Verfahrensgang
LSG Mecklenburg-Vorpommern (Beschluss vom 11.03.1997) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluß des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 11. März 1997 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Beschluß des Landessozialgerichts (LSG) gerichtete Beschwerde des Klägers ist zurückzuweisen. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
Der Beschwerdeführer macht zur Begründung als Verfahrensmängel gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Verletzungen des § 136 Abs 1 Nr 6 SGG geltend. Der angefochtenen Entscheidung fehlten die Entscheidungsgründe; hilfsweise komme der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu:
Das LSG habe in seiner Entscheidung gemäß § 153 Abs 2 SGG zur Begründung auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe Bezug genommen und sie – nach Überprüfung – zum Gegenstand seiner eigenen Rechtsfindung gemacht. Das Sozialgericht (SG) habe aber in den in Bezug genommenen Entscheidungsgründen die Umdeutung des Ausgangsbescheides in eine Zurücknahme des Anerkennungsbescheides vom 4. November 1990 der Kreisverwaltung der Sozialversicherung Rostock gemäß § 43 Abs 1 des Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch (SGB X) als zulässig erachtet. Das SG, auf dessen Entscheidungsgründe das LSG Bezug nehme, habe sich jedoch der Begründung entzogen, warum der fehlerhafte Verwaltungsakt iS von § 43 SGB X im Zeitpunkt der Umdeutung trotz § 43 Abs 2 Satz 2 SGB X zurückgenommen hätte werden dürfen. Eine Umdeutung sei nur in einen Verwaltungsakt möglich, der auch noch im Zeitpunkt der Umdeutung von der Behörde so hätte erlassen werden können. Hierzu enthalte weder der Beschluß des LSG noch das Urteil des SG eine Begründung. Für die Entscheidung des LSG sei es aber entscheidungserheblich gewesen, daß die Beklagte im Widerspruchsbescheid ihren fehlerhaften Verwaltungsakt rechtmäßig habe umdeuten dürfen.
Die Entscheidung leide noch an einem weiteren Begründungsmangel. Denn gemäß § 43 Abs 4 SGB X sei vor einer Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsaktes gemäß § 24 SGB X der Betroffene anzuhören. Das LSG habe in seinen Beschlußgründen zwar bekräftigt, daß die Anhörung des Klägers im Rahmen der Ermessensentscheidung des § 45 SGB X nicht zu beanstanden sei. Das LSG habe jedoch keine Aussage darüber getroffen, weshalb die Beklagte im Rahmen von § 43 SGB X auf die in Abs 4 geforderte Anhörung habe verzichten dürfen. Auch hierzu habe sich das LSG einer Begründung nicht entziehen dürfen.
Dieser Vortrag des Beschwerdeführers kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Nach § 136 Abs 1 Nr 6 SGG enthält das Urteil ua „die Entscheidungsgründe”. Gemäß § 313 Abs 3 der Zivilprozeßordnung (ZPO), der nach § 202 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden ist (Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl § 136 RdNr 7), enthalten die Entscheidungsgründe eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht. Dabei müssen die Entscheidungsgründe derart ausführlich sein, daß die höhere Instanz das Urteil überprüfen kann (BVerfGE 51, 126, 129). § 136 Abs 1 Nr 6 SGG, den der Kläger hier als verletzt ansieht, bezweckt demgemäß die Möglichkeit der Kenntnisnahme derjenigen maßgebenden gerichtlichen Erwägungen, auf denen die gerichtliche Überzeugung beruht (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Ein Verstoß gegen die Verpflichtung des Gerichts, sein Urteil mit Entscheidungsgründen zu versehen, hat mit der Frage nach der Richtigkeit der dargelegten Gründe nichts zu tun (vgl hierzu BSG SozR 1500 § 136 Nr 10; BSG, Beschluß vom 22. März 1982 – 2 BU 35/82 –; BGH NJW 1981, 1045, 1046).
Soweit der Kläger die Auffassung vorträgt, der angefochtene Beschluß hätte auf seine Rechtsauffassung eingehen müssen, wonach nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB X eine Umdeutung des Verwaltungsaktes als unzulässig ausgeschlossen sei, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte, so rügt er in Wahrheit die materielle Rechtsauffassung des LSG. Erachtet nämlich ein Gericht die Voraussetzungen des § 43 Abs 2 Satz 2 SGB X nicht für gegeben, so scheidet damit in aller Regel die Anwendbarkeit des § 43 SGB X von vornherein aus. Unter diesen Umständen hält der Kläger den angefochtenen Beschluß inhaltlich wegen der Anwendung des § 43 SGB X für unrichtig. Hierauf kann aber, wie dargelegt, im Beschwerdeverfahren der Verfahrensmangel nicht gestützt werden.
Gleiches gilt für den Vortrag des Klägers, der angefochtene Beschluß hätte in der Begründung auf die seiner Auffassung nach gemäß § 43 Abs 4 SGB X erforderliche Anhörung gemäß § 24 SGB X eingehen müssen. Die im Rahmen von § 45 SGB X erfolgte Anhörung reiche dafür nicht aus. Auch hierbei rügt der Kläger wiederum in Wahrheit die materielle Rechtsauffassung des LSG. Er hält wiederum den angefochtenen Beschluß wegen der Anwendung des § 43 SGB X für unrichtig. Im Beschwerdeverfahren ist dies aber, wie aufgezeigt, unzulässig. Unter diesen Umständen hat der Kläger in seiner Beschwerdebegründung nicht hinreichend schlüssig dargelegt, daß der angefochtene Beschluß keine Entscheidungsgründe enthalte.
Soweit der Kläger hilfsweise die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, kann dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen.
Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das ist nur dann anzunehmen, wenn die vom Kläger angeführte Rechtsfrage für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits im angestrebten Revisionsverfahren klärungsbedürftig, klärungsfähig und entscheidungserheblich ist (BSG SozR 1500 § 160 Nrn 53 und 54; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, 1997, RdNr 63). Hier hält der Kläger für klärungsbedürftig die Rechtsfrage, ob „ein fehlerhafter Verwaltungsakt nach § 43 Abs 1 SGB X, dessen Ziel es ist, einen Bescheid nach § 45 Abs 1 SGB X (rechtswidrig, begünstigend) für die Zukunft aufzuheben, im Widerspruchsbescheid in einen fehlerfreien Verwaltungsakt umgedeutet werden” kann, „wenn zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides die Frist des § 45 Abs 3 Satz 1 SGB X abgelaufen ist”. Es kann dahinstehen, ob der Beschwerdeführer damit im Kern nicht die – nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zulässige – Rüge einer fehlerhaften Beweiswürdigung nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG erhebt. Denn die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht mehr klärungsbedürftig iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG. Zu dieser Frage ist bereits Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vorhanden (vgl BSG SozR 1300 § 43 Nr 1; SozR 3-1300 § 48 Nr 25). Der Kläger hat nicht angegeben, inwieweit diese Rechtsprechung einer weiteren Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung bedarf.
Die Beschwerde war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen