Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. Mai 2019 - L 19 AS 2029/18 - wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG), weil die zu ihrer Begründung angeführten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), der Divergenz der Entscheidung des LSG von der Rechtsprechung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG schlüssig dargelegt sind.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Nach den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG sich ergebenden Anforderungen muss ein Beschwerdeführer dazu anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Frage sich stellt, dass diese Rechtsfrage noch nicht geklärt ist, weshalb deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfragen erwarten lässt (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX RdNr 56 ff).
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Als grundsätzlich bedeutsam benennt sie in Zusammenhang mit der Bemessung des Gebührenanspruchs, den der Kläger als selbstständiger Rechtsanwalt in Vertretung eigener Verfahren erworben hat, Fragen zum Begriff der Angelegenheit iS von § 15 Abs 1 RVG sowie zu § 14 Abs 1 RVG wie folgt: "Bilden mehrere parallele Rechtsstreitigkeiten in jedem Fall jeweils gesonderte Angelegenheiten.", "ob der Abgeltungsbereich der Geschäftsgebühr dahin bestimmt werden kann, dass die Entgegennahme und Verarbeitung von Informationen für Vorverfahren und Klage paralleler ebenso wie die Anzahl der parallelen Rechtsstreitigkeiten zur Bestimmung des Abgeltungsbereichs ausgenommen werden kann oder ob nicht vielmehr genau das Gegenteil zwingend ist", "ob eine behördliche und/oder richterliche Überprüfung der vom Rechtsanwalt vorgenommenen Bemessung der Rahmengebühr nach § 14 Abs. 1 RVG darauf beschränkt ist, ob der Rechtsanwalt das ihm vom Gesetz eingeräumte Ermessen missbraucht hat" sowie "Ist das in § 14 RVG genannte Kriterium 'Bedeutung der Angelegenheit' so zu lesen: 'Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber'?"
Dass diese Fragen - soweit sie klärungsfähig sind - grundsätzlicher Klärung bedürfen, zeigt die Beschwerde nicht hinreichend auf. In der Rechtsprechung ist zu § 15 RVG bereits geklärt, dass es zur Frage, ob dieselbe Angelegenheit vorliegt, auf die Umstände des konkreten Einzelfalls sowie auf den Inhalt des erteilten Auftrags ankommt und darauf, ob zwischen den verschiedenen Gegenständen ein innerer Zusammenhang gegeben ist (vgl nur BSG vom 2.4.2014 - B 4 AS 27/13 R - SozR 4-1935 § 15 Nr 1 RdNr 15 mit Verweis ua auf BGH vom 21.6.2011 - VI ZR 73/10 - NJW 2011, 3167 mwN). Ebenso ist seit langem geklärt, dass dem Rechtsanwalt nach § 14 Abs 1 RVG bei Rahmengebühren wie der Geschäftsgebühr ein Ermessensspielraum von 20 % (sog Toleranzgrenze) zuzugestehen ist, der von Dritten wie von den Gerichten zu beachten ist (vgl nur BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 21/09 R - BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 19; vgl auch BGH vom 11.7.2012 - VIII ZR 323/11 - juris RdNr 10; BGH vom 5.2.2013 - VI ZR 195/12 - juris RdNr 8) und wie "Bedeutung der Angelegenheit" in grundsicherungsrechtlichen Streitigkeiten zu verstehen ist (vgl nur BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 21/09 R - BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 37). Inwiefern über diese Grundsätze hinaus weitere Fragen grundsätzlicher Bedeutung offen und im Verfahren hier entscheidungserheblich sind, zeigt die Beschwerde mangels näherer Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung nicht auf. Allein der Umstand, dass das LSG - wie sie meint - diese Maßstäbe unzutreffend angewandt hat, begründet eine solche Bedeutung nicht.
Auch eine Abweichung (Revisionszulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) ist nicht formgerecht bezeichnet. Dazu hat die Beschwerdebegründung einen Widerspruch im Grundsätzlichen oder ein Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze in der Entscheidung des LSG einerseits und in einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits aufzuzeigen und die in Bezug genommene Entscheidung so zu kennzeichnen, dass sie ohne Weiteres aufzufinden ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 67; SozR 4-1500 § 160 Nr 13). Dabei muss die Beschwerdebegründung deutlich machen, dass in der angefochtenen Entscheidung eine sie tragende Rechtsansicht entwickelt und nicht etwa nur ungenaue oder unzutreffende Rechtsausführungen oder ein Rechtsirrtum im Einzelfall die Entscheidung bestimmen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67). Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die obergerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zu Grunde zu legen haben wird (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 54 und 67).
Dem genügt das Beschwerdevorbringen nicht. Soweit es der Aussage des BSG "In den allermeisten Fällen werden jedoch, wie hier, schlechte Einkommens- und Vermögensverhältnisse mit einer überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit einhergehen, sodass eine Kompensation dieser Kriterien eintritt" (Verweis auf BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 21/09 R - BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 38) die aus der Entscheidung des LSG abgeleitete Formulierung "Jedes Bemessungskriterium des § 14 Abs. 1 RVG kann von jedem anderen Kriterium kompensiert werden" gegenüberstellt, ist damit schon keine Abweichung bezeichnet und jedenfalls nicht aufgezeigt, dass das LSG dem BSG im Grundsätzlichen widersprochen hätte, zumal sich das LSG dem Beschwerdevorbringen zufolge auf die Entscheidung des BSG vom 1.7.2009 gerade beruft.
Einen Verfahrensmangel macht die Beschwerde insbesondere nicht schlüssig geltend, soweit sie die Garantie des gesetzlichen Richters und in Zusammenhang damit der Anspruch auf rechtliches Gehör, der Grundsatz des Fair Trial und das Gebot effektiven Rechtsschutzes als verletzt ansieht, weil das LSG einem nachträglich erfahrenen Grund für die Ablehnung des erstinstanzlichen Richters nicht Rechnung getragen habe.
Dabei kann dahinstehen, ob das LSG von einer Zurückverweisung in die 1. Instanz im Hinblick auf die beschränkten Zurückverweisungsgründe nach § 159 Abs 1 Nr 2 SGG auch bei einem wesentlichen Verfahrensmangel absehen kann, solange eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme nicht notwendig ist (vgl nur BSG vom 18.10.1995 - 6 RKa 31/94 - SozR 3-2500 § 87 Nr 8 S 27) oder ob etwas anderes in Betracht zu ziehen sein kann, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, unter denen nach der Rechtsprechung des BSG ausnahmsweise eine Zurückverweisung in die Berufungsinstanz in Betracht kommt und die Zurückverweisung im Berufungsverfahren ausdrücklich beantragt (vgl nur BSG vom 9.9.1998 - B 6 KA 34/98 B - juris RdNr 6) worden war (vgl hierzu letztens BVerfG ≪Kammer≫ vom 21.11.2018 - 1 BvR 436/17 - NJW 2019, 505 RdNr 15).
Denn ungeachtet der Frage, ob die von der Beschwerde gerügte Mitteilung des Kammervorsitzenden an die Rechtsanwaltskammer, der Kläger prozessiere "in einer Vielzahl von Fällen" in eigener Sache gegen den Beklagten, geeignet war, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 60 Abs 1 SGG iVm § 42 Abs 2 ZPO), war der Kammervorsitzende mangels Ablehnung bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens nicht deswegen von der Ausübung des Amtes als Richter ausgeschlossen. Letzter Zeitpunkt für die Geltendmachung von Ablehnungsgründen ist nach der Rechtsprechung des BVerfG und der Obersten Bundesgerichte der vollständige Abschluss der Instanz, weil die getroffene Entscheidung von dem Gericht, dem die im Anschluss abgelehnten Richter angehören, nicht mehr geändert werden kann (BGH vom 10.5.2007 - 1 S 430/06 - NJW-RR 2007, 1653 RdNr 5 mwN; darauf Bezug nehmend BVerfG vom 28.4.2011 - 1 BvR 2411/10 - NJW 2011, 2191, 2192; ebenso etwa BSG vom 2.8.2001 - B 7 AL 28/01 B - juris; BAG vom 18.3.1964 - 4 AZR 63/63 - DB 1964, 1123; BFH vom 17.5.1995 - X R 55/94 - BFHE 177, 344; BGH vom 17.5.2018 - I ZR 195/15 - NJW-RR 2018, 1461 RdNr 4; BVerwG vom 29.6.2016 - 2 B 18/15 - Buchholz 310 § 132 Abs 2 Ziff 3 VwGO Nr 77 RdNr 38). Das anders zu sehen gibt die Beschwerde keinen Anlass. Mindestens deshalb war das LSG wegen erst im Nachhinein geltend gemachter Ablehnungsgründe an einer Sachentscheidung über die Berufung des Klägers nicht gehindert. Dass ein Mangel an Unvoreingenommenheit des Kammervorsitzenden - lag er vor - durch das Berufungsverfahren nicht geheilt worden sein könnte (vgl BVerwG vom 20.5.2015 - 2 B 4/15 - NVwZ 2015, 1299 RdNr 8 f: Kein Absehen von mündlicher Verhandlung in der Berufungsinstanz bei erstinstanzlicher mündlicher Verhandlung vor befangenem Richter), zeigt die Beschwerde nicht auf.
Soweit die Beschwerde schließlich Verstöße gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung in Zusammenhang mit der sachlichen Würdigung des Gebührenanspruchs des Klägers ("Organ der Rechtspflege") rügt, macht sie der Sache nach eine Verletzung von § 128 Abs 1 Satz 1 SGG geltend (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung), ohne sich auf einen Beweisantrag zu beziehen, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14113951 |