Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung. Klärungsfähigkeit und Entscheidungserheblichkeit. Arbeitslosengeldanspruch. Erfüllung der Anwartschaftszeit. Nichtberücksichtigung von Zeiten des Bezugs von dänischem Krankengeld. Bindungswirkung der PD-U1-Bescheinigung

 

Orientierungssatz

Zur nicht ausreichenden Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung und Klärungsfähigkeit bzw Entscheidungserheblichkeit der Rechtfrage, ob Zeiten des dänischen Krankengeldbezugs als Versicherungszeit iS von § 26 Abs 2 Nr 1 SGB 3 gelten, wenn die Zahlung des dänischen Krankengeldes nicht als Beitragszeit in der Bescheinigung PD U1 mitgeteilt wurde.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3; SGB III § 26 Abs. 2 Nr. 1, § 142 Abs. 1 S. 1; EGV 883/2004

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 17.02.2023; Aktenzeichen L 3 AL 2/20)

SG Schleswig (Gerichtsbescheid vom 17.01.2020; Aktenzeichen S 3 AL 75/18)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 17. Februar 2023 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin den von ihr allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht in der gebotenen Weise dargelegt hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG, § 169 SGG).

Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin, die in der Sache Arbeitslosengeld begehrt, das von der Beklagten abgelehnt wurde, weil die Klägerin die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe, formuliert folgende Rechtsfrage:

"Stellt die Zahlung des Krankengeldes nach dem dänischen Gesetz über die Zahlung von Krankengeld in Dänemark ('lov om sygedagpenge') eine Zeit der Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB Ill dar und dient sie damit der Erfüllung der Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 142 Abs. 1 Satz 1 SGB III?"

Es kann dahinstehen, ob diese Frage klärungsbedürftig ist. Jedenfalls vermag der Senat anhand der Beschwerdebegründung nicht zu beurteilen, ob sie klärungsfähig bzw entscheidungserheblich ist. Nach den Darlegungen der Klägerin hat das LSG seine Entscheidung tragend darauf gestützt, dass die Zahlung des dänischen Krankengeldes nicht als Beitragszeit in der Bescheinigung PD U1 als Beitragszeit mitgeteilt wurde. Vor diesem Hintergrund wäre - auch unter Berücksichtigung der Senatsrechtsprechung (vgl Senatsurteil vom 23.10.2018 - B 11 AL 20/17 R - SozR 4-6065 Art 61 Nr 1 RdNr 26, mwN auch zur Rechtsprechung des EuGH; Senatsurteil vom 26.2.2019 - B 11 AL 15/18 R - SozR 4-4300 § 26 Nr 9 RdNr 18) - eine Auseinandersetzung mit der Bindungswirkung dieser Bescheinigung gegenüber der Beklagten und den Gerichten erforderlich gewesen. Das EU-Recht sieht bei Bedenken gegenüber der Richtigkeit solcher Bescheinigungen nämlich ein besonderes Verfahren des Dialogs und der Vermittlung vor; dieses Verfahren ist von dem Träger des Mitgliedstaats einzuhalten, der Zweifel an der Gültigkeit dieser Dokumente oder der Richtigkeit des Sachverhalts hat, der den darin enthaltenen Angaben zugrunde liegt (vgl Senatsurteil vom 23.10.2018 - B 11 AL 20/17 R - SozR 4-6065 Art 61 Nr 1 RdNr 26). Letztlich wäre die aufgeworfene Rechtsfrage erst dann klärungsfähig und entscheidungserheblich, wenn die Bindungswirkung der Bescheinigung auf den vorgesehenen Wegen überwunden werden könnte, was die Beschwerde nicht problematisiert. Allein der Hinweis auf Ausführungen in der Klagebegründung, wonach die Bindungswirkung mit dem Grundgedanken der EGV 883/2004 nicht zu vereinbaren sei, reicht zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit nicht aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Söhngen

Burkiczak

B. Schmidt

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15999638

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