Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionsnichtzulassungsbeschwerde. Gesetzliche Krankenversicherung. Therapiemöglichkeiten und Behandlungsanspruch für ein einzelnes Leiden. Keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung
Orientierungssatz
Die Frage nach den Therapiemöglichkeiten für ein einzelnes Leiden (hier: Behandlungsmethode nach Dr Kozijavkin) und dem darauf bezogenen krankenversicherungsrechtlichen Behandlungsanspruch einer Versicherten kann angesichts der Vielzahl der in der Medizin diskutierten Krankheitsbilder nicht in den Rang einer Rechtsfrage von "grundsätzlicher" Bedeutung gehoben werden (vgl BSG vom 20.7.2004 - B 1 KR 1/03 B, vom 21.12.2004 - B 1 KR 11/03 B, vom 19.10.2004 - B 1 KR 92/03 B).
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der 1965 geborene, bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger leidet an Multipler Sklerose. Er ist mit seinem Begehren, die Kosten für die im Juli/August 1998, Juni/Juli 1999 und Mai/Juni 2000 in drei Behandlungszyklen in der Ukraine durchgeführte Therapie nach Dr. Kozijavkin erstattet zu erhalten (9.516,20 DM, 9.585 DM sowie 9.516,20 DM), in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat ua ausgeführt, ein Anspruch bestehe nicht, weil die Behandlung nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 18 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB V≫) entspreche. Das Bundessozialgericht (BSG) habe dies bereits in seinem Urteil vom 14. Februar 2001 ( SozR 3-2500 § 18 Nr 6 ) für die Zeit bis einschließlich August 1999 entschieden, sodass schon von daher kein "Anspruch auf Neubescheidung" für die Behandlungen der Jahre 1998 und 1999 bestehe. Einem Anspruch für die Behandlung im Jahre 2000 stehe entgegen, dass bisherige, für die Zeit ab September 1999 stattgebende Entscheidungen des erkennenden Senats des LSG die Behandlung der infantilen Cerebralparese betroffen hätten und auf den Fall des 35-jährigen, an Multipler Sklerose leidenden Klägers nicht übertragbar seien. Der Senat habe diese Überzeugung auf Grund einer gutachtlichen Stellungnahme des Sachverständigen Chefarzt Dr. H. vom 26. April 2004 gewonnen (Urteil vom 16. März 2005).
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
Den Darlegungserfordernissen für eine Grundsatzrevision genügt eine Beschwerde nur dann, wenn eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert und ausgeführt wird, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die Beschwerdebegründung vom 30. Juni 2005 formuliert selbst keine solche explizite Frage. Sie hält es nach den Ausführungen auf Seite 1 sinngemäß für grundsätzlich bedeutsam, ob die Behandlung des 35-jährigen, an einer Multipler Sklerose leidenden Klägers nach der Methode Dr. Kozijavkin iS von § 18 SGB V dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprochen habe.
Selbst wenn man diese Frage losgelöst von den individuellen Verhältnissen des Klägers allgemein verstehen wollte, wird damit eine "grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache" nicht dargelegt. Zum einen können mit der Grundsatzrüge iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur "Rechtsfragen" und nicht - wie hier - Fragen tatsächlicher Art zur Überprüfung durch das Revisionsgericht gestellt werden ( so zB auch: Meyer-Ladewig, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 160 RdNr 6, 7; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Aufl 2002, Kap IX RdNr 57 mwN ). Dass es der Beschwerde im Kern nur um tatsächliche Fragen geht, wird schon daraus deutlich, dass sie beanstandet, das LSG habe das Gutachten von Dr. H. "nicht zutreffend interpretiert", weil daraus folge, dass die Behandlung "sehr wohl akzeptiert" sei und dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche. Das damit hier allein im Raum stehende Begehren nach Überprüfung der Richtigkeit der vom LSG festgestellten Tatsachen eröffnet mit Blick auf § 163 SGG indessen nur über die Rüge eines Verfahrensmangels unter den besonderen Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG den Zugang zum Revisionsverfahren. Zum Vorliegen solcher Zulassungsgründe macht die Beschwerde jedoch keine Ausführungen, obwohl diese erforderlich gewesen wären; denn nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann die Verfahrensrüge auf eine Verletzung des § 128 SGG (= Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) gar nicht gestützt werden und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) nur dann, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Unbeschadet dessen kann nach der Rechtsprechung des Senats die Frage nach den Therapiemöglichkeiten für ein einzelnes Leiden und dem darauf bezogenen krankenversicherungsrechtlichen Behandlungsanspruch des Versicherten angesichts der Vielzahl der in der Medizin diskutierten Krankheitsbilder ohnehin nicht in den Rang einer Rechtsfrage von "grundsätzlicher" Bedeutung gehoben werden ( vgl zB Senat, Beschlüsse vom 20. Juli 2004 - B 1 KR 1/03 B, vom 21. Dezember 2004 - B 1 KR 11/03 B, vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 92/03 B und öfter ). Daran ist auch in Ansehung der Behandlungsmethode nach Dr. Kozijavkin festzuhalten. Dies gilt insbesondere dann, wenn es - wie hier - sogar darum geht, dass ein Krankheitsbild betroffen ist, für das selbst Befürworter der Methode wie der erkennende LSG-Senat annehmen, dass die Krankenbehandlung nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprochen habe ( vgl demgegenüber die bislang die Leistungspflicht der Krankenkassen für frühere Behandlungszeiträume gänzlich verneinende Rechtsprechung des BSG: BSGE 84, 90 ff = SozR 3-2500 § 18 Nr 4 und BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 ).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen