Verfahrensgang
SG Mannheim (Entscheidung vom 22.12.2021; Aktenzeichen S 3 SO 2563/21) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 17.03.2022; Aktenzeichen L 7 SO 42/22) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. März 2022 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Im Streit steht die Frage nach Mitwirkungspflichten nach dem Ende eines Bewilligungszeitraums für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
Der Kläger bezieht seit Jahren Grundsicherungsleistungen von der Beklagten (zuletzt von Dezember 2020 bis November 2021, Bescheid vom 29.12.2020; Änderungsbescheide vom 24.8.2021 und 21.9.2021). Auf die Aufforderung der Beklagten, aktuelle Kontoauszüge vorzulegen und auf einem Vordruck Angaben zu seiner fortbestehenden Bedürftigkeit zu machen, erhob der Kläger Klage und brachte vor, verdachtsloses Ausforschen sei unzulässig. Die Klage hat keinen Erfolg gehabt (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ≪SG≫ Mannheim vom 22.12.2021; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Baden-Württemberg vom 17.3.2022). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, die Feststellungsklage sei zulässig, insbesondere liege ein Feststellungsinteresse vor. Die Klage sei jedoch unbegründet, da der Kläger aufgrund seiner Mitwirkungsobliegenheiten gehalten gewesen sei, die Kontoauszüge vorzulegen. Eine Verletzung der Mitwirkungsgrenzen hinsichtlich der Zumutbarkeit und der Verhältnismäßigkeit sei vorliegend ebensowenig ersichtlich, wie ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen.
Nach Einreichung der angeforderten Kontoauszüge hat die Beklagte dem Kläger Grundsicherungsleistungen von Dezember 2021 bis November 2022 bewilligt (Bescheid vom 6.12.2021).
Der Kläger hat beim Bundessozialgericht (BSG) beantragt, ihm für die Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen. Er hat an seinem Feststellungsbegehren festgehalten und außerdem vorgebracht, die Grundsicherungsleistungen seien insgesamt zu niedrig bemessen, insbesondere wegen der in jüngerer Zeit stark gestiegenen Inflation.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ iVm § 114 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist nicht der Fall.
Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es stellen sich im vorliegenden Verfahren weder Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung dazu, in welchen Fällen eine Feststellungsklage zur Klärung von Mitwirkungspflichten überhaupt zulässig sein kann (vgl BSG vom 28.3.2013 - B 4 AS 42/12 R - BSGE 113, 177 = SozR 4-1200 § 60 Nr 3, RdNr 12), noch Fragen im Zusammenhang mit Mitwirkungsobliegenheiten nach §§ 60 ff Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) selbst. Insbesondere zum Begriff der mitzuteilenden "Tatsachen" im Existenzsicherungsrecht (vgl BSG vom 28.3.2013 - B 4 AS 42/12 R - BSGE 113, 177 = SozR 4-1200 § 60 Nr 3, RdNr 15 ff; zur Vorlage von Kontoauszügen BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 45/07 R - BSGE 101, 260 = SozR 4-1200 § 60 Nr 2, RdNr 15) und der Bedeutung der in diesem Zusammenhang in § 60 Abs 2 SGB I ausdrücklich vorgesehenen Nutzung von Vorducken (vgl dazu BSG vom 22.6.1989 - 4 RA 44/88 - BSGE 65, 160 = SozR 1200 § 44 Nr 24, juris RdNr 18 ff) und schließlich zu der Frage, welche Grenzen der Mitwirkungspflicht nach § 65 Abs 1 SGB I (auch für Folgezeiträume nach vorangegangener Bewilligung) bestehen (vgl BSG vom 28.3.2013 - B 4 AS 42/12 R - BSGE 113, 177 = SozR 4-1200 § 60 Nr 3, RdNr 20 ff; BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 45/07 R - BSGE 101, 260 = SozR 4-1200 § 60 Nr 2, RdNr 16) liegt gefestigte Rechtsprechung des BSG vor. Nach dem Vorstehenden ist auch nicht erkennbar, dass eine Divergenzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte.
Nach Aktenlage liegt auch kein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG) vor. Der Bewilligungsbescheid vom 6.12.2021 ist nicht Gegenstand der ursprünglichen Feststellungsklage geworden (§ 96 SGG), da das Begehren des Klägers und damit der Streitgegenstand auf eine Feststellung ausgerichtet und kein Verwaltungsakt angefochten gewesen ist, der durch den Bescheid vom 6.12.2021 hätte ersetzt werden können. Auch eine sachdienliche Klageänderung hat aufgrund des vom Kläger später geltend gemachten geänderten Klagegrundes (Klärung der Höhe der Regelleistung) nicht vorgelegen (§ 99 Abs 1 SGG).
Soweit sich der Kläger gegen die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung wendet, kann dies nicht Gegenstand einer erfolgreichen Nichtzulassungsbeschwerde sein (BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7).
Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Bieresborn Scholz Luik
Fundstellen
Dokument-Index HI15285398 |