Verfahrensgang
LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 27.06.2000) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 27. Juni 2000 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil des Landessozialgerichts (LSG) gerichtete Beschwerde ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfordern diese Vorschriften, daß der Zulassungsgrund schlüssig dargetan wird (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47 und 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, 1997, IX, RdNrn 177 und 179 mwN). Diesen Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde haben die Beschwerdeführerinnen nicht hinreichend Rechnung getragen.
Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 SGG genannten Gründen – grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung (Divergenz), Verfahrensmangel – zugelassen werden. Die Beschwerdeführerinnen machen Abweichung und grundsätzliche Bedeutung geltend, legen deren Vorliegen indes nicht hinreichend dar.
Eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargetan, wenn schlüssig aufgezeigt wird, mit welchem genau bestimmten entscheidungserheblichen Rechtssatz die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher genau bestimmten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 21, 29 und 54). Eine Divergenz liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien – ausdrücklich – widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen Abweichung (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 29; BSG Beschluß vom 28. September 1998 – B 4 RA 200/97 B – = HVBG-Info 1999, 3008).
Diese Voraussetzungen haben die Beschwerdeführerinnen mit ihrem Hinweis auf eine angebliche Abweichung des angefochtenen Urteils von den von ihnen genannten Entscheidungen des BSG (Urteile vom 28. April 1977 – 2 RU 259/74 – = SozR 2200 § 539 Nr 34 und vom 18. März 1997 – 2 RU 23/96 – = SozR 3-2200 § 539 Nr 39) nicht iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargetan. Zwar haben die Beschwerdeführerinnen hier durch die inhaltliche Wiedergabe der Rechtsprechung des BSG hinreichend genau abstrakte Rechtssätze bezeichnet, von denen das LSG abgewichen sein soll. Im wesentlichen ist dies die Aussage, bei der Wertung im Rahmen des Konkurrenzverhältnisses von Versicherungstatbeständen müsse die Frage beantwortet werden, im Rahmen welchen Unternehmens die unfallbringende Tätigkeit nach außen erkennbar erfolgt sei, wobei es unerheblich sei, ob die konkrete zum Unfall führende Tätigkeit noch einem anderen Unternehmen zusätzlich zugute komme. Es mangelt jedoch an der Bezeichnung eines entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatzes aus dem angefochtenen Urteil, der von einer der rechtlichen Aussagen in den zitierten Entscheidungen des BSG abweichen soll.
Mit ihrem – im einzelnen ausgeführten – Vortrag, aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles (zufälliges Eintreffen des Versicherten auf der Unglücksstelle, schnellstmöglich zu beseitigende Gefahr usw) habe bei der zum Unfall führenden Tätigkeit des Versicherten entgegen der Auffassung des LSG eindeutig die Verkehrsregelung und der Schutz des Verkehrs auf der dunklen Bundesstraße im Vordergrund gestanden, während die Tätigkeit im Rahmen seines Unternehmens von völlig untergeordneter Bedeutung gewesen sei, das BSG habe in der genannten Entscheidung vom 28. April 1977 aber darauf hingewiesen, daß im dort zu entscheidenden Fall eines Feuerwehreinsatzes eines landwirtschaftlichen Unternehmers die unternehmerischen Aspekte von untergeordneter Bedeutung seien, legen die Beschwerdeführerinnen keinen ausdrücklichen Widerspruch des LSG gegenüber dieser Rechtsprechung dar. Sie rügen vielmehr im Kern, das LSG habe die in den genannten Entscheidungen des BSG entwickelten Grundsätze nicht oder unzutreffend angewandt und damit im Einzelfall eine unrichtige Entscheidung getroffen. Eine hierauf gestützte Beschwerde kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen.
Dies gilt auch für die Rüge, das LSG sei von der Entscheidung des BSG vom 18. März 1997 (SozR 3-2200 § 539 Nr 39) abgewichen, indem es den Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 9 Buchst a Reichsversicherungsordnung (RVO) mit der Begründung abgelehnt habe, das dem Unfall vorausgehende Tun des Versicherten sei als Teil eines arbeitsteiligen Gesamtvorgangs zu sehen, der in einem betrieblichen Zusammenhang gestanden habe und damit im Rahmen der Tätigkeit des Unternehmens erfolgt sei. Damit habe es im Widerspruch zu der genannten Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt, daß hier spätestens zu dem Zeitpunkt eine bei der rechtlichen Wertung zu berücksichtigende deutliche Zäsur eingetreten sei, als der Versicherte sich nicht mehr um die Bergung des Hängers gekümmert habe, sondern ausschließlich um die Absicherung des fließenden Verkehrs. Auch insoweit legen die Beschwerdeführerinnen keine einander widersprechenden abstrakten Rechtssätze aus der Entscheidung des BSG und dem angefochtenen Berufungsurteil dar, sondern sie rügen wiederum, das LSG habe die in der Entscheidung des BSG entwickelten Grundsätze nicht bzw unzutreffend angewandt und damit im vorliegenden Einzelfall eine unrichtige Entscheidung getroffen. Dies kann nicht zur Zulassung der Revision führen.
Auch soweit die Beschwerdeführerinnen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend machen, legen sie das Vorliegen dieses Zulassungsgrundes nicht in schlüssiger Weise dar. Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG diese grundsätzliche Bedeutung aufgezeigt werden. Sie ist gegeben, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Es muß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen sein, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht – ausreichend – geklärt ist (siehe ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 sowie Beschluß des Senats vom 12. Mai 1998 – B 2 U 102/98 B –). Demgemäß muß der Beschwerdeführer, der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen hat, dartun, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNrn 65 und 66; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNrn 116 ff). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Beschwerdeführerinnen halten folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:
„Schließt die Hilfeleistung eines Unternehmers bei der Bergung eines Kraftfahrzeuges seines Betriebes auf einer öffentlichen Straße den Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1. Ziffer 9a RVO aus?
Gilt dieser Ausschluss auch dann, wenn der Unternehmer zufällig, auf einer Privatfahrt, an die Unglücksstelle gelangt und er im Rahmen der Hilfeleistungen lediglich damit beschäftigt ist, den Verkehr durch Zeichengebung um die dunkle Unfallstelle herumzuleiten und damit Schaden von anderen Verkehrsteilnehmern abzuwenden?”
Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache mangelt es bereits an einer Auseinandersetzung mit der vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem von ihnen angesprochenen Problem. Die Beschwerdeführerinnen tragen insoweit lediglich vor, im Hinblick auf die im Rahmen der Divergenzrüge zitierten Entscheidungen des BSG werde „deutlich, dass zu diesem Fragenkomplex zwar bereits mehrfach BSG-Entscheidungen ergangen sind”, wobei das BSG aber mit den – im einzelnen aufgeführten – Urteilen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen „in den Wertungsfragen” gelangt sei und daß „mithin insoweit ein Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung” bestehe. Dies reicht für die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit indes nicht aus. Die Beschwerdeführerinnen hätten im einzelnen dartun müssen, inwieweit die einzelnen genannten Entscheidungen – sofern noch aktuell – voneinander abweichen und inwieweit eine „einheitliche Rechtsprechung” im Hinblick darauf erforderlich und möglich sei.
Auch mit ihrem Vortrag, das BSG habe sich „noch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit bei der Bergung eines verunfallten Unternehmerfahrzeuges, bei welchem der Unternehmer rein zufällig privat hinzukommt und bei der er lediglich gefahrabwendende Maßnahmen für den allgemeinen Verkehr ergreift – zu einem Ausschluss des Versicherungsschutzes nach § 539 Abs. 1 Ziffer 9a RVO allein mit dem Argument führen kann, der betriebliche Bezug sei deshalb nicht untergeordnet, weil es sich um ein Betriebsfahrzeug handele, welches zu bergen ist”, haben die Beschwerdeführerinnen die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen nicht weiter dargelegt und auch keine weitere klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen. Da es sich bei diesem Vortrag lediglich um eine allein von den Umständen des vorliegenden Einzelfalls bestimmte Kurzfassung des der Entscheidung des LSG zugrundeliegenden Sachverhalts mit der Frage nach dessen rechtlicher Wertung handelt, hätte zunächst dargetan werden müssen, inwieweit hier eine Rechtsfrage gestellt wird, deren Entscheidung über den Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt, an deren Beantwortung also ein allgemeines Interesse besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 60; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 106). Dies haben sie indes versäumt.
Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen