Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. Mai 2022 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin T, N, zu bewilligen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der 1956 geborene Kläger begehrt die Gewährung eines Vorschusses bzw vorläufiger Leistungen auf seine mittlerweile bewilligte Altersrente.
Am 11.1.2021 beantragte der Kläger formlos eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen bei der Beklagten. Daneben stellte er einen Antrag auf vorläufige bzw vorschussweise Leistung. Erst mit Telefax vom 22.2.2021 und nach mehrfacher schriftlicher Erläuterung durch die Beklagte übersandte der Kläger den ausgefüllten Formblattantrag für die begehrte Altersrente. Mit weiterem Telefax vom 23.2.2021 wies er auf seinen Antrag auf Leistungen nach §§ 42, 43 SGB I hin. Auf weitere Nachfrage der Beklagten teilte er mit Telefax vom 8.3.2021 mit, dass er als Rentenbeginn den 1.1.2021 wünsche. Mit Bescheid vom 25.3.2021 bewilligte die Beklagte ihm die begehrte Rente ab dem 1.1.2021 und wies die laufende Zahlung ab dem 1.5.2021 an. Die zunächst einbehaltende Nachzahlung rechnete sie mit Bescheid vom 31.3.2021 ab. Mit einem Änderungsbescheid vom 19.5.2021 wurde die Nachmeldung einer Pflichtbeitragszeit berücksichtigt. Sowohl der Rentenbescheid als auch der Änderungsbescheid vom 19.5.2021 wurden bestandskräftig.
Bereits mit Schreiben vom 15.2.2021 hat der Kläger vor dem SG eine Untätigkeitsklage in Verbindung mit einer Feststellungs-, Leistungs- und Verpflichtungsklage erhoben sowie den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt. Mit Gerichtsbescheid vom 14.10.2021 hat das SG die Klage abgewiesen sowie den Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt. Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 12.5.2022). Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für eine Untätigkeitsklage sei durch die Rentengewährung entfallen. Es habe auch bereits dem Grunde nach kein Anspruch auf eine vorschussweise oder vorläufige Leistung bestanden. Voraussetzung für einen Vorschuss nach § 42 SGB I sei, dass der Anspruch dem Grunde nach bestehe und Unklarheiten lediglich in Bezug auf die Leistungshöhe bestehen würden. Für eine vorläufige Leistung iS des § 43 SGB I sei ein hier nicht gegebener Zuständigkeitskonflikt erforderlich.
Der Kläger hat mit einem am 28.8.2022 (Sonntag) beim BSG per Telefax eingegangenen Schreiben, das mit "Nichtzulassungsbeschwerde zur Revision hilfsweise Erhebung der Individualverfassungsbeschwerde" überschrieben ist, PKH für die beabsichtigte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG (Zustellung am 27.7.2022) unter Beiordnung von Rechtsanwältin T beantragt. Er meint, es lägen Verfahrensmängel vor.
II
1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Einem Beteiligten kann für das Verfahren vor dem BSG nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Nach Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Gerichtsakten ist auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht zu erkennen, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.
a) Es ist nach Aktenlage nicht ersichtlich, dass eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) erfolgreich geltend gemacht werden könnte. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Derartige Rechtsfragen sind hinsichtlich des erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses im Rahmen der Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) bzw des Feststellungsinteresses bei einer Feststellungsklage (§ 55 SGG) nicht ersichtlich. Zudem ergibt sich bereits aus § 42 Abs 1 SGB I, dass Voraussetzung einer Vorschusszahlung ist, dass der Geldleistungsanspruch dem Grunde nach besteht. Es muss also aufgrund des aktuellen Stands der Ermittlungen des Sozialleistungsträgers sicher feststehen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind, aufgrund derer der Berechtigte eine Leistung beanspruchen kann. Hierzu besteht eine umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung (siehe nur BSG Urteil vom 2.11.2012 - B 4 KG 2/11 R - BSGE 112, 126 = SozR 4-5870 § 6a Nr 4, RdNr 15; BSG Urteil vom 11.6.1987 - 7 RAr 105/85 - BSGE 62, 32 = SozR 4100 § 71 Nr 2 = juris RdNr 29). § 43 Abs 1 Satz 1 SGB I bestimmt als Voraussetzung für die Erbringung vorläufiger Leistungen, dass es eines Zuständigkeitskonflikts zwischen mehreren Leistungsträgern bedarf. Das BSG hat insoweit entschieden, dass objektive Anhaltspunkte für die Unsicherheit über die Zuständigkeit erforderlich sind (BSG Urteil vom 27.4.1989 - 9/9a RV 44/87 - SozR 3100 § 11 Nr 18 = juris RdNr 14). Auch ist nicht ersichtlich, dass das LSG einen abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem solchen des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellt hat (Zulassungsgrund der Divergenz, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
b) Ebenso fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass ein Verfahrensmangel aufgezeigt und vorliegen könnte, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen kann. Nach Halbsatz 2 dieser Bestimmung kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
aa) Soweit der Kläger sinngemäß vorbringt, das LSG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör sowie das Gebot der Rechtsschutzgleichheit und den Rechtsstaatsgrundsatz verletzt, weil es seinen Antrag auf Gewährung von PKH zu Unrecht mit Beschluss vom 12.4.2022 abgelehnt habe, ist ein Verfahrensmangel nicht erkennbar. Eine Verfahrensrüge, die sich gegen unanfechtbare Vorentscheidungen (vgl § 177 SGG) wie hier die Ablehnung von PKH richtet, ist grundsätzlich ausgeschlossen (vgl § 202 SGG iVm § 557 Abs 2 ZPO). Sie bleibt nur möglich, wenn sich aus der beanstandeten Vorentscheidung ein Mangel im Verfahren selbst ergibt, mithin der Fehler bei der Vorentscheidung auf die Entscheidung in der Hauptsache durchschlägt. Dementsprechend kann im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde als Verfahrensmangel nicht die Rechtswidrigkeit der Ablehnung von PKH als solche geltend gemacht werden, sondern nur, dass die Ablehnung verfassungsrechtlich fundierte prozessuale Gewährleistungen verletzt (vgl BSG Beschluss vom 10.11.2022 - B 5 R 117/22 B - juris RdNr 17 mwN). Das ist hier nicht der Fall. Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidung des LSG willkürlich ist, weil sie unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht oder dass das LSG die Bedeutung und Tragweite der Rechtsschutzgleichheit grundlegend verkannt hat, sind nicht ersichtlich. Der Beschluss des LSG setzt sich vielmehr mit dem Anliegen des Klägers intensiv auseinander und ist sorgfältig begründet. Dass der Kläger ihn inhaltlich für unrichtig erachtet, begründet keinen Verfahrensmangel. Soweit der Kläger am Abend des 11.5.2022 mit einem Telefax, das beim SG eingegangen und von dort am Folgetag an das LSG weitergeleitet worden ist, erneut einen Antrag auf PKH für das Verfahren L 14 R 572/21 gestellt hat, war dieser bereits wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil im Vergleich zu der erst einen Monat zuvor ergangenen Ablehnungsentscheidung keine Änderung der Tatsachen- oder Rechtslage vorgetragen oder erkennbar ist.
bb) Hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten verwehrten Akteneinsicht und der damit verbundenen Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör findet sich in den Gerichtsakten kein entsprechender Antrag auf Akteneinsicht. Soweit der Kläger bemängelt, dass sein Antrag auf Einsicht in den internen Geschäftsverteilungsplan ignoriert worden sei, ist den LSG-Akten ein solcher Antrag ebenfalls nicht zu entnehmen. Auf den vom Kläger mit Schreiben vom 10.1.2022 geltend gemachten "Besetzungseinwand", weil im Schriftsatz des LSG vom 4.1.2022 die "mitgeteilte Änderung im Geschäftsverteilungsplan" "weder begründet, noch dokumentiert" worden sei, hat die Berichterstatterin mit Schreiben vom 25.1.2022 reagiert und mitgeteilt, dass das Präsidium des Bayerischen LSG im Zuge der Geschäftsverteilung für das Jahr 2022 beschlossen habe, alle Verfahren, welche im Jahr 2021 im 19. Senat des Bayerischen LSG in Schweinfurt eingegangen seien und vom SG Nürnberg als erstinstanzlichem Gericht stammten, dem 14. Senat in München zur weiteren Bearbeitung zuzuweisen. Hierauf erfolgte keine weitere Reaktion des Klägers, sodass das LSG davon ausgehen konnte, dass sich das Anliegen des Klägers damit erledigt hatte.
cc) In Bezug auf den vom Kläger vorgebrachten Einwand, das LSG sei seinen Pflichten zur vollumfänglichen Ermittlung nicht nachgekommen und habe mithin seine Amtsermittlungspflicht gemäß § 103 SGG verletzt, ist schon nicht ersichtlich, dass er einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt hat. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zwar sind, wenn ein Kläger in der Berufungsinstanz - wie hier - durch keinen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertreten war, an Form, Inhalt, Formulierung und Präzisierung eines Beweisantrags verminderte Anforderungen zu stellen. Auch ein unvertretener Beteiligter muss jedoch einen konkreten Beweisantrag sinngemäß gestellt haben, dh angeben, welche konkreten Punkte er am Ende des Verfahrens noch für aufklärungsbedürftig gehalten hat und auf welche Beweismittel das Gericht hätte zurückgreifen sollen, um diese aufzuklären (vgl BSG Beschluss vom 1.8.2017 - B 13 R 214/16 B - juris RdNr 14 mwN). Das ist hier nicht der Fall. Der Kläger hat die Berufung mit Schreiben vom 28.2.2022 inhaltlich allenfalls rudimentär begründet. Es kann offenbleiben, ob sein Schreiben vom 10.1.2022 noch vor Beendigung der mündlichen Verhandlung und Verkündung des Urteils am 12.5.2022 beim LSG eingegangen ist (siehe handschriftlichen Vermerk: "übergeben um 12:47 Uhr - ausweislich des Sitzungsprotokolls war die mündliche Verhandlung bereits um 11:23 Uhr beendet). Es enthält jedenfalls keinen hinreichend konkreten Beweisantrag. Zur mündlichen Verhandlung ist der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung (siehe hierzu auch b) dd) nicht erschienen.
dd) Soweit der Kläger zudem vorträgt, das LSG habe Anträge auf Verlegung oder Vertagung erst nach Durchführung der in seiner Abwesenheit stattgefundenen Verhandlungen abgewiesen und damit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, ist auch hierfür nichts ersichtlich. Aus den LSG-Akten geht hervor, dass der Kläger zum beabsichtigen Erörterungstermin am 21.3.2022 mit Postzustellungsurkunde (PZU) vom 15.2.2022 ordnungsgemäß geladen und der Termin wegen Verhinderung des Klägers später abgeladen wurde. Die Abladung hat der Kläger mit PZU vom 17.3.2022 erhalten. Zum Erörterungstermin am 12.4.2022 wurde der Kläger ebenfalls ordnungsgemäß geladen und rechtzeitig vor dem Termin hiervon in Kenntnis gesetzt (PZU vom 25.3.2022). Einen Verlegungs- oder Vertagungsantrag des Klägers ist den Akten nicht zu entnehmen. Der wegen Nichterscheinens des Klägers zum Termin ergangene Ordnungsgeldbeschluss vom 12.4.2022 wurde auf die Beschwerde des Klägers nach Vorlage diverser medizinischer Unterlagen mit Beschluss vom 3.5.2022 aufgehoben. Auch zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 12.5.2022 wurde der Kläger ordnungsgemäß geladen (PZU vom 21.4.2022). Ausweislich des Sitzungsprotokolls ist der Kläger nicht erschienen. Dass der Kläger einen Verlegungsantrag gestellt hat, ist nicht ersichtlich.
ee) Die vom Kläger vorgebrachten Verfahrensmängel, die sich auf das erstinstanzliche Verfahren vor dem SG beziehen (unterbliebene Amtsermittlung, verwehrte Einsicht in die Verfahrensakten und den internen Geschäftsverteilungsplan, Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, Verweigerung von PKH), sind unbeachtlich. Da sich die Zulassung der Revision gegen eine Entscheidung des LSG richtet (§ 160 SGG), kommen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nur Mängel des Verfahrens vor dem LSG und nicht vor dem SG in Betracht, es sei denn, dass der Verfahrensmangel fortwirkt und damit zugleich einen Mangel des Verfahrens vor dem LSG bildet (vgl BSG Beschluss vom 19.1.2011 - B 13 R 211/10 B - juris RdNr 15 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 16a mwN). Hierfür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.
ff) Soweit der Kläger der Auffassung ist, die Beklagte habe ihre Dienst- und Amtspflichten verletzt, betrifft dies gleichfalls nicht das Verfahren vor dem LSG. Sollte der Kläger mit seinem Vorbringen zum Ausdruck bringen wollen, die Entscheidung des LSG sei inhaltlich falsch, weil sie sich nicht mit vermeintlichen Pflichtverletzungen der Beklagten auseinandersetze, kann hierauf auf eine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht gestützt werden (vgl BSG Beschluss vom 20.10.2021 - B 5 R 230/21 B - juris RdNr 6 mwN).
c) Da dem Kläger mithin PKH nicht zusteht, entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG ist unzulässig, denn sie entspricht nicht der gesetzlichen Form. Die Beschwerde konnte, worauf der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen worden ist, wirksam nur durch einen beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist eingelegt werden (§ 73 Abs 4, § 160a Abs 1 Satz 2 SGG). Ausnahmen hiervon sehen die gesetzlichen Regelungen nicht vor.
Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15635404 |