungsbedürftig sind, obwohl der Rechtsstreit nur auslaufendes Recht betrifft. § 128 AFG idF des Vorruhestands-Anpassungsgesetzes vom 13. April 1984 (BGBl I 1306) ist durch das Änderungsgesetz vom 21. Juni 1991 (BGBl I 1306) mit Wirkung ab 1. Juli 1991 aufgehoben worden. Lediglich für die Übergangsregelung des § 239 AFG und die dort geregelten Fallgestaltungen hat § 128 AFG (aF) noch Bedeutung. Die Klägerin hätte daher in der Beschwerdebegründung im einzelnen darlegen müssen, daß und weshalb § 128 aF iVm § 239 AFG über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 19; BVerwG Buchholz 310 § 132 VwGO Nr 174; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNrn 141, 143 f mwN). Die Klägerin hat nicht – auch nicht ansatzweise – dargelegt, daß die angestrebte Entscheidung über den Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Letzteres kann nicht schon dann angenommen werden, wenn der Ausgang des Rechtsstreits auch für andere Personen von Interesse sein könnte (vgl Kummer aaO RdNr 126 mwN).
Auch die behauptete Abweichung von der Entscheidung des BVerfG ist nicht dargetan. Abweichung bedeutet Widerspruch im abstrakten Rechtssatz. Sie kommt nur in Betracht, wenn das LSG einen tragenden Rechtssatz in Abweichung von einem Rechtssatz aufgestellt hat, den das BSG bzw BVerfG entwickelt und angewendet hat. Weiter verlangt der Zulassungsgrund der Abweichung, daß das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 21, 29, 54). Schon ersteres hat die Klägerin nicht dargelegt. Sie hat zwar geltend gemacht, die Entscheidung des BVerfG enthalte den abstrakten Rechtssatz, daß Befreiungstatbestände des § 128 AFG aF weit auszulegen seien; dazu stehe die stark einengende Auslegung der Befreiungstatbestände (§ 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG aF) und des Minderungstatbestandes (§ 128 Abs 3 AFG aF) durch das LSG im Widerspruch. Dieses Vorbringen genügt jedoch nicht für das Aufzeigen einer Divergenz, denn es ist nicht herausgearbeitet, welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz im Widerspruch zu dem (angeblich) in dem angezogenen Urteil des BVerfG enthaltenen Rechtssatz steht. Daß das LSG – wie die Klägerin offenbar meint – einen vom BVerfG entwickelten Rechtsgrundsatz auf den zu entscheidenden Einzelfall angeblich nicht bzw unrichtig angewandt hat, bedeutet noch keine Abweichung iS der Zulassungsvorschriften (vgl Kummer aaO RdNr 156 f mwN).
Die Beschwerde muß deshalb in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig verworfen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen