Verfahrensgang
SG Mainz (Entscheidung vom 26.01.2021; Aktenzeichen S 3 KA 76/19) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 07.10.2021; Aktenzeichen L 5 KA 6/21) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. Oktober 2021 - L 5 KA 6/21 - Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 9916,58 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die beklagte Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) verpflichtet ist, für das Quartal 3/2019 weiteres vertragszahnärztliches Honorar an den Kläger auszuzahlen.
Der 1956 geborene Kläger war seit 1983 bis zur Entziehung seiner Zulassung im Jahr 2016 (vgl BSG Beschluss vom 11.9.2019 - B 6 KA 14/19 B - SozR 4-2500 § 95 Nr 37; das BVerfG ≪Kammer≫ lehnte mit Beschluss vom 22.11.2019 - 1 BvR 2523/19 - den Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab) im Bezirk der beklagten KZÄV zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Am 15.12.1992 trat er alle bestehenden und zukünftigen Honorarforderungen gegen die Beklagte an seine frühere Ehefrau ab. Mit Beschluss vom 12.9.2008 wurde über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet. Am 22.9.2008 trat die frühere Ehefrau die Honoraransprüche an den Vater des Klägers ab. Am 30.9.2008 erklärte der Insolvenzverwalter gegenüber dem Kläger, dass dessen Vermögen aus der Tätigkeit als Zahnarzt nicht mehr zur Insolvenzmasse gehöre und Ansprüche aus dieser Tätigkeit nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden könnten. Mit Wirkung zum 1.4.2009 gab die Gläubigerversammlung das Vermögen des Klägers aus seiner zahnärztlichen Tätigkeit frei. Im August 2009 trat die frühere Ehefrau des Klägers die gegen die Beklagte gerichteten Ansprüche im vollen Umfang an den Kläger ab, der sie wiederum am 22.6.2011 im Rahmen einer Globalzession an seinen am 27.5.2019 verstorbenen Vater abtrat. Der Vater des Klägers wurde durch die Schwester des Klägers beerbt; der Kläger hatte das Erbe zunächst ausgeschlagen, focht die Ausschlagung später jedoch an. Ein Erbschein ist nicht erteilt.
Die Beklagte zahlte im Hinblick auf das Ende der Zulassung des Klägers den dritten Honorarabschlag für das Quartal 3/2019 iHv 6200 Euro für die im September 2019 erbrachten vertragszahnärztlichen Leistungen nicht aus. Am 3.11.2019 hat der Kläger daraufhin Zahlungsklage erhoben. Nachdem die Beklagte das Honorar des Klägers für die im Quartal 3/2019 erbrachten Leistungen abgerechnet hatte (Bescheid vom 22.1.2020), hat der Kläger beantragt, die Beklagte zur Auszahlung des Honorars für konservierend-chirurgische Leistungen gemäß dem Honorarbescheid iHv 9916,58 Euro zu verpflichten.
Das SG hat die Zahlungsklage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 26.1.2021). Die Klage sei unzulässig. Der Kläger begehre eine Klageänderung im Sinne des § 99 Abs 1 SGG, denn er habe sowohl den Klageantrag als auch den Klagegrund - den dem Anspruch zugrundeliegenden Lebenssachverhalt - geändert. Die Umstellung der Klage sei nicht von § 99 Abs 3 Nr 3 SGG gedeckt. Die Beklagte habe weder die Klageänderung ausdrücklich gebilligt noch sich schriftsätzlich auf den geänderten klägerischen Vortrag eingelassen. Die Klageänderung sei auch nicht sachdienlich, da der Rechtsstreit hierdurch auf eine völlig neue sachliche und rechtliche Grundlage gestellt werde (Hinweis auf BSG Beschluss vom 7.8.2017 - B 11 AL 7/17 BH - juris RdNr 5). Zugunsten des Klägers sei davon auszugehen, dass er seine ursprüngliche Leistungsklage hilfsweise aufrechterhalten habe. Diese sei zulässig, jedoch mittlerweile unbegründet. Mit Erlass des Honorarbescheides für das Quartal 3/2019 sei der Anspruch des Klägers auf Auszahlung einer Abschlagszahlung für den September 2019 untergegangen.
Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben (Urteil vom 7.10.2021 - L 5 KA 6/21). Zur Begründung hat das LSG unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des SG ausgeführt: Zu Recht habe das SG die Klage auf Auszahlung des Honorars für vertragsärztliche Leistungen im Quartal 3/2019 als unzulässig verworfen. Zutreffend sei es davon ausgegangen, dass die Umstellung des Klagebegehrens eine unzulässige Klageänderung beinhalte. Zu Unrecht habe das SG allerdings auch über das ursprüngliche Klagebegehren des Klägers auf Auszahlung der dritten Abschlagszahlung für das Quartal 3/2019 iHv 6200 Euro entschieden. Der Kläger habe dieses Begehren nicht aufrechterhalten.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Gleichzeitig beantragt er die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für dieses Verfahren.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens ist abzulehnen (dazu A.), die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision ist als unzulässig zu verwerfen (dazu B.).
A. Der Antrag des Klägers, ihm PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zu gewähren, ist abzulehnen. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen. Hinreichende Aussicht auf Erfolg böte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Die Revision darf nur zugelassen werden, wenn der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Nach Durchsicht der Akten und unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers fehlen Anhaltspunkte dafür, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter einen dieser Zulassungsgründe darlegen könnte.
1. Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende grundsätzliche Bedeutung. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 29.11.2006 - B 6 KA 23/06 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG Beschluss vom 28.10.2015 - B 6 KA 12/15 B - SozR 4-2500 § 116 Nr 11 RdNr 5; BSG Beschluss vom 15.10.2020 - B 6 KA 16/20 B - juris RdNr 8). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die aufgeworfene Frage bereits geklärt ist und/oder wenn sich die Antwort ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus schon vorliegender Rechtsprechung klar beantworten lässt (BSG Beschluss vom 11.10.2017 - B 6 KA 29/17 B - juris RdNr 4). Klärungsfähigkeit ist nicht gegeben, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage nicht im Revisionsverfahren zur Entscheidung anstünde oder wenn die Bedeutung über den Einzelfall hinaus fehlt, weil eine weitergehende Bedeutung der Rechtsfrage für weitere Fälle nicht erkennbar ist oder die Rechtsfrage aufgrund besonderer Gestaltung des Rechtsstreits einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung nicht zugänglich ist (vgl zB BSG Beschluss vom 13.2.2019 - B 6 KA 17/18 B - juris RdNr 7).
Solche Rechtsfragen sind hier nicht erkennbar. Insbesondere sind die Voraussetzungen, unter denen eine Klageänderung als sachdienlich anzusehen ist (§ 99 Abs 1 SGG), in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt (vgl etwa BSG Beschluss vom 16.12.2011 - B 14 AS 138/11 B - juris RdNr 3; BSG Beschluss vom 7.8.2017 - B 11 AL 7/17 BH - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 6.5.2019 - B 10 ÜG 13/18 B - juris RdNr 7 mwN; BGH Urteil vom 30.11.1999 - VI ZR 219/98 - BGHZ 143, 189 = juris RdNr 38; BGH Urteil vom 27.9.2006 - VIII ZR 19/04 - NJW 2007, 2414; BGH Urteil vom 24.1.2014 - V ZR 36/13 - juris RdNr 10; BAG Urteil vom 13.4.2016 - 4 AZR 13/13 - juris RdNr 87; BVerwG Urteil vom 27.2.1970 - IV C 28.67 - NJW 1970, 1564; BVerwG Beschluss vom 26.7.2016 - 10 B 15/15 - juris RdNr 10; BFH Urteil vom 25.4.2017 - VIII R 64/13 - BFH/NV 2017, 1325 = juris RdNr 57).
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte.
3. Ebenso fehlt jeglicher Anhalt dafür, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler des LSG darlegen könnte. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dass ein solcher Verfahrensmangel aufgezeigt werden und vorliegen könnte, ist nicht ersichtlich.
In Betracht käme hier allein eine Entscheidung durch Prozessurteil anstelle eines in Wirklichkeit gebotenen Sachurteils, die grundsätzlich einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG darstellt (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 8.10.1985 - 5b/1 BJ 22/85 - SozR 1500 § 160a Nr 55). Die Voraussetzungen eines solchen Verfahrensmangels sind vorliegend jedoch nicht erfüllt.
Zunächst ist das LSG - unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des SG - zutreffend davon ausgegangen, dass kein Fall des § 99 Abs 3 Nr 3 SGG vorliegt. Denn dies setzt nach dem Wortlaut der Vorschrift voraus, dass - anders als hier - der Klagegrund unverändert bleibt. Da die Beklagte nach den Feststellungen des LSG, gegen die nach Durchsicht der Gerichtsakten auch keine begründete Aufklärungsrüge erhoben werden kann, der Klageerweiterung weder ausdrücklich noch konkludent zugestimmt hat, wäre nach § 99 Abs 1 SGG eine Änderung - einschließlich einer Erweiterung - der Klage nur zulässig, wenn das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Dabei steht diese Entscheidung nach stRspr aller obersten Gerichtshöfe des Bundes im Ermessen des Tatsachengerichts; im Revisionsverfahren ist lediglich zu prüfen, ob dieses den Rechtsbegriff der Sachdienlichkeit verkannt und damit die Grenzen seines Ermessens überschritten hat (stRspr; vgl zB BSG Urteil vom 5.2.2003 - B 6 KA 26/02 R - SozR 4-2500 § 117 Nr 1 = juris RdNr 26; BSG Beschluss vom 16.12.2011 - B 14 AS 138/11 B - juris RdNr 3; BSG Beschluss vom 4.9.2017 - B 13 R 191/17 B - juris RdNr 6; BGH Urteil vom 27.9.2006 - VIII ZR 19/04 - NJW 2007, 2414; BGH Urteil vom 24.1.2014 - V ZR 36/13 - juris RdNr 9; BAG Urteil vom 13.4.2016 - 4 AZR 13/13 - juris RdNr 83; BVerwG Beschluss vom 26.7.2016 - 10 B 15/15 - juris RdNr 10; BFH Urteil vom 25.4.2017 - VIII R 64/13 - BFH/NV 2017, 1325 = juris RdNr 59; krit zum Begriff Ermessen: Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 99 RdNr 11 mwN - Beurteilungsspielraum zutreffender). Dass das LSG diese Grenzen hier überschritten hätte, ist nicht ersichtlich. Das LSG hat unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des SG die Auffassung vertreten, der Rechtsstreit würde durch die Klageänderung auf eine völlig neue Grundlage gestellt. Dies ist nicht zu beanstanden.
4. Da dem Kläger keine PKH zusteht, kann er auch nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
B. Die von dem Kläger privatschriftlich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen, weil der Kläger insoweit nicht durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) vertreten ist (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG).
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).
D. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Sie entspricht dem Betrag der vom Kläger begehrten Auszahlung.
Wenner Rademacker Loose
Fundstellen
Dokument-Index HI15148966 |