Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 24.08.1990)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. August 1990 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger macht mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫). Diese sieht er einmal in der Frage, ob Verluste aus selbständiger Tätigkeit bei der Beitragsbemessung nach § 180 Abs 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) beitragsmindernd zu berücksichtigen waren.

Der Senat hält diese Frage nicht für klärungsbedürftig. Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die vom Beschwerdeführer bezeichnete Rechtsfrage ohne weiteres aus dem Gesetz zu beantworten ist oder wenn die Rechtsfrage nicht umstritten bzw so gut wie unbestritten ist oder wenn sie schließlich revisionsgerichtlich bereits ausreichend geklärt ist (so der erkennende Senat in SozR 1300 § 13 Nr 1 mwN). In seinen Urteilen vom 28. Februar 1984 und 26. November 1984 (SozR 2200 § 180 Nrn 16 und 19) sowie vom 10. Juni 1988 (ErsK 89, 41) hat der Senat bereits entschieden, daß bei der Bestimmung des Grundlohns von freiwillig Versicherten (§ 180 Abs 4 RV0) wegen des verfassungsrechtlichen Gebots der Gleichbehandlung dieses Personenkreises mit den Pflichtversicherten Verluste aus selbständiger Tätigkeit und Vermietung nicht mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten verrechnet werden dürfen. Wenn dies aber bei der Ermittlung der „sonstigen Einnahmen zum Lebensunterhalt” zu beachten ist, muß es erst recht gelten, wenn – wie bei § 180 Abs 5 RVO – nur bestimmte, unter diesen Oberbegriff fallende Einkunftsarten zur Bestimmung des Grundlohns herangezogen werden.

Zum anderen sieht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung in der Frage, ob auf einen unabhängig von Hauptanspruch geltend gemachten Zinsanspruch nach § 27 Abs 1 des Sozialgesetzbuches – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) der § 144 Abs 1 Nr 1 SGG (Berufungsausschluß bei Ansprüchen auf einmalige Leistungen) anzuwenden ist.

Auch diese Frage führt wegen mangelnder Klärungsbedürftigkeit nicht zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Durch das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13. Dezember 1984 (SozR 1500 § 144 Nr 28) ist bereits geklärt, daß der selbständig geltend gemachte Anspruch auf Verzinsung einer Rentennachzahlung (§ 44 des Sozialgesetzbuches – Allgemeiner Teil – (SGB I) einen Anspruch auf eine einmalige Leistung iS des § 144 Abs 1 Nr 1 SGG darstellt. Zur Begründung seiner Beschwerde macht der Kläger geltend, da die Rückerstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge unter § 149 SGG falle, müsse der damit verbundene Zinsanspruch notwendigerweise auch unter diese Vorschrift fallen. Aus dem Charakter der Zinsen als akzessorischer Nebenleistung läßt sich dieser Schluß nicht herleiten. Nur wenn die Zinsen zusammen mit der Hauptleistung eingeklagt werden, bestimmt sich die Statthaftigkeit der Berufung nach der Hauptforderung. Werden hingegen nur die Zinsen selbständig und unabhängig von der Hauptforderung geltend gemacht, dann stellen sie eine Leistung iS des § 144 Abs 1 SGG dar. Das beweist gerade die Entscheidung des BSG vom 13. Dezember 1984 (aaO); denn sonst hätte dort die Zulässigkeit der Berufung nach § 146 SGG (Rente für bereits abgelaufene Zeiträume) geprüft werden müssen. Der Senat hat keine Zweifel daran, daß selbständig und ohne den Hauptanspruch eingeklagte Zinsen, ob sie nun aufgrund des § 44 Abs 1 SGB I oder des § 27 Abs 1 SGB IV verlangt werden, beim Ausschluß der Berufung gleich behandelt werden müssen.

Weiterhin macht der Kläger geltend, das Landessozialgericht (LSG) sei von mehreren Entscheidungen des BSG abgewichen. Wie das BSG im Beschluß vom 29. November 1989 (in SozR 1500 § 160a Nr 67) ausgeführt hat, bedeutet Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG Widerspruch im Rechtssatz, also das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt worden sind. Das LSG muß einen abstrakten Rechtssatz gebildet und die Rechtsfrage entschieden haben. Eine Abweichung kann nicht schon dann bejaht werden, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung.

Eine Abweichung ist schon deshalb hier nicht aufgezeigt worden, weil auch nach dem Vortrag des Klägers das LSG den von ihm bezeichneten Urteilen nicht widersprochen und nicht davon abweichende abstrakte Rechtssätze aufgestellt hat. Dazu bestand schon wegen der Unterschiede in den Sachverhalten keinerlei Grund. Das LSG hat über die beitragsmindernde Berücksichtigung von Verlusten aus selbständiger Tätigkeit – wie vom Kläger geltend gemacht – entschieden. Das Urteil des BSG vom 17. Juli 1985 (SozR 2100 § 15 Nr 8) befaßt sich dagegen mit der Ermittlung von Arbeitseinkommen iS des § 15 SGB IV bei mehreren selbständigen Tätigkeiten. Die Entscheidung vom 26. Oktober 1982 (BSG in SozR 2200 § 205 Nr 52) betrifft die Ermittlung des Gesamteinkommens iS des § 205 Abs 1 Satz 2 RVO iVm § 16 SGB IV. Hingegen geht es in der hier anzuwendenden Vorschrift des § 180 Abs 5 Nr 3 RVO nicht um das Gesamteinkommen, sondern um das auf die selbständige Tätigkeit beschränkte Arbeitseinkommen.

Auch die behauptete Divergenz bei der Entscheidung des LSG über die Zinsforderung für bereits erstattete Beiträge und den Ausschluß der Berufung nach § 144 Abs 1 Nr 1 SGG ist nicht formgerecht bezeichnet worden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die schlüssige Darlegung einer Abweichung zum Urteil des BSG vom 11. Juni 1987 (SozR 1300 § 50 Nr 17) ist hier wiederum unterblieben, weil die Unterschiede in den Sachverhalten zu unterschiedlichen entscheidungserheblichen Rechtsfragen geführt haben. Das Urteil vom 11. Juni 1987 (aaO) betrifft die Rückerstattung von Leistungen, nicht von Beiträgen und insbesondere nicht die Verzinsung eines Erstattungsanspruchs. Demgegenüber hat das LSG im angefochtenen Urteil über einen isolierten Zinsanspruch entschieden. Eine Divergenz zu den Urteilen des BSG vom 19. August 1975 und 12. Dezember 1985 (SozR 1500 § 144 Nrn 4 und 33), vom 7. Dezember 1977, 18. Januar 1978 und 13. September 1978 (aaO § 146 Nrn 4, 5 und 9), kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der erkennende Senat den vom Kläger angeführten Rechtssatz, den das LSG „konkludent” aufgestellt haben soll, dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen kann.

Die vom Kläger gerügten Mängel des Berufungsverfahrens können nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen. Der Verfahrensmangel einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (§§ 62, 128 Abs 2 SGG) ist nur dann hinreichend bezeichnet worden, wenn angegeben wird, welches Vorbringen verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (so BSG in SozR 1500 § 160a Nr 36 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung des Klägers nicht.

Soweit der Kläger ein Unterlassen der gebotenen Sachaufklärung geltend macht, kann auf die damit gerügte Verletzung des § 103 SGG die Beschwerde nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ausdrücklich nur dann gestützt werden, wenn sich der Verfahrensmangel auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Einen solchen Beweisantrag hat der Kläger in der Beschwerdebegründung nicht bezeichnet, was aber erforderlich gewesen wäre.

Schließlich ist die Revision auch nicht – wie der Kläger meint -nach § 202 SGG iVm § 547 der Zivilprozeßordnung (ZPO) statthaft oder zuzulassen. § 202 SGG erklärt die ZPO auf das sozialgerichtliche Verfahren nur insoweit für anwendbar, als das SGG keine Bestimmungen enthält und die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen. Die Zulassung der Revision gegen das Urteil eines LSG an das BSG ist in § 160 SGG abschließend geregelt (… „steht den Beteiligten die Revision … nur zu …”). Eine entsprechende Anwendung des § 547 ZPO verbietet sich daher.

Die somit teils unzulässige, teils unbegründete Beschwerde des Klägers mußte zurückgewiesen werden.

Die Kostentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1172940

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