Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache. Elterngeld. Berücksichtigung einer Sparkassen-Sonderzahlung als Einkommen. Klärungsbedürftigkeit. Auseinandersetzung mit § 2c Abs 1 BEEG, Lohnsteuerrichtlinien und vorhandener höchstrichterlicher Rechtsprechung. Darlegungsanforderungen
Orientierungssatz
Wirft der Beschwerdeführer einer Nichtzulassungsbeschwerde die Frage auf, ob stichtagsbezogene Sonderzahlungen (hier eine Sparkassen-Sonderzahlung für geleistete Arbeit und bestehende Betriebstreue) als Einkommen gemäß § 2c Abs 1 BEEG anzusehen sind, muss er sich im Rahmen der Beschwerdebegründung damit auseinandersetzen, ob unter Berücksichtigung der genannten Vorschrift (insbesondere vor dem Hintergrund deren abweichenden Gehalts gegenüber der früheren Regelung in § 2 Abs 7 S 2 BEEG idF vom 5.12.2006) sowie der Lohnsteuerrichtlinien und im Hinblick auf die bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung zur Heranziehung von sonstigen Bezügen (vgl BSG vom 29.8.2012 - B 10 EG 20/11 R = SozR 4-7837 § 2 Nr 18, vom 26.3.2014 - B 10 EG 14/13 R = BSGE 115, 198 = SozR 4-7837 § 2 Nr 25 und vom 29.6.2017 - B 10 EG 5/16 R = SozR 4-7837 § 2 Nr 32) noch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gegeben sein könnte.
Normenkette
BEEG § 2c Abs. 1 S. 2, § 2 Abs. 7 S. 2 Fassung: 2006-12-05, S. 2 Fassung: 2010-12-09; EStG § 38 Abs. 1 S. 3, § 39b Abs. 2-3; LStR R 39b.2 Abs. 2 S. 2 Nr. 5; LStR 2015 R 39b.2 Abs. 2 S. 2 Nr. 5; LStR R 39b.2 Abs. 2 S. 2 Nr. 7; LStR 2015 R 39b.2 Abs. 2 S. 2 Nr. 7; BGB § 611; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 18. Mai 2017 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I. Mit Urteil vom 18.5.2017 hat das Thüringer LSG einen Anspruch der Klägerin auf höheres Elterngeld ihrer am 11.10.2012 geborenen Tochter unter Einbeziehung von einer Sparkassen-Sonderzahlung (mit Teilauszahlungen im November 2011 sowie im Januar und April 2012) verneint, weil diese bei der Berechnung des Bemessungsentgelts nicht mit zu berücksichtigen seien. Der tarifvertragliche Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Sparkassen-Sonderzahlung entstehe nur einmal im Jahr, dh bei Betriebszugehörigkeit im Dezember. Die Auszahlung erfolge dann in drei Teilen. Die tarifvertragliche Regelung stelle klar, dass der Anspruch auf Sonderzahlung regelmäßig nur dann bestehe, wenn der jeweilige Arbeitnehmer noch im Unternehmen tätig sei. Es handele sich somit nicht allein um einen Anspruch auf eine Gegenleistung für erbrachte Arbeit, sondern vielmehr auch um eine Treueprämie, deren Höhe sich nach der Betriebszugehörigkeit bestimme.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt, die sie mit dem Bestehen einer Abweichung (Divergenz) sowie einer grundsätzlichen Bedeutung begründet.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ist ordnungsgemäß dargetan worden.
1. Eine Abweichung (Divergenz) iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt nur dann vor, wenn das LSG mit einem genau bestimmten entscheidungserheblichen Rechtssatz in seinem angegriffenen Urteil von einer genau bestimmten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 21, 29, 54). Dazu genügt es nicht darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entspricht, die etwa das BSG oder das BVerfG aufgestellt hat, sondern es ist aufzuzeigen, inwiefern das LSG diesen Kriterien ausdrücklich widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl dazu BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 67; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26). Zudem ist anzugeben, inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruhen kann (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 54, 67).
Diesen Anforderungen hat die Klägerin bereits nicht hinreichend Rechnung getragen. Zwar behauptet sie eine Abweichung des LSG von den Urteilen des BSG vom 29.8.2012 (B 10 EG 20/11 R) und vom 26.3.2014 (B 10 EG 14/13 R) und zitiert hierzu Auszüge aus den Entscheidungen des BSG. Von diesen Entscheidungen weiche das LSG ab und beachte diese nicht bzw verstoße gegen diese, weil es die von der Klägerin erhaltenen drei Zahlungen lediglich aufgrund der Stichtagsregelung als Treueprämie bezeichne. Mit diesem Vorbringen kritisiert die Klägerin tatsächlich jedoch die Rechtsanwendung des LSG im konkreten Einzelfall und unterstellt dem LSG lediglich eine Abweichung von der Rechtsprechung des BSG. Die Klägerin legt gerade nicht dar, dass das LSG eine eigene, die Entscheidung tragende Rechtsansicht in Abweichung von der des BSG getroffen hat. Tatsächlich hat sich das LSG gerade auf die Rechtsprechung des BSG mit Urteil vom 26.3.2014 (B 10 EG 14/13 R - BSGE 115, 198 = SozR 4-7837 § 2 Nr 25, SozR 4-7410 § 39b Nr 1) bezogen und sich dieser Rechtsprechung angeschlossen. Damit hat das LSG zu keinem Zeitpunkt den Kriterien des BSG zur Berücksichtigung von Sonderzahlungen (wie zB auch beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld) bei der Berechnung des Bemessungsentgelts widersprochen oder gar eigene Kriterien für deren Definition entwickelt. Ob das LSG im Einzelfall richtig entschieden hat, ist nicht zulässiger Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
2. Soweit die Klägerin als weiteren Zulassungsgrund der Revision eine grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG rügt, so liegt auch dieser Zulassungsgrund nicht vor. Grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1.) eine bestimmte Rechtsfrage, (2.) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3.) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4.) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung. Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung ebenfalls nicht.
Die Klägerin hält folgende Frage für eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung:
"Sind Lohn- und Gehaltsbestandteile, die tarifvertraglich als Sonderzahlung benannt und vereinbart sind, zu verschiedenen Zeitpunkten im Jahr ausgezahlt werden, deren Höhe sich einmal individuell leistungsbezogen und einmal als unternehmensbezogen errechnet und der Anspruch des Arbeitnehmers darauf nach einer Stichtagsregelung von seiner Zugehörigkeit zum Unternehmen abhängt, wie unterjährig mehr als einmal zufließende Provisionen zu behandeln und damit Einkommen gemäß § 2c Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz?"
Ungeachtet dessen, ob die Klägerin mit dieser Frage bereits eine ausreichende Rechtsfrage aufgeworfen hat, hat sie indes deren höchstrichterliche Klärungsbedürftigkeit nur behauptet, nicht jedoch schlüssig dargelegt. Hierzu hätte sie im Einzelnen darstellen müssen, inwiefern die Rechtsfrage vom BSG noch nicht entschieden ist (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65) und warum sich für die Beantwortung der Frage nicht bereits ausreichend Anhaltspunkte in vorliegenden Entscheidungen finden lassen (vgl BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 und § 160 Nr 8). So fehlt es bereits an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der von der Klägerin selbst genannten Rechtsprechung des BSG zur Berücksichtigung sonstiger Bezüge bei der Ermittlung des maßgeblichen Einkommens für das Elterngeld (vgl BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 25 ff; BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 20/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 18, SozR 4-7837 § 4 Nr 4; BSG Urteil vom 26.3.2014 - B 10 EG 14/13 R - BSGE 115, 198 = SozR 4-7837 § 2 Nr 25, SozR 4-7410 § 39b Nr 1). Insoweit hat das BSG ua entschieden, dass aufgrund des früher in § 2 Abs 7 S 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) enthaltenen eindeutigen Verweises auf die steuerrechtliche Vorschrift des § 38a Abs 1 S 3 Einkommensteuergesetz (EStG) folge, dass zu den sonstigen Bezügen, die bei der Bestimmung des für die Berechnung des Elterngeldanspruchs maßgeblichen Einkommens unberücksichtigt bleiben, grundsätzlich auch das ausgezahlte Urlaubs- und Weihnachtsgeld gehören und dass dieser Wille des Gesetzgebers zwischenzeitlich in der zum 1.1.2011 erfolgten Änderung des § 2 Abs 7 S 2 BEEG durch Art 14 Nr 2 Buchst c, Doppelbuchst bb des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 - HBeglG 2011 - vom 9.12.2010 (BGBl I 1885) seinen Niederschlag gefunden hat. Denn der bis dahin geltende Verweis auf § 38a Abs 1 S 3 EStG wurde durch folgenden Wortlaut ersetzt: "Im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen werden nicht berücksichtigt". Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass damit die Auswirkungen der Rechtsprechung des Senats in seinem Urteil vom 3.12.2009 (B 10 EG 3/09 R) korrigiert werden sollten, mit der Folge, dass künftig sonstige Bezüge iS des § 38a Abs 1 S 3 und § 39b EStG als Einnahmen bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage des Elterngeldanspruchs unberücksichtigt bleiben, um eine verwaltungspraktikable Feststellbarkeit der maßgeblichen Bezüge sicherzustellen (BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 20/11 R, aaO, RdNr 58 und 62 mwN). Des Weiteren hat der Senat mit Entscheidung vom 26.3.2014 (B 10 EG 14/13 R, aaO) ausgeführt, dass § 2 Abs 7 S 2 BEEG aF (jetzt § 2c Abs 1 S 2 BEEG) an die lohnsteuerrechtliche Differenzierung zwischen der Einbehaltung der Lohnsteuer vom laufenden Arbeitslohn (§ 39b Abs 2 EStG) und von sonstigen Bezügen (§ 39b Abs 3 EStG) anknüpft. Sonstiger Bezug ist nach den Lohnsteuerrichtlinien (LStR) R 39b.2 Abs 2 S 1 Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird. Zu den sonstigen Bezügen gehören nach R 39b.2. Abs 2 S 2 LStR insbesondere auch Urlaubsgelder, die nicht fortlaufend gezahlt werden, und Weihnachtszuwendungen. Damit macht der Gesetzgeber deutlich, dass er derartige Zahlungen nicht in die Elterngeldberechnung aufnehmen will (vgl B 10 EG 14/13 R, aaO, RdNr 22, 32 und 37 mwN). Insoweit hätte sich die Klägerin damit auseinandersetzen müssen, ob hinsichtlich der in ihrem Fall betroffenen Sonderzahlungen unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 2c BEEG sowie der LStR unter Berücksichtigung der Rechtsprechung noch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gegeben sein könnte. Nur klarstellend sei darauf hingewiesen, dass sich der erkennende Senat zwischenzeitlich erneut im Sinne fehlender Berücksichtigungsfähigkeit von Sonderzahlungen geäußert hat (vgl BSG Urteil vom 29.6.2017 - B 10 EG 5/16 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
4. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11385803 |