Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde. Divergenz
Orientierungssatz
Für die Geltendmachung des Zulassungsgrundes einer Divergenz gem § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist die Entscheidung des BSG, von der die Entscheidung des LSG abweichen soll, so zu bezeichnen, dass sie ohne Schwierigkeiten auffindbar ist. Der Beschwerdeführer muss darlegen, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine das Berufungsurteil tragende Abweichung in dessen rechtlichen Ausführungen enthalten sein soll. Er muss einen abstrakten Rechtssatz aus dem vorinstanzlichen Urteil und einen abstrakten Rechtssatz aus der höchstrichterlichen Entscheidung so bezeichnen, dass die Divergenz erkennbar wird. Es reicht nicht aus, auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung mit der Behauptung hinzuweisen, das angegriffene Urteil weiche hiervon ab. Schließlich ist darzulegen, dass die berufungsgerichtliche Entscheidung auf der gerügten Divergenz beruhe (vgl BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 = SozR 1500 § 160a Nr 14, vom 9.1.1976 - 11 BA 90/75 = SozR 1500 § 160a Nr 21, vom 21.4.1978 - 1 BJ 12/78 = SozR 1500 § 160a Nr 29, vom 12.7.1985 - 7 BAr 114/84 = SozR 1500 § 160a Nr 54 und vom 29.11.1989 - 7 BAr 130/88 = SozR 1500 § 160a Nr 67).
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2, § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
Thüringer LSG (Entscheidung vom 14.01.2009; Aktenzeichen L 7 AS 139/08) |
SG Altenburg (Entscheidung vom 13.11.2007; Aktenzeichen S 26 AS 1559/06) |
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung einer Leistung für Mehrbedarf auf Grund von Alleinerziehung nach dem SGB II für den Zeitraum von November bis April 2006.
Die Klägerin bezieht seit Januar 2005 Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II. Sie und ihr geschiedener Ehemann, der auch der Vater der bei ihr lebenden drei minderjährigen Kinder ist, bewohnen seit April 2005 zwei getrennte Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus, das im Alleineigentum ihres geschiedenen Ehemannes steht. Nachdem die Klägerin zunächst Leistungen für Mehrbedarf auf Grund von Alleinerziehung erhalten hatte, lehnte die Beklagte deren Gewährung ab dem 1.11.2005 ab (Bescheid vom 2.11.2005, Widerspruchsbescheid vom 27.4.2006). Die Klägerin sei nicht alleinerziehend, denn der Vater könne sich wegen der räumlichen Nähe an der Erziehung der Kinder beteiligen. Während die Klägerin vor dem Sozialgericht Altenburg (SG) erfolgreich war (Urteil vom 13.11.2007), hat das Thüringer Landessozialgericht (LSG) der Berufung der Beklagten stattgeben und das Urteil des SG aufgehoben (Urteil vom 14.1.2009). Zur Begründung wird ausgeführt, im vorliegenden Fall sei auf Grund der konkreten Wohn- und Arbeitssituation, nicht von "Alleinerziehung" durch die Klägerin auszugehen. Zumindest wenn der Vater anwesend gewesen sei, habe er einen wesentlichen Erziehungsbeitrag leisten können. In der Zeit der Betreuung durch den Vater habe die Klägerin die Gelegenheit gehabt, Preisvergleiche durchzuführen und ihrem Kontakt- und Informationsbedürfnis Rechnung zu tragen. Darüber hinaus habe der Vater als Kontaktperson für Erziehungsfragen auch außerhalb der "Betreuungswochenenden" zur Verfügung gestanden. Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der von ihr erhobenen Beschwerde zum Bundessozialgericht (≪BSG≫ § 160a SGG). Sie macht Divergenz geltend (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und führt aus, das LSG sei mit seinen Ausführungen von der Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R abgewichen. Zugleich beantragt sie, ihr für die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen.
Entscheidungsgründe
1. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung von Rechtsanwältin Jahn ist abzulehnen. Nach § 73a SGG iVm §§ 114, 121 Zivilprozessordnung kann einem hilfebedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran mangelt es. Die Klägerin begehrt PKH für eine von einem beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten bereits eingelegte, mit einer bestimmten Begründung versehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision. In einem solchen Fall fehlt es an einer hinreichenden Erfolgsausicht, wenn die eingelegte Beschwerde unzulässig ist. So liegt der Fall hier (2.).
2. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die Klägerin hat einen Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 SGG nicht formgerecht dargelegt (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) .
Zur formgerechten Rüge des von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgrundes einer Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist in der Beschwerdebegründung die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweichen soll, zumindest so zu bezeichnen, dass sie ohne Schwierigkeiten auffindbar ist. Ferner ist deutlich zu machen, worin die Abweichung zu sehen sein soll. Der Beschwerdeführer muss darlegen, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine das Berufungsurteil tragende Abweichung in dessen rechtlichen Ausführungen enthalten sein soll. Er muss einen abstrakten Rechtssatz aus dem vorinstanzlichen Urteil und einen abstrakten Rechtssatz aus der höchstrichterlichen Entscheidung so bezeichnen, dass die Divergenz erkennbar wird. Es reicht hingegen nicht aus, auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung mit der Behauptung hinzuweisen, das angegriffene Urteil weiche hiervon ab. Schließlich ist darzulegen, dass die berufungsgerichtliche Entscheidung auf der gerügten Divergenz beruhe (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 54, 67). Diese Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin behauptet zwar, das LSG weiche in seinem Urteil von der zitierten Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R) zur Leistung wegen des Mehrbedarfs auf Grund von Alleinerziehung ab. Danach habe das BSG entschieden, dass erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ein hälftiger Mehrbedarf für Alleinerziehung zustehe, wenn sich geschiedene und getrennt wohnende Eltern bei der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes in größeren als mindestens eine Woche umfassenden zeitlichen Intervallen abwechselten und sich die anfallenden Kosten in etwa hälftig teilten. Es ist der Klägerin jedoch nicht gelungen, einen abstrakten Rechtssatz aus den Entscheidungsgründen des LSG herauszuarbeiten, der der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung entgegenstehen könnte. Statt dessen verweist sie auf die Tatsachenfeststellungen des LSG und zieht die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts zum Beleg für die Abweichung heran. Darüber hinaus legt sie dar, welche Rechtsfolgen ihrer Ansicht nach das LSG aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der Rechtsprechung des 4. Senats hätte ziehen müssen.
Die danach nicht formgerecht begründete und somit unzulässige Beschwerde ist nach § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen