Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 22.08.1991; Aktenzeichen L 8 Ar 476/90)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 22. August 1991 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger hatte ab 1. November 1986 Arbeitslosengeld und im Anschluß daran Arbeitslosenhilfe (Alhi) bezogen. Vom 1. Juni bis 20. Dezember 1989 war er als Bauschlosser beitragspflichtig beschäftigt. Auf seinen Antrag vom 22. Dezember 1989 wurde ihm wiederum Alhi bewilligt. Die Beklagte legte bei der Berechnung das Arbeitsentgelt zugrunde, nach dem sich zuletzt die Alhi gerichtet hatte (660,00 DM), dh sie berücksichtigte nicht das (höhere) Arbeitsentgelt aus der letzten Beschäftigung (1. Juni bis 20. Dezember 1989). Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte – unter Aufhebung der entsprechenden Bescheide – verurteilt, dem Kläger ab 22. Dezember 1989 Leistungen aus der Alhi nach § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu gewähren (Urteil vom 27. September 1990). Die Beklagte legte – die vom SG zugelassene – Berufung ein. Der Vorsitzende des zuständigen Senats des Landessozialgerichts (LSG) verfügte (am 6. August 1991) den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 22. August 1991 (Eingang beim Bevollmächtigten des Klägers am 8. August 1991). Der Klägerbevollmächtigte wies mit Schriftsatz vom 14. August 1991 darauf hin, daß er den Termin vom 22. August 1991 nicht wahrnehmen könne, da er wegen anderer Termine vor dem SG und Amtsgericht (AG) verhindert sei; er fügte Kopien über die anderweitigen Ladungen bei und hob hervor, daß der vor dem AG anberaumte Ortstermin schon einmal verlegt worden sei. Der Vorsitzende des LSG-Senats antwortete unter dem 15. August 1991, er sehe leider keine Möglichkeit, der gewünschten Terminsverlegung zu entsprechen. Der Bevollmächtigte des Klägers entgegnete unter dem 19. August 1991, er halte die Auskunft, daß keine Möglichkeit gesehen werde, der Bitte um Terminsverlegung zu entsprechen, für unsubstantiiert und nicht überzeugend; zugleich bekräftigte er die Bitte um Terminsverlegung. Eine solche fand nicht statt. Das LSG hat im Termin vom 22. August 1991 auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 22. August 1991). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Anspruch auf Alhi gemäß § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a AFG habe – wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden habe (BSG vom 16. März 1983 – 7 RAr 12/82 -DBl BA R Nr 2844a zu § 134 AFG) – Vorrang vor einem Anspruch auf Alhi nach § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG. Das ergebe sich aus § 135 Abs 2 AFG, der mit dem Grundgesetz (GG), insbesondere Art 3 Abs 1 GG, in Einklang stehe.

Die Beschwerde, mit der sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im zweitinstanzlichen Urteil wendet, ist unzulässig. Der Beschwerdeführer hat den geltend gemachten Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) nicht in der gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG erforderlichen Weise aufgezeigt.

Er rügt als Verfahrensmangel die Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG). Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor, das Ermessen des Senatsvorsitzenden, über eine Verlegung des Termins zu entscheiden, sei vorliegend in eine Pflicht zur Terminsverlegung umgeschlagen. Sein Prozeßbevollmächtigter hätte, wenn er Gelegenheit gehabt hätte, in der mündlichen Verhandlung aufzutreten, ein „flammendes” Plädoyer für die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils gehalten. Es sei nicht auszuschließen, daß eine Darstellung der Sach- und Rechtslage durch ihn sowohl die Berufs- als auch die ehrenamtlichen Richter des zuständigen Spruchkörpers davon überzeugt hätte, daß die bisherige Rechtsprechung des BSG nicht tragfähig sei. Überdies sei das Protokoll über die zweitinstanzliche Sitzung unrichtig, weil es dort heiße: „Sodann erhalten die Beteiligten das Wort. Das Sach- und Streitverhältnis wird mit ihnen erörtert.”

Aus diesem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht die schlüssige Darlegung der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG; § 62 SGG). Richtig ist, daß die Vorschrift des § 227 Zivilprozeßordnung (ZPO), die in Verfahren vor den Sozialgerichten entsprechend anzuwenden ist (§ 202 SGG), einem Beteiligten (§ 69 SGG) im Hinblick auf Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG unter Umständen ein Recht auf Terminsänderung einräumt (BVerwG DVBl 1963, 672; JR 1969, 317; BVerwGE 43, 288, 290; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 50. Aufl 1992, § 227 Anm 3 B). Indes stellt die Ablehnung eines Terminverlegungsantrags nicht ohne weiteres eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Entscheidend ist, ob der Beschwerdeführer in der sachgemäßen Wahrnehmung seiner Rechte beeinträchtigt wird (BVerwG JR 1969, 317; BVerwGE 44, 307, 309). Insofern ist zu berücksichtigen, daß § 227 ZPO der Straffung des Verfahrens dient, weshalb eine Terminsänderung die Ausnahme zu bleiben hat. Die Pflicht des Prozeßbevollmächtigten, gleichzeitig einen anderen Termin wahrzunehmen, ist demzufolge regelmäßig nicht geeignet, einen Anspruch auf Terminsänderung auszulösen. Vielmehr muß der Prozeßbevollmächtigte in einem solchen Fall, wenn – wie hier – auch ein Sozietätskollege nicht zur Verfügung steht, einen anderen Prozeßbevollmächtigten heranziehen, da sonst der Zweck des § 227 ZPO, den Prozeß zu straffen,

vereitelt werden könnte (BVerfGE 14, 195 f; BVerwG DVBl 1963, 672; BVerwGE 43, 288, 290; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, Anm 3 D a). Anders kann zu entscheiden sein, wenn nicht mehr rechtzeitig für eine Vertretung gesorgt werden kann, etwa wegen plötzlicher Erkrankung des Prozeßbevollmächtigten (BVerwG Buchholz 310 § 108 VwGO Nr 141; Kopp, VwGO, 7. Aufl 1986, § 102 Rz 5 mwN). Für eine solche Sachlage ist dem Vorbringen des Beschwerdeführers nichts zu entnehmen. Der Beschwerdeführer hat nicht aufgezeigt, daß in der Zeit vom 8. August (Eingang der Terminsladung beim Prozeßbevollmächtigten) bis zum 22. August 1991 (Termin zur mündlichen Verhandlung) ein anderer Prozeßbevollmächtigter mit der Wahrnehmung der Angelegenheit nicht hätte betraut werden können. Auch wurde nicht dargelegt, daß eine solche Betrauung etwa deshalb nicht in Betracht gekommen wäre, weil der Rechtsstreit Schwierigkeiten aufweise, die zu bewältigen nur der zunächst beauftragte Prozeßbevollmächtigte in der Lage sei. Allein aus dem Vortrag dessen, was an der Entscheidung des LSG rechtlich auszusetzen sei, folgt dies jedenfalls nicht. Damit mangelt es an der Darlegung des Beschwerdeführers, daß die Ablehnung einer Verlegung des vorgesehenen Termins mit der Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens nicht in Einklang zu bringen war, so daß sich daraus auch nicht die behauptete Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ergibt.

Auch soweit der Beschwerdeführer die Unrichtigkeit des Protokolls betreffend die Anwesenheit der Beteiligten rügt, hat er einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise bezeichnet. Insoweit fehlt es an der Darlegung, daß die Entscheidung des LSG auf der unrichtigen Protokollierung beruht.

Ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat, ist nicht Gegenstand der Prüfung einer Nichtzulassungsbeschwerde (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Die umfangreichen Ausführungen des Beschwerdeführers dazu, daß die Auffassung des LSG zum Verhältnis von abgeleitetem Anspruch auf Alhi (§ 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a AFG) und originärem Anspruch auf Alhi (§ 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG) weder mit § 135 Abs 2 AFG noch mit Art 3 Abs 1 GG in Einklang zu bringen sei, sind mithin nicht geeignet, die Revisionsinstanz zu eröffnen. Im übrigen steht diese Ansicht des Beschwerdeführers in Widerspruch sowohl zur Rechtsprechung des Senats (BSG vom 23. September 1980 – 7 RAr 82/79 – DBl BA R Nr 2564a zu § 136 AFG und vom 16. März 1983 – 7 RAr 12/82 – DBl BA R Nr 2844a zu § 134 AFG) als auch zur einhelligen Meinung in der Literatur (Krebs/Schelter, Komm zum AFG, Stand Mai 1991, § 135 Rz 8; Kühl in Hennig/Kühl/Heuer/Henke, Komm zum AFG, Stand April 1992, § 135 Rz 6; Schmidt in GemKomm zum AFG, Stand März 1992, § 135 Rz 5; Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm zum AFG, 1972, § 135 Rz 8; Wittrock in Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm zum AFG, 2. Aufl 1988, § 135 Anm 10).

Entspricht die Begründung der Beschwerde somit nicht den gesetzlichen Anforderungen, muß die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig verworfen werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174455

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge