Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 17. Oktober 2017 wird als unzulässig verworfen.
Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Beschwerdeverfahren.
Gründe
I
Das SG hat die Beklagte antragsgemäß unter Aufhebung entgegenstehender Bescheide verurteilt, die Klägerin von den angefallenen Kosten in Höhe von 242,10 Euro für selbstbeschaffte Leistungen ärztlich verordneter häuslicher Krankenpflege (HKP) freizustellen. Das LSG hat die dagegen gerichtete (zugelassene) Berufung der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Das Stützkorsett, dessen Anschaffungskosten die Beklagte übernommen habe, sei der Klägerin wegen verschiedener Erkrankungen ärztlich verordnet worden, um deren Verschlimmerung zu verhüten und die Krankheitsbeschwerden lindern. Das An- und Ablegen des Stützkorsetts sei eine notwendige krankheitsspezifische verrichtungsbezogene Pflegemaßnahme, die im Rahmen der Behandlungssicherungspflege von der Beklagten zu leisten sei. Es sei untrennbarer Bestandteil der Körperpflege beim Waschen/Duschen/Baden und der Mobilität beim An- und Auskleiden und falle unter die im Leistungsverzeichnis der HKP-Richtlinie (HKP-RL) zu Nr 31 genannten Leistungen der Behandlungspflege. Denn es handele sich bei dem Stützkorsett um eine stützende und stabilisierende Korsage, die der Funktionssicherung der Wirbelsäule diene. Die Klägerin sei allein nicht zum fachgerechten An- oder Ablegen des Stützkorsetts in der Lage. Eine Hilfestellung durch Haushalts- oder Familienangehörige komme nicht in Betracht, da sie allein in einer Wohnung lebe (Urteil des LSG vom 17.10.2017).
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Beklagte gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil und beruft sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG.
II
Die Beschwerde der Beklagten ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG). Die Beklagte hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG den von ihr geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nicht formgerecht dargetan.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit und Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Beklagte hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:
1. "Unterfällt das An- und Ablegen eines Stützkorsetts, das nach Nr. 4 der Anlage zur Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V ausdrücklich dem Bereich der Körperpflege (An- und/oder Auskleiden) und damit Grundpflege zugeordnet ist, grundsätzlich - ohne vorzunehmende Einzelfallprüfung - dem Begriff der verrichtungsbezogenen krankheitsspezifischen Pflegemaßnahme, die im Rahmen der Behandlungssicherungspflege von den Krankenkassen zu leisten ist?"
2. "Sind die in den Nummern 1 bis 4 der Anlage zur Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V genannten Leistungen der Grundpflege ausschließlich bei Vorliegen krankheitsspezifischer Besonderheiten der Behandlungspflege zuzuordnen oder ist zusätzliches Erfordernis eine Einordnung als Leistung der Behandlungspflege unter die laufenden Nummern 6 bis 31 des Leistungsverzeichnisses?"
Die Beklagte legt zu keiner der beiden Fragen die Klärungsbedürftigkeit hinreichend dar. Eine Rechtsfrage ist in der Regel geklärt, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist oder wenn schon höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte dafür geben, wie die konkret aufgeworfene Frage zu beantworten ist (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8; BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2; BSG SozR 4-2600 § 105 Nr 1; BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 19 RdNr 9 ff). Deshalb muss die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung enthalten, in der dargelegt wird, dass aus diesen Entscheidungen keine ausreichenden Anhaltspunkte zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen zu entnehmen sind (vgl hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig ua, SGG, 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 14c bis 14g mwN).
Die Beklagte führt zwar in der Beschwerdebegründung das Urteil des BSG vom 16.7.2014 (SozR 4-2500 § 37 Nr 12) zum An- und Ablegen eines Gilchristverbandes an, setzt sich aber mit einem über diese Rechtsprechung hinausgehenden Bedarf zur Klärung der von ihr aufgeworfenen Rechtsfragen im neu angestrebten Revisionsverfahrens nicht hinreichend auseinander.
1. Bezogen auf die Frage 1 begründet die Beklagte einen über diese Entscheidung hinausgehenden Klärungsbedarf damit, dass das BSG mit dem An- und Ablegen eines Gilchristverbandes eine Leistung unter den Begriff der verrichtungsbezogenen krankheitsspezifischen Pflegemaßnahme zu subsumieren gehabt habe, die sich nicht in den Nummern 1 bis 4 des Leistungsverzeichnisses wiederfinde. Demgegenüber habe das BSG keine Ausführungen dazu getroffen, ob das als Leistung der Grundpflege in Nr 4 des Leistungsverzeichnisses benannte An- und Ablegen eines Stützkorsetts tatsächlich der Leistung der Behandlungspflege zuzuordnen sei, da die Verordnung eines Stützkorsetts - im Regelfall - eine krankheitsspezifische Diagnosestellung voraussetze. Deshalb sei die Rechtsfrage nicht geklärt, ob das An- und Ablegen eines Stützkorsetts, das zur Stabilisierung, ggf auch zur Ruhigstellung der Wirbelsäule eingesetzt werde, als Leistung der seitens der Krankenkasse zu übernehmenden Behandlungspflege zu qualifizieren sei.
Diese Ausführungen reichen angesichts der ausführlichen Entscheidungsgründe im Urteil des BSG zum Gilchristverband (SozR 4-2500 § 37 Nr 12) zur Darlegung eines darüber hinausgehenden Klärungsbedarfs nicht aus. Denn das BSG hat in der genannten Entscheidung die Doppelzuständigkeit von Kranken- und Pflegekassen für alle verrichtungsbezogenen Maßnahmen der Behandlungssicherungspflege betont (BSG, aaO, RdNr 20) und klargestellt, dass Maßnahmen, die in der HKP-RL unter der Grundpflege aufgeführt sind, deshalb nicht als Maßnahme der Behandlungspflege von vornherein ausscheiden (BSG, aaO, RdNr 25). Denn eine solche Auslegung der HKP-RL würde gegen die ausdrückliche gesetzliche Bestimmung des § 37 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB V (idF vom 14.6.2007, die bis 7.12.2015 gültig war) verstoßen, nach der auch verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen vom Anspruch auf Behandlungssicherungspflege umfasst sind. Für die Verordnungsfähigkeit von Maßnahmen der Behandlungssicherungspflege sind die die Grundpflege betreffenden Ausführungen im Leistungsverzeichnis der HKP-RL unerheblich (BSG, aaO, RdNr 25). Zudem stellen die HKP-RL keinen abschließenden Leistungskatalog über die zu erbringenden Leistungen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege dar. Denn der Gemeinsame Bundesausschuss hat keine Ermächtigung zur Ausgrenzung notwendiger Leistungen aus dem Versorgungsauftrag der Krankenkassen (BSG, aaO, RdNr 27).
Es hätte insbesondere einer Auseinandersetzung mit dem in der genannten Entscheidung ausdrücklich enthaltenen Hinweis bedurft, dass die die Grundpflege betreffenden Ausführungen im Leistungsverzeichnis der HKP-RL für die Verordnungsfähigkeit von Maßnahmen der Behandlungssicherungspflege unerheblich sind. Denn vor diesem Hintergrund wird ein Klärungsbedarf der aufgeworfenen Rechtsfrage zu 1 und den dazu gegebenen Erläuterungen nicht deutlich. Das LSG hat den in dieser Entscheidung des BSG nochmals begründeten Begriff der krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen, zu deren Leistung die gesetzliche Krankenversicherung verpflichtet ist, aufgegriffen. Auch damit fehlt eine hinreichende Auseinandersetzung; insbesondere wird nicht dargelegt, aus welchen rechtlichen Gründen das An- und Ablegen eines ärztlich verordneten Stützkorsetts diesem Begriff nicht unterfallen könnte.
2. Bezogen auf die Frage 2 stützt die Beklagte die Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit darauf, dass nicht geklärt sei, ob dann, wenn eine Leistung ausdrücklich einer der Nummern 1 bis 4 des Leistungsverzeichnisses der HKP-RL zugeordnet worden sei, diese Leistung als behandlungspflegerische Leistung zu qualifizieren sei, wenn eine Subsumtion unter den Begriff der verrichtungsbezogenen krankheitsspezifischen Pflegemaßnahme erfolgen könne und eine Zuordnung unter einer der Nummern 6 bis 31 des Leistungsverzeichnisses der HKP-RL.
Auch diesbezüglich fehlt es insbesondere an einer Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG, nach der die die Grundpflege betreffenden Ausführungen im Leistungsverzeichnis der HKP-RL für die Verordnungsfähigkeit von Maßnahmen der Behandlungssicherungspflege unerheblich sind (BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 12 RdNr 25). Vor diesem Hintergrund wird ein weiterer Klärungsbedarf nicht dargelegt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11650454 |