Verfahrensgang
SG Hamburg (Entscheidung vom 09.09.2020; Aktenzeichen S 36 U 55/16) |
LSG Hamburg (Urteil vom 03.11.2021; Aktenzeichen L 2 U 30/20) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 3. November 2021 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall, die Anerkennung einer Ruptur der Achillessehne links als Unfallfolge und die Gewährung von Verletztenrente.
Die nach erfolglos durchgeführtem Verwaltungsverfahren erhobene Klage hat das SG nach Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 9.9.2020). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 3.11.2021).
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG rügt der Kläger das Vorliegen von Verfahrensmängeln.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht formgerecht bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), so müssen die diesen vermeintlich begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG, ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht, auf dem Mangel beruhen kann. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
a) Um den Verfahrensmangel der Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) ordnungsgemäß zu rügen, muss die Beschwerdebegründung (1.) einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen oder im Urteil wiedergegebenen Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2.) die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, auf deren Grundlage bestimmte Tatfragen klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3.) die von dem Beweisantrag betroffenen tatsächlichen Umstände aufzeigen, die zur weiteren Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4.) das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angeben und (5.) erläutern, weshalb die Entscheidung des LSG auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann (stRspr; zB BSG Beschluss vom 27.9.2022 - B 2 U 42/22 B - juris RdNr 7 mwN; BSG Beschluss vom 11.3.2021 - B 9 SB 51/20 B - juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger hat bereits den Streitgegenstand und die maßgebliche Verfahrensgeschichte nicht konsequent schlüssig dargestellt, obwohl eine verständliche Sachverhaltsschilderung zu den Mindestanforderungen an die Darlegung bzw Bezeichnung eines Revisionszulassungsgrundes gehört (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.5.2022 - B 2 U 120/21 B - juris RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14 S 21 = juris RdNr 3; zur Verfassungskonformität dieser Anforderungen vgl zB BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 24.10.2000 - 1 BvR 1412/99 - SozR 3-1500 § 160a Nr 31 S 61 = juris RdNr 9 mwN). Der Kläger trägt einerseits vor, streitgegenständlich sei die Anerkennung einer Ruptur der Achillessehne am "linken" Bein und er sei beim Anlaufen mit dem "linken" Bein weggerutscht. Andererseits schildert der Kläger, er habe einen Schlag auf die "rechte" Achillessehne bekommen und sei beim Anlaufen mit dem "rechten" Bein nach hinten weggerutscht. Es sei ein Riss der "rechten" Achillessehne operiert worden.
Dessen unbeschadet erfüllt die Beschwerdebegründung nicht die dargestellten Voraussetzungen an eine Verfahrensrüge iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Zwar trägt der Kläger konkret zu vier Beweisanträgen vor, die er zuletzt in der mündlichen Verhandlung gestellt habe. Die Beschwerdebegründung zeigt aber nicht auf, warum das LSG sich aus seiner sachlich-rechtlichen Sicht zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist im Hinblick auf das Erfordernis "ohne hinreichende Begründung" nicht formell, sondern materiell im Sinne von "ohne hinreichenden Grund" zu verstehen. Entscheidend ist, ob sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben, weil nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen Sachverhalt aus seiner rechtlichen Sicht erkennbar offengeblieben sind, damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden hat und die so zu ermittelnden Tatsachen nach der Rechtsauffassung des LSG entscheidungserheblich sind (vgl zB BSG Beschluss vom 10.5.2022 - B 2 U 134/21 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 27.1.2021 - B 13 R 77/20 B - juris RdNr 7 mwN; BSG Beschluss vom 31.7.1975 - 5 BJ 28/75 - SozR 1500 § 160 Nr 5 S 6 = juris RdNr 2). Solche Umstände zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf. Denn das LSG hat danach von der beantragten Beweisaufnahme durchgehend abgesehen, weil es auf die unter Beweis gestellten Tatsachen seiner Ansicht nach nicht entscheidungserheblich ankam. Vor diesem Hintergrund hätte die Beschwerdebegründung substantiiert dazu vortragen müssen, wieso das LSG dennoch von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus Beweis hätte erheben müssen. Nicht schlüssig ist insoweit das Vorbringen zu einer unzulässig vorweggenommenen Beweiswürdigung. Zwar kann hierauf eine Sachaufklärungsrüge gestützt werden, weil sie jedenfalls nicht allein die nicht angreifbare Beweiswürdigung iS von § 128 Abs 1 Satz 1 SGG betrifft (vgl Karmanski in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 2. Aufl 2021, § 160 RdNr 64 mwN; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 538 mwN). Nicht ausreichend hierfür ist indes, dass der Kläger aus seiner Sicht weiteren Aufklärungsbedarf annimmt. Die Beschwerdebegründung hätte stattdessen aufzeigen müssen, dass die vom Kläger unter Beweis gestellten und vom LSG insgesamt als zutreffend unterstellten Tatsachen gleichwohl noch ermittlungsbedürftig waren (vgl zB BSG Beschluss vom 23.7.2015 - B 2 U 78/15 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 16 RdNr 7 mwN; BSG Beschluss vom 27.1.2021 - B 13 R 77/20 B - juris RdNr 7 mwN).
b) Soweit der Kläger im Übrigen zu einer fehlerhaften Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) vorträgt, kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde hierauf nicht gestützt werden (stRspr; zB BSG Beschluss vom 17.5.2022 - B 2 U 167/21 B - juris RdNr 13; BSG Beschluss vom 3.3.2022 - B 9 V 37/21 B - juris RdNr 12 mwN).
2. Dass der Kläger die Entscheidung der Vorinstanz für falsch hält, geht über eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche Rüge eines bloßen Rechtsanwendungsfehlers nicht hinaus (vgl BSG Beschluss vom 23.2.2022 - B 2 U 197/21 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 25.5.2020 - B 9 V 3/20 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10 = juris RdNr 2).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Roos Karmanski Hüttmann-Stoll
Fundstellen
Dokument-Index HI15554552 |