Verfahrensgang
SG Berlin (Entscheidung vom 29.03.2021; Aktenzeichen S 106 R 164/20) |
LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 19.07.2023; Aktenzeichen L 9 R 649/21) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. Juli 2023 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt von der Beklagten einen Zuschuss zu seiner privaten Krankenversicherung.
Der 1955 geborene Kläger lebte seit Oktober 1981 zunächst in Taiwan und später in Malaysia. In der Zeit von Oktober 1981 bis September 2007 leistete er durchgehend freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland. Er bezieht seit Oktober 2018 eine Altersrente für langjährig Versicherte. Seit April 2018 ist der Kläger bei der D AG privat krankenversichert. Den Antrag auf Zahlung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, der Kläger habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem ausländischen Staat, mit dem keine über- oder zwischenstaatliche Vereinbarung auf dem Gebiet der Rentenversicherung bestehe(Bescheid vom 23.5.2019; Widerspruchsbescheid vom 19.11.2019) .
Die Klage ist ohne Erfolg geblieben(Gerichtsbescheid vom 29.3.2021) . Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zwar erhielten Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen, das der deutschen Aufsicht unterliege, versichert seien, nach§ 106 Abs 1 SGB VI einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung, es sei denn, sie seien gleichzeitig in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Die Vorschrift sei auf den in Malaysia lebenden Kläger aber nicht anwendbar. Nach§ 110 Abs 2 SGB VI erhielten Berechtigte mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland die Leistungen des SGB VI nur, soweit die folgenden Vorschriften nicht etwas anderes bestimmten. Gemäߧ 111 Abs 2 SGB VI bekämen Berechtigte mit Wohnsitz im Ausland keinen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus§ 110 Abs 3 SGB VI iVm mit vorrangigen Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Malaysia bestehe kein Sozialversicherungsabkommen. Die Regelung des§ 111 Abs 2 SGB VI verletze auch nicht Verfassungsrecht(Urteil vom 19.7.2023) .
Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Beschwerde erhoben. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und rügt einen Verstoß gegenArt 14 Abs 1 Satz 1 GG undArt 3 Abs 1 GG .
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form begründet ist. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung(vgl zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 59 und 65).
Der Kläger formuliert schon keine abstrakte Rechtsfrage zur Auslegung, zur Anwendbarkeit oder zur Vereinbarkeit revisibler (Bundes-)Normen mit höherrangigem Recht, an der das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen könnte(vgl zu dieser Anforderung zBBSG Beschluss vom 2.3.2015 - B 12 KR 60/14 B - juris RdNr 15 ;BSG Beschluss vom 22.4.2020 - B 5 R 266/19 B - juris RdNr 5 , jeweils mwN) . Soweit es ihm um Vereinbarkeit von§ 111 Abs 2 SGB VI mitArt 14 Abs 1 Satz 1 GG undArt 3 Abs 1 GG geht, hat er die (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit einer solchen Rechtsfrage nicht hinreichend dargelegt. Leitet eine Beschwerde einen Revisionszulassungsgrund aus einer Verletzung von Normen des GG ab, muss sie unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den (konkret) gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll(stRspr; vgl zuletztBSG Beschluss vom 4.1.2024 - B 5 R 68/23 B - juris RdNr 7 mwN) . Dies ist nicht geschehen.
Der Kläger zitiert verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zum Schutzbereich vonArt 14 Abs 1 Satz 1 GG und benennt insbesondere die Entscheidung des BVerfG, wonach Zuschüsse zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung als rentenrechtliche Positionen durchArt 14 Abs 1 Satz 1 GG geschützt sind(vglBVerfG Urteil vom 16.7.1985 - 1 BvL 5/80 ua - BVerfGE 69, 272 - juris RdNr 119 f) . Auch das LSG ist - ohne den Geltungsbereich der Eigentumsgarantie im Falle des Klägers in Frage zu stellen - davon ausgegangen, dass ein Grundrechtseingriff vorliegt. Es hat aber§ 111 Abs 2 SGB VI als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung iS vonArt 14 Abs 1 Satz 2 GG erachtet. Ausführungen dazu lassen sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen. Der Kläger befasst sich insbesondere nicht mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Inhalt und Schranken des Eigentums regelmäßig ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt. Dieser verengt sich in dem Maße, in dem Rentenansprüche oder -anwartschaften durch den personalen Bezug des Anteils eigener Leistung des Versicherten geprägt sind. Eingriffe in rentenversicherungsrechtliche Positionen müssen einem Gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig sein(vgl zuletztBSG Urteil vom 18.10.2023 - B 5 R 49/21 R - BSGE (vorgesehen), SozR 4 (vorgesehen), juris RdNr 18 mwN) . Dazu verhält sich die Beschwerdebegründung nicht.
Soweit sich der Kläger in Art 3 Abs 1 GG verletzt sieht, fehlt es ebenfalls an der Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG. Danach bedürfen Ungleichbehandlungen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Hierfür gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab. Dessen Inhalt und Grenzen lassen sich nicht abstrakt, sondern nur mit Rücksicht auf die jeweils betroffenen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen(vgl zuletzt BSG aaO RdNr 41 mwN) . Der Kläger setzt sich mit diesen Maßstäben nicht im Ansatz auseinander. Er belässt es vielmehr bei der wörtlichen Wiedergabe der Prüfung des Gleichheitsgrundsatzes durch das SG und trägt seine eigene Rechtsansicht vor, wonach eine Ungleichbehandlung in seinem Fall nicht mit dem fehlenden Transfer von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung begründet werden könne. Dies genügt den Anforderungen an eine hinreichenden Begründung gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht. Im Entwurf eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 1982 (RAG) wurde zur früheren Regelung in § 1321 Abs 3 RVO ua ausgeführt, es sei nicht Aufgabe der deutschen Rentenversicherung, für Rentner außerhalb des Geltungsbereichs der Rentengesetze Leistungen zur Sicherung gegen das Krankheitsrisiko zu erbringen. Dies obliege in erster Linie den ausländischen Sicherungssystemen(vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 9/458 S 40) . Auch damit befasst sich der Kläger nicht. Schließlich existiert zu den durch das RAG 1982 getroffenen Regelungen bereits Rechtsprechung des BSG, wonach Inländer und Ausländer, die im Ausland wohnen, aufgrund des Gleichheitsgebotes nicht völlig gleichbehandelt werden müssen(BSG Urteil vom 4.2.1988 - 5/5b RJ 12/87 - juris RdNr 12 unter Hinweis aufBSG Urteil vom 9.9.1982 - 5b RJ 40/81 - BSGE 54, 97 = SozR 6805 Art 1 Nr 1). Dazu enthält die Beschwerdebegründung ebenfalls keinerlei Ausführungen.
Mit seinen Ausführungen zur Begründung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs macht der Kläger schließlich eine vermeintlich fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall geltend. Dies vermag die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache indes nicht zu begründen(stRspr; vgl zBBSG Beschluss vom 15.6.2022 - B 5 R 56/22 B - juris RdNr 6 mwN) .
Der schriftsätzlich formulierten Bitte um einen richterlichen Hinweis, sofern ein weiterer Vortrag für erforderlich gehalten werde, war nicht zu entsprechen. Aus § 106 Abs 1 SGG folgt keine Pflicht, einen Beteiligten, der sachkundig durch einen Bevollmächtigten iS des § 73 Abs 4 Satz 1 SGG vertreten ist, auf mögliche Mängel der Beschwerdebegründung hinzuweisen(stRspr; vgl zuletztBSG Beschluss vom 24.1.2024 - B 5 R 147/23 B - juris RdNr 9 mwN) .
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab(vgl§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von§ 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16469009 |