Verfahrensgang
Thüringer LSG (Urteil vom 28.09.2017; Aktenzeichen L 5 SB 758/16) |
SG Gotha (Entscheidung vom 09.05.2016; Aktenzeichen S 4 SB 704/13) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 28. September 2017 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
In der Hauptsache wendet sich die Klägerin gegen die Absenkung des bei ihr festgestellten Grades der Behinderung (GdB) von 80 (Entfernung beider Eierstöcke und Gebärmutter - im Stadium der Heilungsbewährung - <Einzel-GdB 80>, Darmteilresektion <Einzel-GdB 10>, Bluthochdruckleiden <Einzel-GdB 10>) auf einen GdB von 30 nach Ablauf der Heilungsbewährung. Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 28.9.2017 (zugestellt am 6.11.2017) hat das LSG einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung eines GdB von über 30 verneint, weil nach Ablauf der Heilungsbewährung für die Krebserkrankung eine wesentliche Änderung iS von § 48 Abs 1 S 1 SGB X gegeben sei. Auch unter Berücksichtigung der zusätzlich bestehenden Psoriasis mit einem Einzel-GdB von 10 und einer Funktionseinschränkung der Niere mit einem Einzel-GdB von 20 liege kein höherer Gesamt-GdB als 30 vor. Soweit die Klägerin angeregt habe, den Gesamt-GdB durch eine ärztliche Gesamtschau feststellen zu lassen, sei dies weder zielführend noch erforderlich, denn die Bemessung des GdB sei eine tatrichterliche Aufgabe. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde. Sie hat mit am 6.12.2017 eingegangenem unvollständigen Schreiben per Fax lediglich das Rubrum eingesandt, ohne einen Antrag zu stellen. Mit am 7.12.2017 eingegangenem vollständigen Schriftsatz hat die Klägerin ihre Beschwerdeschrift übersandt und das Vorliegen eines Verfahrensmangels wegen Verletzung von § 103 SGG gerügt. Mit weiterem Schriftsatz vom 11.12.2017 beantragt sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist.
II
1. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und deshalb durch Beschluss ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG). Offenbleiben kann vorliegend, ob die am 7.12.2017 vollständig erhobene Beschwerde bereits unzulässig ist, weil sie nicht innerhalb der Frist von einem Monat nach Zustellung des LSG-Urteils an die Klägerin (6.11.2017) eingelegt wurde (§ 160a Abs 1 S 2 SGG). Ob der Klägerin insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) gewährt werden kann, erscheint zweifelhaft. Sie hat zwar vorgetragen, dass ihren Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumung kein Verschulden trifft, weil dieser innerhalb der Beschwerdefrist am 6.12.2017 die Beschwerde in vorbezeichneter Angelegenheit schriftlich gefertigt und der Mitarbeiterin, einer Assessorin, zur Übermittlung per Fax übergeben habe. Diese habe trotz regelmäßiger Kontrolle übersehen, dass ausweislich des Sendeberichts nicht der vollständige Schriftsatz nebst Urteil als Anlage, sondern lediglich die erste Seite der Beschwerdeschrift und das Urteil an das Gericht übermittelt worden seien. Die Unterlagen seien kanzleiintern sodann für den postalischen Versand am Folgetag in den Postausgang gegeben worden. Der Prozessbevollmächtigte sei am "8.12.2017" fernmündlich darüber informiert worden, dass am 6.12.2017 lediglich die erste Seite der Beschwerdeschrift ohne Unterschrift vorab per Fax beim Gericht eingegangen sei und die Nichtzulassungsbeschwerde somit nicht fristgereicht eingelegt worden sei. Diese Angaben unterliegen jedoch Zweifeln. Zum einen ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin laut Aktenvermerk bereits am 7.12.2017 telefonisch auf die Verfristung der Beschwerde hingewiesen worden. Zum anderen hat die Mitarbeiterin in ihrer Eidesstattlichen Versicherung vom 11.12.2017 ihr Geburtsdatum mit "28.9.2017" angegeben, sodass gleichfalls Zweifel an ihrer stets sorgfältigen Arbeit aufkommen. Ob die Tatsachen zur Begründung des Antrags hinreichend glaubhaft gemacht und damit die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Antragsfrist nach § 67 Abs 2 S 1 SGG nachgeholt worden ist, kann jedoch dahinstehen. Denn selbst wenn Wiedereinsetzung zu gewähren wäre, ist die Nichtzulassungsbeschwerde gleichwohl unzulässig.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
a) Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Fall der Klägerin darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§ 103 SGG), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist.
Die Klägerin hat die behauptete Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) nicht ausreichend bezeichnet. Soweit ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt wird, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1.) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2.) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund deren bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3.) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4.) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5.) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl BSG Beschluss vom 15.12.2016 - B 9 V 64/16 B - Juris RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4, 5). Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Beschwerdebegründung behauptet die Übergehung eines Beweisantrags und rügt somit einen vermeintlichen Aufklärungsmangel (§ 103 SGG). Allerdings fehlt es der Beschwerde bereits an der Darstellung des Sachverhalts sowie des gesamten Verfahrensganges. "Bezeichnet" iS des § 160a Abs 2 S 3 SGG ist ein Verfahrensmangel nur dann, wenn die ihn begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (BSG Beschluss vom 26.10.2015 - B 10 ÜG 13/15 B - Juris; BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Dies wird nur dann erkennbar, wenn zuvor diese Tatsachen im Zusammenhang mit dem Verfahrensgang dargestellt und einer rechtlichen Wertung unterzogen werden. Hieran fehlt es bereits.
Darüber hinaus kann ein in der Berufungsinstanz anwaltlich vertretener Beteiligter - wie die Klägerin - nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Wird ein Rechtsstreit - wie hier - ohne mündliche Verhandlung entschieden, tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt der Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG (BSG Beschluss vom 1.9.1999 - B 9 V 42/99 B - SozR 3-1500 § 124 Nr 3 S 4 f). Lässt ein rechtskundig vertretener Beteiligter diese Gelegenheit zur Anhörung verstreichen, so gilt ein früherer Beweisantrag ebenfalls als erledigt (BSG Beschluss vom 28.5.1997 - 9 BV 194/96 - SozR 3-1500 § 160 Nr 20; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 31). Die bloße Behauptung im Rahmen der Beschwerde, dass der Beweisantrag im gesamten Verfahren aufrechterhalten worden sei, entspricht nicht dem Darlegungserfordernis, dass der Kläger im Rahmen seiner Zustimmung zur Entscheidung durch das LSG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung oder zu einem späteren Zeitpunkt einen konkreten Beweisantrag gestellt und aufrechterhalten hat.
Aber selbst wenn sich die Beschwerde auf einen Beweisantrag bezöge, den das LSG in seinem Urteil wiedergegeben hat oder der nach der Zustimmung zur Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 SGG aufrechterhalten worden ist, hat die Klägerin auch nicht hinreichend dargelegt, dass sich das LSG hätte gedrängt fühlen müssen, einem Beweisantrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nach § 103 SGG nachzugehen. Insoweit hätte es der Darstellung bedurft, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte noch Beweis erhoben werden sollte. Denn Merkmal eines substantiierten Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache (vgl BSG Beschluss vom 15.12.2016 - B 9 V 64/16 B - Juris RdNr 7; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN). Dafür ist die Tatsache möglichst präzise und bestimmt zu behaupten und zumindest hypothetisch zu umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben hätte (BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11). Angesichts dessen bezeichnet das mit der Beschwerde vorgetragene Beweisbegehren zur Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens hinsichtlich der Feststellung des GdB keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag. Es enthält weder eine bestimmte Tatsachenbehauptung noch das hypothetische Beweisergebnis. Noch weniger geht es auf die bereits vorliegenden vom LSG gewürdigten Beweisergebnisse ein und setzt sich insbesondere nicht mit den Feststellungen des LSG auseinander, die zur Bewertung einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse und eines aktuell bestehenden Gesamt-GdB führen. Sofern die Klägerin mit ihrer Beschwerde die Bewertung des Gesamt-GdB bemängelt, rügt sie tatsächlich ein Überschreiten der Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung durch das LSG gemäß § 128 Abs 1 S 1 SGG. Denn die Bemessung des GdB ist eine tatrichterliche Aufgabe. In diesem Zusammenhang wäre es ohnehin erforderlich gewesen, dass sich die Beschwerde mit den Grundsätzen der Bildung des Gesamt-GdB auseinandersetzt (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2013 - B 9 SB 69/12 B - Juris mwN) und darlegt, warum die Annahme eines GdB von über 30 hätte erfolgen müssen.
b) Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11650415 |