Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss von deutschen Kindern mit Wohnsitz auf den Philippinen vom sozialrechtlichen Kindergeld. Verfassungsmäßigkeit. BVerfG-Rechtsprechung. PKH für eine Nichtzulassungsbeschwerde. keine hinreichende Erfolgsaussicht
Orientierungssatz
1. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 23.2.1994 - 1 BvR 1105/91 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dem Gesetzgeber bei der Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang er Kindergeld als Sozialleistung gewährt, ein weiter Gestaltungsraum zusteht, und dass sich weder aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) noch aus anderen Verfassungsnormen die Verpflichtung ergibt, im Ausland lebende Kinder deutscher Staatsangehöriger generell bei der Gewährung von Kindergeld zu berücksichtigen.
2. Von daher ist die Frage, ob der Ausschluss von deutschen Kindern mit Wohnsitz auf den Philippinen vom sozialrechtlichen Kindergeld rechtmäßig ist, keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.
3. Zur Voraussetzung der hinreichenden Erfolgsaussicht bei einem Antrag auf Prozesskostenhilfe für ein Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BKGG § 2 Abs. 5 S. 1; BKGG 1996 § 2 Abs. 5 S. 1; BKGG § 2 Abs. 5 S. 2; BKGG 1996 § 2 Abs. 5 S. 2; SGG § 73a Abs. 1 S. 1, §§ 160a, 160 Abs. 2 Nr. 1; ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 18. Juli 2019 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im oben bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I. Der zusammen mit seiner Ehefrau und seinen fünf Kindern auf den Philippinen wohnende Kläger, der nach eigenen Angaben deutscher Staatsangehöriger ist und eine Altersrente aus Deutschland bezieht, beansprucht in der Hauptsache Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG). Das LSG hat - wie zuvor bereits das SG - den geltend gemachten Anspruch verneint. Der Kläger und seine Kinder hätten ihren Wohnsitz auf den Philippinen und damit außerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Die Regelung, dass Deutsche, die mit ihren Kindern außerhalb Europas wohnten, kein Kindergeld nach dem BKGG erhalten, sei verfassungsgemäß. Dem Gesetzgeber komme im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Eine Verpflichtung, im Ausland lebende Kinder deutscher Staatsangehöriger generell bei der Gewährung von Kindergeld zu berücksichtigen, gebe es nicht (Urteil vom 18.7.2019).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem, dem Kläger nach eigenen Angaben am 4.10.2019 zugestellten Urteil hat der Kläger mit von ihm persönlich unterzeichnetem Schreiben vom 15.10.2019, beim BSG eingegangen am 4.12.2019, Beschwerde eingelegt und für deren Durchführung Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.
II. 1. Der Antrag des Klägers auf PKH ist abzulehnen.
Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für ein Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist hier nicht der Fall.
Gemäß § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist nach der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung des Streitstoffs unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers in seinem Schreiben vom 15.10.2019 nicht zu erkennen.
Eine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) der Rechtssache liegt nicht vor. Rechtsfragen, die allgemeine, über den Einzelfall des Klägers hinausgehende Bedeutung besitzen, von der angestrebten Entscheidung der Rechtssache im Revisionsverfahren somit erwartet werden kann, dass sie in einer bisher nicht geschehenen, jedoch das Interesse der Allgemeinheit berührenden Weise die Rechtseinheit herstellen, wahren oder sichern oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird (vgl stRspr, zB Senatsbeschluss vom 11.1.2018 - B 10 SF 1/17 B - juris RdNr 6), sind nicht ersichtlich. Vielmehr ist in § 2 Abs 5 Satz 1 BKGG ausdrücklich bestimmt, dass Kinder, die weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, bei der Kindergeldzahlung nicht zu berücksichtigen sind. Die in § 2 Abs 5 Satz 2 BKGG normierten Ausnahmetatbestände liegen hier nicht vor. Eine Rechtsverordnung der Bundesregierung nach § 2 Abs 6 BKGG bezüglich der Philippinen ist nicht erlassen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger in seinem vorgenannten Schreiben zitierten Entscheidung des BVerfG vom 23.2.1994 (1 BvR 1105/91 - juris). Soweit er meint, aus diesem Kammerbeschluss des BVerfG ergebe sich, dass der Gesetzgeber verpflichtet sei, im Ausland lebenden deutschen Staatsangehörigen stets Kindergeld zu zahlen, trifft dies nicht zu. Vielmehr hat das BVerfG in dieser Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dem Gesetzgeber bei der Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang er Kindergeld als Sozialleistung gewährt, ein weiter Gestaltungsraum zusteht und dass sich weder aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) noch aus anderen Verfassungsnormen die Verpflichtung ergibt, im Ausland lebende Kinder deutscher Staatsangehöriger generell bei der Gewährung von Kindergeld zu berücksichtigen (aaO, RdNr 2). Im Übrigen ist der Staat selbst bei Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland nicht verpflichtet, jegliche die Familie betreffende Belastung auszugleichen (BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 10.3.2010 - 1 BvL 11/07 - juris RdNr 45; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 6.5.2004 - 2 BvR 1375/03 - juris RdNr 15).
Des Weiteren ist auch nicht erkennbar, dass der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) vorliegt. Ebenso wenig lässt sich ein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Das LSG konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beklagte mit Schriftsatz vom 19.2.2019 und der Kläger mit Schreiben vom 7.3.2019 ihr Einverständnis hierzu erklärt hatten (vgl § 153 Abs 1 iVm § 124 Abs 2 SGG).
2. Die durch den Kläger persönlich eingelegte Beschwerde entspricht mangels Vertretung durch einen beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 Satz 1 SGG) nicht der gesetzlichen Form und ist deshalb unzulässig.
3. Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14470838 |