Verfahrensgang

SG Hannover (Entscheidung vom 12.10.2021; Aktenzeichen S 66 VE 43/18)

LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 27.12.2022; Aktenzeichen L 10 VE 50/21)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. Dezember 2022 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger begehrt im Wege des Überprüfungsverfahrens die Anerkennung von Gesundheitsschäden infolge von Strahlenbelastung während seiner 12-jährigen Dienstzeit bei der Bundeswehr als Wehrdienstbeschädigung und entsprechende Entschädigungsleistungen.

Mit Urteil vom 27.12.2022 hat das LSG wie vor ihm die Beklagte und das SG einen Anspruch verneint. Leistungen nach § 85 Soldatenversorgungsgesetz könnten wegen der Sperrwirkung des § 44 Abs 4 SGB X nicht mehr erstritten werden. Der Senat habe bereits in seiner Entscheidung vom 25.2.2016 darauf hingewiesen, dass die vom Kläger vorgenommenen Dosisberechnungen nicht plausibel seien. Selbst aber wenn man ein Überschreiten der maßgeblichen Dosiswerte unterstellen würde, könnte dies nicht zum Erfolg führen, weil die beim Kläger vorliegenden Erkrankungen nach den Ermittlungen der Radarkommission nicht strahleninduziert seien.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Das LSG habe verfahrensfehlerhaft gehandelt und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil weder der behauptete Verfahrensmangel noch eine grundsätzliche Bedeutung ordnungsgemäß dargetan worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

1. Den behaupteten Verstoß des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht aus § 103 SGG hat der Kläger nicht hinreichend substantiiert bezeichnet.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Fall des Klägers darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden.

Der Kläger hat - anders als rechtlich geboten - bereits den Sachverhalt, der dem angefochtenen Urteil des LSG zugrunde liegt, nicht hinreichend substantiiert mitgeteilt. Seine Beschwerdebegründung macht zwar umfangreiche tatsächliche Ausführungen in der Art einer Berufungsschrift, sie geht aber nicht in geordneter und nachvollziehbarer Weise auf den Inhalt der Entscheidung des LSG und insbesondere auch nicht auf die von diesem festgestellten Tatsachen ein. Ein Verfahrensmangel wird jedoch nur dann iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG hinreichend bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das BSG als Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht (stRspr; zB BSG Beschluss vom 7.5.2020 - B 9 SB 8/20 B - juris RdNr 5 mwN). Demgegenüber ist es nicht Aufgabe des BSG, sich den maßgeblichen Sachverhalt aus den Akten oder der angegriffenen Entscheidung des LSG selbst herauszusuchen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 28.9.2021 - B 9 SB 12/21 B - juris RdNr 5 mwN).

Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel zudem auf die vom Kläger gerügte Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§ 103 SGG), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist. Dafür muss nicht nur die Stellung des Antrags, sondern auch aufgezeigt werden, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte Beweis erhoben werden sollte. Denn Merkmal eines substantiierten Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache. Diese ist möglichst präzise und bestimmt zu behaupten. Zudem ist zumindest hypothetisch zu umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben hätte. Nur dies versetzt die Vorinstanz in die Lage, die Entscheidungserheblichkeit eines Antrags zu prüfen und gegebenenfalls seine Ablehnung iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ausreichend zu begründen. Unbestimmte oder unsubstantiierte Beweisanträge brauchen dem Gericht dagegen keine Beweisaufnahme nahezulegen (BSG Beschluss vom 22.9.2022 - B 9 SB 8/22 B - juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 2.6.2017 - B 9 V 16/17 B - juris RdNr 6).

Ausführungen zu einem prozessordnungsgemäßen und bis zuletzt aufrecht erhaltenen Beweisantrag in der Berufungsinstanz macht die Beschwerdebegründung aber nicht. Allein ihr Hinweis auf angeblich unterlassene Ermittlungen reicht insoweit nicht aus. Ebenso wenig ergibt sich ein Beweisantrag aus dem angefochtenen Urteil.

2. Ebenfalls nicht dargelegt hat der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher unter Berücksichtigung des anwendbaren Rechts und der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 27.8.2020 - B 9 V 5/20 B - juris RdNr 6 mwN).

Diese Anforderungen verfehlt die Beschwerde schon deshalb, weil der Kläger keine hinreichend konkrete Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten, genau bezeichneten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht formuliert (vgl hierzu BSG Beschluss vom 30.9.2021 - B 9 V 25/21 B - juris RdNr 7) und sich deshalb erst recht nicht damit auseinandergesetzt hat, ob sich diese mithilfe der vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung beantworten lässt.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

4. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Kaltenstein

Ch. Mecke

Röhl

 

Fundstellen

Dokument-Index HI16079323

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