Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Beschluss vom 18.04.2017; Aktenzeichen L 19 R 710/15) |
SG Würzburg (Entscheidung vom 03.08.2016; Aktenzeichen S 3 R 324/15) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 18. April 2017 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Mit Beschluss vom 18.4.2017 hat das Bayerische LSG einen Anspruch des Klägers auf Leistung einer höheren Altersrente verneint und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Würzburg vom 3.8.2016 zurückgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht als Zulassungsgründe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Verfahrensmängel geltend (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG).
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Der Kläger formuliert bereits keine Rechtsfrage, der er grundsätzliche Bedeutung beimisst. Seinem Beschwerdevorbringen ist zu entnehmen, dass er sich gegen die Höhe des Abschlags seiner nach Vollendung des 62. Lebensjahres gewährten Altersrente für langjährig Versicherte wendet. Der Kläger verweist darauf, er habe mit Vollendung des 63. Lebensjahres die Voraussetzungen einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte erfüllt, so dass ein Abschlag nur für 12 Monate einer vorzeitigen Inanspruchnahme zu berechnen gewesen wäre. Es liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vor. Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers selbst eine Rechtsfrage zu formulieren, der möglicherweise grundsätzliche Bedeutung zukommen könnte (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48).
Auch die weiteren Voraussetzungen an eine den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG genügenden Beschwerdebegründung zur Darlegung einer Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung erfüllt der Kläger nicht. Es fehlt an hinreichenden Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit einer Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat. Soweit die Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus einer Verletzung von Normen des GG ableitet, muss sie die angebliche Verfassungswidrigkeit näher substantiieren, indem sie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG darlegt, aus welchen Gründen die beanstandete Norm verfassungswidrig sein soll. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich das BSG bereits mit der Verfassungsmäßigkeit der gerügten oder einer vergleichbaren Norm auseinandergesetzt hat (vgl BSG Beschluss vom 5.8.2003 - B 12 RA 5/03 B - Juris mit Hinweis auf BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 23 und BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 45).
Zur verfassungsrechtlichen Beurteilung von Abschlagsregelungen bei vorzeitigem Altersrentenbezug existiert bereits eine weitreichende Rechtsprechung des BVerfG und des BSG (vgl BVerfG Beschluss vom 11.11.2008 - 1 BvL 3/05 ua = BVerfGE 122, 151 = SozR 4-2600 § 237 Nr 16; BVerfG Beschluss vom 5.2.2009 - 1 BvR 1631/04 = BVerfGK 15, 59; BSG SozR 4-2600 § 236 Nr 1). Die Beschwerdebegründung nimmt darauf nicht ansatzweise Bezug. Der Kläger beschränkt sich vielmehr auf den als hinreichende Begründung nicht ausreichenden Vortrag, es seien auch "keine vergleichbaren Regelungen höchstrichterlicher Entscheidungen" ergangen und auch das BVerfG habe "über diese Rechtsfrage insoweit noch nicht entschieden."
2. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
a) Der vor dem LSG anwaltlich vertretene Kläger bezeichnet schon nicht hinreichend einen solchen Beweisantrag. Die Beschwerdebegründung benennt weder einen Schriftsatz, in dem ein Beweisantrag mit dem Ziel einer weiteren Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 103 S 1 SGG) formuliert worden ist, noch gibt sie den Inhalt eines solchen vermeintlich gestellten Beweisantrags des Klägers wieder. Allein das Vorbringen, er erhebe "höchst vorsorglich" die Aufklärungsrüge, genügt dafür nicht.
b) Auch mit der Rüge einer Verletzung der Vorlagepflicht an das BVerfG nach Art 100 Abs 1 S 1 GG bezeichnet der Kläger nicht hinreichend einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Allein der Hinweis, er habe "bereits von Anfang an gerügt", dass der Gleichheitsgrundsatz verletzt sei, genügt nicht den Begründungsanforderungen. Eine Vorlagepflicht besteht nur, wenn das Gericht von der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, überzeugt ist. Dies ist dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen.
c) Der Kläger rügt zudem eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs iS von § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG und führt dazu aus, das LSG habe durch Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG entschieden, obwohl er zuvor schriftlich ausdrücklich mitgeteilt habe, dass er eine mündliche Verhandlung durchführen lassen möchte. Eine Gehörsverletzung liegt ua vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33 mwN) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19). Dementsprechend sind insbesondere Überraschungsentscheidungen verboten (vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 62 RdNr 8a, 8b mwN). Die Beschwerdebegründung enthält dazu keinen Vortrag. Ausführungen dazu, inwieweit die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem geltend gemachten Mangel beruhen kann, fehlen ebenso wie zur weiteren Voraussetzung für den Erfolg einer Gehörsrüge, dass der Beschwerdeführer darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35; vgl auch BSGE 68, 205, 210 = SozR 3-2200 § 667 Nr 1 S 6). Der Kläger behauptet zudem nicht wenigstens, dass er um sein Recht auf rechtliches Gehör gerade in einer mündlichen Verhandlung und auf den gesetzlichen Richter (vgl BSG vom 31.3.2017 - B 12 KR 28/16 B - Juris) deshalb gebracht worden sein könnte, weil die Voraussetzungen des § 153 Abs 4 SGG nicht vorlagen.
d) Soweit der Kläger die inhaltliche Richtigkeit des Berufungsbeschlusses angreift, lässt sich hierauf nach dem eindeutigen Wortlaut des § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht stützen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11261067 |