Verfahrensgang

SG Chemnitz (Entscheidung vom 03.07.2021; Aktenzeichen L 5 R 595/20)

Sächsisches LSG (Urteil vom 07.09.2020; Aktenzeichen S 17 R 727/19)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 13. Juli 2021 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger begehrt Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Die Beklagte lehnte seinen Antrag mit Bescheid vom 11.6.2019 und Widerspruchsbescheid vom 28.8.2019 ab. Das SG hat nach Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte und eines Sachverständigengutachtens die Klage mit Gerichtsbescheid vom 7.9.2020 abgewiesen. Das LSG hat eine ergänzende Stellungnahme des vom SG gehörten Sachverständigen eingeholt und mit Urteil vom 13.7.2021 die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger zunächst Revision und hilfsweise Beschwerde beim BSG eingelegt. Nach einem Hinweis des Senats hat der Kläger ausdrücklich das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde "ohne Bedingung" eingelegt.

II

Der Senat geht davon aus, dass nur noch über das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde zu entscheiden ist. Nach dem eindeutigen Tenor der angefochtenen Entscheidung war die Revision nicht zugelassen. Die Rechtsmittelbelehrung nannte dementsprechend die Nichtzulassungsbeschwerde als zulässiges Rechtsmittel (vgl zu Umdeutung und Auslegung von Rechtsmitteln BSG Urteil vom 20.5.2003 - B 1 KR 25/01 R - SozR 4-1500 § 158 Nr 1 RdNr 11 ff; BSG Beschluss vom 16.6.2020 - B 10 ÜG 1/20 R - juris RdNr 3 ff). Allein auf die - fristgerecht erneut und unbedingt eingelegte - Nichtzulassungsbeschwerde hat sich zu Recht auch die Begründung des Klägers bezogen.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist jedoch unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Die Beschwerdebegründung legt keinen Zulassungsgrund iS des § 160 Abs 2 SGG in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dar. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§ 103 SGG), so muss sie zunächst einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist. Dafür muss nicht nur die Stellung des Antrags, sondern auch aufgezeigt werden, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte Beweis erhoben werden sollte. Es ist zudem zumindest hypothetisch zu umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben hätte. Nur ein solcher Vortrag versetzt die Vorinstanz in die Lage, die Entscheidungserheblichkeit des Antrags zu prüfen und gegebenenfalls seine Ablehnung iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ausreichend zu begründen. Darüber hinaus ist mit der Nichtzulassungsbeschwerde darzulegen, warum das Gericht objektiv gehalten gewesen ist, den Sachverhalt weiter aufzuklären und den beantragten Beweis zu erheben. Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Der Kläger trägt vor, er habe mit Schreiben vom 15.4.2021 beantragt, den Orthopäden T "im Rahmen der Beweiserhebung anzuhören bzw. bei diesem eine Stellungnahme einzuholen", weil dessen Aussagen den Bewertungen des vom SG bestellten Sachverständigen widersprächen. Anders als der Sachverständige gehe der behandelnde Arzt von therapieresistenten Schmerzen und "schweren Krankheitszeichen" aus. Er habe deutliche Funktionseinschränkungen sowohl im Bereich der Halswirbelsäule als auch der Lendenwirbelsäule diagnostiziert und röntgenologisch sichtbare schwere degenerative Veränderungen bestätigt. Es ist bereits zweifelhaft, ob der Kläger damit einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag bezeichnet hat (vgl zu den Anforderungen an eine Sachaufklärungsrüge zB BSG Beschluss vom 6.10.2021 - B 5 R 147/21 B - juris RdNr 7 f). Er hat jedenfalls nicht hinreichend dargelegt, einen Beweisantrag noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten zu haben (vgl dazu zB BSG Beschluss vom 26.5.2021 - B 13 R 219/20 B - juris RdNr 6). Der Kläger behauptet dies zwar, bleibt einen Beleg jedoch schuldig. Ein in der Berufungsinstanz bereits anwaltlich vertretener Beteiligter kann aber nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt (stRspr, zB BSG Beschluss vom 21.2.2018 - B 13 R 28/17 R, B 13 R 285/17 B - juris RdNr 14; BSG Beschluss vom 31.10.2012 - B 13 R 107/12 B - SozR 4-2600 § 43 Nr 19 RdNr 20 - 23 mwN). Beides hat der Kläger nicht vorgebracht.

2. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl 2020, § 160a RdNr 32 ff).

Der Kläger stellt die Frage:

"Ist eine Stellungnahme einer medizinischen Fachkraft (z.B. Diplom-Ergotherapeutin), welche keine Zulassung als Arzt hat, grundsätzlich ungeeignet gutachterliche Feststellungen eines zugelassenen Arztes (z.B. Orthopäde) in Zweifel zu ziehen?"

Der Kläger wirft damit schon keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung zu revisiblem Recht iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG auf. Welchen Beweiswert ein Gericht den im Verfahren vorgelegten Urkunden beimisst, ist regelmäßig Bestandteil der Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG), die § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG der Beurteilung durch das BSG im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vollständig entzieht. Unabhängig davon fehlt es an jedem Vortrag dazu, aufgrund welcher dort aufgeführten Tatsachen und inwiefern die Berücksichtigung der Stellungnahme der Ergotherapeutin hier zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis hätten führen können. Allein die in der Beschwerdebegründung wiedergegebene Einschätzung der Therapeutin, "dass dem Kläger zur Erhaltung seiner Arbeitsfähigkeit eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme ermöglicht werden muss", ist für die Darlegung der Klärungsfähigkeit nicht ausreichend.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15052522

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