Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 24.04.1998) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 1998 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde ist teilweise unbegründet; im übrigen genügt die Begründung der Beschwerde schon nicht den formalen Anforderungen, wie sie sich aus § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nrn 1 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergeben.
1. Der Kläger sieht es als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) an,
a) ob die von einem Behinderten benötigte Hilfe in Form von Aufforderungen zur Durchführung verschiedener in § 14 Abs 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) genannter Verrichtungen aus den Bereichen der Grundpflege (Nrn 1 bis 3) und der hauswirtschaftlichen Versorgung (Nr 4) und der erforderlichen Kontrolle ihrer ordnungsgemäßen Erledigung den zeitlichen Anforderungen des § 15 Abs 3 Nr 1 SGB XI für die Pflegestufe I genügt, wenn diese „punktuelle” Hilfe den ganzen Tag über immer wieder geleistet werden muß, weil er andernfalls der Verwahrlosung anheimfiele, eine Pflegeperson also nahezu ständig anwesend sein muß,
b) ob die der „Pflegebedürftigkeit im engeren Sinne” vorbeugenden „präventiven”) Pflegeleistungen beim Pflegebedarf iS der §§ 14 und 15 SGB XI zu berücksichtigen sind.
Dies hält der Kläger für klärungsbedürftig. Das ist aber nicht der Fall.
Ein Klärungsbedarf ist nur dann zu bejahen, wenn das Gesetz keine eindeutige Beantwortung der Frage zuläßt, also zu Zweifeln Anlaß gibt (BSGE 40, 40 = SozR 1500 § 160a Nr 4; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11), und auch nach Auswertung der vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung die Rechtsfrage als noch nicht geklärt anzusehen ist oder die Rechtsfrage zwar bereits entschieden worden ist, in der Rechtsprechung anderer Gerichte oder in der Literatur aber erhebliche Bedenken gegen diese Entscheidung erhoben worden sind, so daß ein erneuter Klärungsbedarf bejaht werden muß (BSGE 40, 40 = SozR 1500 § 160a Nr 4; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13). Hieran fehlt es. Der Senat hat bereits entschieden, daß nur konkrete Anleitungen, Überwachungen und Erledigungskontrollen zu berücksichtigen sind, die die Pflegeperson in zeitlicher und örtlicher Hinsicht in gleicher Weise binden wie bei unmittelbarer körperlicher Hilfe, hingegen schlichte Aufforderungen zur Durchführung bestimmter Verrichtungen, mögen sie auch im Laufe eines Tages immer wieder notwendig sein, keine nach § 14 Abs 3 SGB XI ausreichende Hilfeleistungen darstellen, weil sie mit keiner derartigen Bindung der Pflegeperson einhergehen. Die im Gesetz vorgesehene „Anleitung” und „Beaufsichtigung” geht über das reine „Anhalten” zur Durchführung einer Verrichtung hinaus (BSG, Urteil vom 19. Februar 1998 – B 3 P 7/97 R – SozR 3-3300 § 15 Nr 1; Urteil vom 24. Juni 1998 – B 3 P 4/97 R – zur Veröffentlichung vorgesehen; ebenso bereits Urteil vom 9. März 1994 – 3/1 RK 12/93 – SozR 3-2500 § 53 Nr 6 zu § 53 SGB V aF). Der Senat hat ferner entschieden, daß bei der erforderlichen Anleitung und Beaufsichtigung iS des § 14 Abs 3 SGB XI, wozu die Kontrolle der ordnungsgemäßen Durchführung einer Verrichtung gehört, nur der jeweils erforderliche konkrete Zeitaufwand der Pflegeperson für die einzelne Anleitung und Beaufsichtigung anzusetzen ist, grundsätzlich aber nicht Zeitspannen zwischen Hilfeleistungen für verschiedene Verrichtungen und der Zeitaufwand für die ständige Anwesenheit einer Pflegeperson (BSG, Urteile vom 19. Februar 1998 – B 3 P 6/97 und 7/97 R – SozR 3-3300 § 15 Nr 1; so auch schon Urteil vom 29. November 1995 – 3 RK 18/94 – SozR 3-2500 § 53 Nr 9 zu § 53 SGB V aF). Auch aus der Tatsache, daß die Anleitung und Beaufsichtigung bei geistig behinderten Erwachsenen stets auch der Verhinderung ihrer Verwahrlosung dient und insofern präventiv wirkt, folgt nicht, daß sie als andauernder relevanter Pflegebedarf berücksichtigt werden müssen, da es insoweit allein darauf ankommt, ob ein Versicherter wegen einer geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung auf Dauer nicht in der Lage ist, die in § 14 Abs 4 SGB XI genannten Verrichtungen ohne Anleitung oder Beaufsichtigung durch andere Personen (§ 14 Abs 3 SGB XI) auszuführen. Auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind die vom Kläger aufgeworfenen Fragen also zu verneinen, ohne daß es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
2. Ein Verfahrensfehler, der zur Zulassung der Revision führen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), wird vom Kläger schon nicht schlüssig dargelegt.
a) Der Kläger rügt die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) und trägt vor, er hätte bei rechtzeitigem Hinweis des Landessozialgerichts auf die Maßgeblichkeit der Frage über die Relevanz der „punktuellen” Hilfeleistungen hierzu weiter vorgetragen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt; dieses hätte ergeben, daß die „punktuellen” Hilfeleistungen die zeitlichen Mindestvoraussetzungen des § 15 Abs 3 Nr 1 SGB XI erreichten. Dieser Vortrag reicht nicht aus. Notwendig ist die Darlegung, daß das Gericht unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, § 160 RdNr 16b mwN) über die materielle Rechtslage den angebotenen Beweis hätte erheben müssen und dann möglicherweise zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Daran fehlt es. Das Berufungsgericht hat seinem Urteil der Sache nach die dargelegte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zugrunde gelegt und nur den konkreten Zeitaufwand der Pflegepersonen für die einzelnen Anleitungen und Beaufsichtigungen berücksichtigt, nicht aber Zwischenzeiten und den Zeitaufwand für die ständige Anwesenheit; hierbei ist es auf einen täglichen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von nur 20 Minuten gekommen. Der Kläger greift diese Feststellung nicht an, sondern stellt der Rechtsansicht des Berufungsgerichts seine Auffassung gegenüber, daß aufgrund der Notwendigkeit stetiger Aufforderungen an den Kläger zur Durchführung von Verrichtungen und der dadurch bedingten Notwendigkeit der nahezu ständigen Anwesenheit einer Pflegeperson weitere Zeiten zu berücksichtigen seien. Damit legt der Kläger lediglich dar, daß bei Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung die Einholung des Sachverständigengutachtens geboten gewesen wäre, nicht aber, wie es erforderlich gewesen wäre, auch bei Zugrundelegung der Rechtsansicht des Berufungsgerichts.
b) Der Verstoß gegen Denkgesetze ist ein Verstoß gegen Beweisgrundsätze. Die Rüge eines solchen Verstoßes ist nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 160 Abs 2 Nr 3 2. Halbsatz SGG, der die Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 128 Abs 1 Satz 1 SGG ausnimmt, im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ausgeschlossen (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 26).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen