Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Auslegung landesrechtlicher Vorschriften über den Krankenhausplan. keine Revisibilität
Orientierungssatz
1. Die Auslegung der landesrechtlichen Vorschriften über den Krankenhausplan unterliegt nur in den durch § 162 SGG vorgegebenen Grenzen einer revisionsgerichtlichen Kontrolle. Für eine eigene Auslegung von Landesrecht durch die Revisionsinstanz besteht danach kein Raum, soweit das LSG das Landesrecht selbst ausgelegt hat, die Auslegung des LSG kein Bundesrecht verletzt, kein nach § 162 SGG revisibles Landesrecht vorliegt oder das LSG nicht das grundgesetzliche Willkürverbot verletzt hat (vgl zB BSG vom 19.6.2018 - B 1 KR 32/17 R = BSGE 126, 87 = SozR 4-2500 § 108 Nr 5, RdNr 14 ff mwN).
2. Jenseits der allgemeinen Regeln wie etwa den Auslegungsregeln über die Auslegung von Feststellungsbescheiden über die Aufnahme eines Krankenhauses in den Krankenhausplan aus dem Empfängerhorizont und der Achtung des Willkürverbots gibt es keine speziellen bundesrechtlichen Vorgaben, die für das Krankenhausplanungsrecht der Länder bestimmte Fachgebietszuordnungen gebieten würden (vgl BSG vom 19.6.2018 - B 1 KR 32/17 R aaO).
Normenkette
SGG § 160a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 162
Verfahrensgang
SG Leipzig (Urteil vom 02.02.2016; Aktenzeichen S 8 KR 493/14) |
Sächsisches LSG (Urteil vom 02.12.2020; Aktenzeichen L 1 KR 135/16) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 2. Dezember 2020 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 4234,77 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die klagende Krankenhausträgerin ist mit ihrem Begehren auf Verurteilung der beklagten Krankenkasse (KK) zur Vergütung der stationären Behandlung eines Versicherten der KK im Jahr 2010 in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Krankenhaus war zum Zeitpunkt der Behandlung in den damals maßgeblichen Krankenhausplan des Freistaats Sachsen vom 9.12.2008 als Fachkrankenhaus - soweit hier von Interesse - für "Kinder- und Jugendmedizin inklusive Kinderpsychosomatik" aufgenommen (Teil II Abschnitt A Nr 330). Nach Teil I Ziffer 3.2 des Krankenhausplans werden "bei den im Krankenhausplan, Teil II, angeführten Krankenhäusern (…) die Fachgebiete in Anlehnung an die Weiterbildungsordnung der Sächsischen Landesärztekammer vom 26.11.2005 in der Fassung der Änderungssatzung vom 23.11.2007 angegeben". Nach Teil I Ziffer 4.3.4 werden "in Fachkrankenhäusern (…) in der Regel Fachgebiete wie Psychiatrie und Psychotherapie und Neurologie vorgehalten". Nach Teil I Ziffer 2.2 sind "Betten der Fachgebiete Psychiatrie und Psychotherapie, Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sowie Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (…) separat ausgewiesen". Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung - teilweise unter Bezugnahme auf das SG-Urteil - ausgeführt: Das Krankenhaus habe keinen Anspruch auf Vergütung der vollstationären Krankenhausbehandlung des Versicherten, weil im Vordergrund dieser Behandlung Beschwerden auf kinder- und jugendpsychiatrischem Fachgebiet gelegen hätten, für die dem Krankenhaus damals der Versorgungsauftrag gefehlt habe. Der Krankenhausplan unterscheide zwischen somatischen Fachgebieten, zu denen die Kinder- und Jugendmedizin zähle, und den vom Krankenhausentgeltgesetz ausgenommenen (psychiatrischen) Fachgebieten (Teil I Ziffer 4.4.1) und betone, dass Betten der Fachgebiete Psychiatrie und Psychotherapie, Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sowie Psychosomatische Medizin und Psychotherapie separat ausgewiesen würden (Teil I Ziffer 2.2). Vor diesem Hintergrund seien die Einzelangaben zum Krankenhaus der Klägerin in Teil II Abschnitt A Nr 330 zu verstehen. Danach sei ihrem Fachkrankenhaus von den psychiatrischen Fachgebieten allein die "Psychiatrie und Psychotherapie" und von den somatischen Fachgebieten die "Neurologie" sowie die Kinder- und Jugendmedizin", letztere "inklusive Kinderpsychosomatik" zugewiesen gewesen. Zwar sei das Fachgebiet der "Kinder- und Jugendmedizin" in der Weiterbildungsordnung (WBO) - auf die der Krankenhausplan verweise - allein durch eine altersbezogene Zuordnung der Patienten gekennzeichnet. Der Krankenhausplan sehe aber eine hiervon abweichende Regelung vor (Urteil vom 4.11.2020).
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II. Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
Die Klägerin formuliert folgende Rechtsfragen:
"Kann ein durch die Zuweisung eines Fachgebietes (Kinder- und Jugendmedizin) nach der Weiterbildungsordnung gegebener Versorgungsauftrag dadurch eingeschränkt werden, dass die Zuweisung eines anderen Fachgebietes (Kinder- und Jugendpsychiatrie) separat im Krankenhausplan eines Landes ausgewiesen werden muss, wenn die medizinischen Inhalte beider Fachgebiete teilweise identisch sind?
Kann die Versorgung eines Patienten zur Erkennung, Behandlung, Prävention, Rehabilitation und Nachsorge von körperlichen, neurologischen, psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, Verhaltensauffälligkeiten, Entwicklungsstörungen in einem Plankrankenhaus wahlweise sowohl in einem Krankenhaus mit dem Versorgungsauftrag 'Kinder- und Jugendmedizin' als auch in einem Krankenhaus mit dem Versorgungsauftrag 'Kinder- und Jugendpsychiatrie' erfolgen oder ist für eine solche stationäre Behandlung ausschließlich von einem dieser Versorgungsaufträge gedeckt?
Ist der Versorgungsauftrag eines Krankenhauses dahingehend aufzufassen, dass die Versorgung von bestimmten Patienten sowohl von dem einen als auch einem anderen Versorgungsauftrag umfasst ist oder schließt ein Versorgungsauftrag aus, dass die Behandlung des Patienten auch unter einem fachlich anderen Versorgungsauftrag erfolgen kann? Ist der Versorgungsauftrag in diesem Sinne ausschließlich?
Ist die stationäre Versorgung von Kindern- und Jugendlichen mit psychischen oder psychosomatischen Erkrankungen oder Verhaltensauffälligkeiten bzw. Entwicklungsstörungen in einem Krankenhaus auf der Grundlage der Zuweisung des Fachgebietes 'Kinder- und Jugendmedizin' in einem Krankenhausplan vom Versorgungsauftrag aufgrund dieser Fachgebietszuweisung vom Versorgungsauftrag umfasst oder bedarf es dazu einer gesonderten Zuweisung des Fachgebietes 'Kinder- und Jugendpsychiatrie'?
Kann der durch Zuweisung eines Fachgebietes nach der Weiterbildungsordnung bestimmte Versorgungsauftrag eines DRG-Plankrankenhauses dadurch eingeschränkt werden, dass die medizinischen Inhalte des Fachgebietes mit den medizinischen Inhalten eines anderen Fachgebietes in Teilen identisch sind und für ein anderes Fachgebiet eine gesonderte Zuweisung erfolgen muss?"
Sie legt jedoch die Klärungsfähigkeit dieser Fragen nicht hinreichend dar.
Grundsätzliche Bedeutung für eine Zulassung der Revision kann nur solchen Fragen zukommen, zu deren Klärung das Revisionsgericht berufen ist. Insoweit hätte die Klägerin darlegen müssen, ob und inwieweit die von ihr aufgeworfenen Fragen revisibles Recht betreffen, das einer Überprüfung im Revisionsverfahren zugänglich ist. Daran fehlt es.
Das LSG hat die Entscheidung, dass die Klägerin keinen Versorgungsauftrag für die Behandlung von Beschwerden auf kinder- und jugendpsychiatrischem Fachgebiet habe, maßgeblich darauf gestützt, dass der seinerzeitige Krankenhausplan des Freistaats Sachsen insoweit - abweichend von der WBO - eine separate Ausweisung vorgesehen habe. Die Auslegung der landesrechtlichen Vorschriften über den Krankenhausplan unterliegt nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats jedoch nur in den durch § 162 SGG vorgegebenen Grenzen einer revisionsgerichtlichen Kontrolle. Für eine eigene Auslegung von Landesrecht durch die Revisionsinstanz besteht danach kein Raum, soweit das LSG das Landesrecht selbst ausgelegt hat, die Auslegung des LSG kein Bundesrecht verletzt, kein nach § 162 SGG revisibles Landesrecht vorliegt oder das LSG nicht das grundgesetzliche Willkürverbot verletzt hat (vgl hierzu im Einzelnen zB BSG vom 19.6.2018 - B 1 KR 32/17 R - BSGE 126, 87 = SozR 4-2500 § 108 Nr 5, RdNr 14 ff mwN; BSG vom 23.6.2015 - B 1 KR 20/14 R - BSGE 119, 141 = SozR 4-2500 § 108 Nr 4, RdNr 17 ff mwN). Jenseits der allgemeinen Regeln wie etwa den Auslegungsregeln über die Auslegung von Feststellungsbescheiden über die Aufnahme eines Krankenhauses in den Krankenhausplan aus dem Empfängerhorizont (vgl hierzu zB OVG NRW vom 11.3.2011 - 13 A 1745/10 - juris RdNr 22) und der Achtung des Willkürverbots (vgl zB BSG vom 25.10.2016 - B 1 KR 9/16 R - SozR 4-5562 § 11 Nr 2 RdNr 27) gibt es keine speziellen bundesrechtlichen Vorgaben, die für das Krankenhausplanungsrecht der Länder bestimmte Fachgebietszuordnungen gebieten würden (vgl BSG vom 19.6.2018 - B 1 KR 32/17 R - BSGE 126, 87 = SozR 4-2500 § 108 Nr 5, RdNr 19 mwN). Hiermit setzt sich die Klägerin nicht auseinander und sie legt die Revisibilität des vom LSG angewandten Rechts anhand dieser Maßstäbe nicht dar.
Hierfür genügt insbesondere nicht der lapidare Verweis der Klägerin darauf, dass "die Bestimmung des Versorgungsauftrages (…) - wie in Deutschland überall - auch in Sachsen durch die Verweisung auf die Weiterbildungsordnung" erfolge. Denn die Klägerin setzt sich nicht damit auseinander, dass dies nur dann zur Revisibilität der landesrechtlichen Vorschriften führen kann, wenn die Regelungen bewusst und gewollt inhaltsgleich mit anderem Landesrecht sind (vgl zu Verweisungen auf die WBO zB BSG vom 23.6.2015 - B 1 KR 20/14 R - BSGE 119, 141 = SozR 4-2500 § 108 Nr 4, RdNr 17 f). Außerdem setzt sie sich nicht damit auseinander, dass das LSG hier gerade eine von den Fachgebietsinhalten nach der WBO abweichende Sonderregelung des Krankenhausplans angenommen hat.
Im Kern rügt die Klägerin lediglich die inhaltliche Unrichtigkeit des LSG-Urteils im Einzelfall. Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann aber nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG vom 17.7.2020 - B 1 KR 34/19 B - juris RdNr 6 mwN).
2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.
Schlegel Bockholdt Scholz
Fundstellen
Dokument-Index HI15098630 |