Verfahrensgang
SG Detmold (Entscheidung vom 04.04.2017; Aktenzeichen S 15 VG 40/12) |
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 15.11.2019; Aktenzeichen L 13 VG 35/17) |
Tenor
Der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15.11.2019 wird abgelehnt.
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im genannten Urteil Prozesskostenhilfe zu gewähren und ihr Rechtsanwältin G, F, beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im genannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt in der Hauptsache Rentenleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz iVm dem Bundesversorgungsgesetz. Das SG hat ihre Klage mit Urteil vom 4.4.2017 abgewiesen, das LSG ihre Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 15.11.2019). Eine beglaubigte Abschrift des LSG-Urteils ist der damaligen Prozessbevollmächtigten am 25.2.2020 zugestellt worden. Am 7.4.2020 hat die Klägerin mit einem von ihr unterschriebenen Schreiben vom 1.4.2020 sinngemäß Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt. Nach Hinweis des Senats, dass vor dem BSG nur zugelassene Prozessbevollmächtigte auftreten dürfen, hat die jetzige Prozessbevollmächtigte mit einem am 20.5.2020 eingegangenen Schreiben vom selben Tag Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und gleichzeitig beantragt, der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde zu gewähren und ihr unter ihrer Beiordnung Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat sie eine Bescheinigung vorgelegt, dass sich die Klägerin vom 19.2.2020 bis zum 1.4.2020 in stationärer Krankenhausbehandlung befunden habe und wegen der coronabedingten Kontaktsperre keine Termine habe wahrnehmen können.
II
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war abzulehnen. Nach § 67 Abs 1 SGG kann jemand Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Nach Wegfall des Hindernisses ist der Antrag unter Nachholung der versäumten Rechtshandlung innerhalb eines Monats zu stellen (§ 67 Abs 2 Satz 1 und 3 SGG). Die Klägerin muss sich grundsätzlich die Zustellung des Urteils an ihre damalige Prozessbevollmächtigte zurechnen lassen (§ 73 Abs 6 Satz 6 und 7 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO), sodass die Frist zur Einlegung der Beschwerde bereits am 25.3.2020 abgelaufen ist. Nach der vorgelegten Bescheinigung ist die Klägerin bis zum 1.4.2020 stationär behandelt worden. Selbst wenn man zu ihren Gunsten davon ausgehen würde, dass sie noch nicht direkt nach der Entlassung in der Lage war, einen Rechtsanwalt für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde zu beauftragen, so muss sie sich entgegenhalten lassen, dass sie mit Schreiben vom 1.4.2020 (eingegangen am 7.4.2020) selbst Beschwerde eingelegt hat, die Frist für den Beginn der einmonatige Wiedereinsetzungsfrist (§ 67 Abs 2 Nr 1 SGG) also spätestens am 1.4.2020 zu laufen begann. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Prozessbevollmächtigten ist aber erst am 20.5.2020, und damit nach Ablauf der einmonatigen Wiedereinsetzungsfrist beim BSG eingegangen. Allein der Hinweis auf die coronabedingten Ausgangsbeschränkungen ändert an dieser Beurteilung nichts (vgl Senatsbeschluss vom 26.5.2020 - B 9 V 16/20 B - juris RdNr 2).
2. Die Bewilligung von PKH ist abzulehnen.
Voraussetzung für die Bewilligung von PKH ist nach der Rechtsprechung des BSG und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes, dass sowohl der (grundsätzlich formlose) Antrag auf PKH als auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Erklärung) in der für diese gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 73a Abs 1 SGG, § 117 Abs 2 und 4 ZPO), dh auf dem durch die Prozesskostenhilfeformularverordnung vom 6.1.2014 (BGBl I 34) eingeführten Formular, bis zum Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht werden (BSG Beschluss vom 11.1.2018 - B 9 SB 87/17 B - juris RdNr 3; BSG Beschluss vom 6.11.2017 - B 10 EG 2/17 BH - juris RdNr 2, jeweils mwN). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die Klägerin hat weder innerhalb der Beschwerdefrist noch innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist, die spätestens am 4.5.2020 endete (§ 160a Abs 1, § 67 Abs 2 Satz 1, § 64 Abs 2 und 3 SGG), weder den PKH-Antrag gestellt noch die erforderliche Erklärung vorgelegt. Antrag und Erklärung sind erst am 20.5.2020 und damit nach Fristablauf beim BSG eingegangen.
Da der Klägerin keine PKH zusteht, kann sie auch keine Beiordnung ihrer Rechtsanwältin beanspruchen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
3. Die Beschwerde ist unzulässig; sie ist nicht innerhalb der gesetzlichen Frist beim BSG eingegangen. Die Klägerin konnte die Beschwerde, worauf in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils zutreffend hingewiesen worden ist, wirksam nur durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist (§ 160a Abs 1 Satz 2 SGG) einlegen lassen.
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14206878 |