Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache. Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage. Ermittlung ausländischen Rechts. Tatsachenfrage. Verfahrensrüge einer Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes
Orientierungssatz
Die Ermittlung ausländischen Rechts wird als Tatsachen- (und nicht als "Rechts"-)Frage in den Amtsermittlungsgrundsatz einbezogen. Macht ein Beteiligter die Verletzung der entsprechenden Ermittlungspflicht geltend, so muss er eine Verfahrensrüge erheben, für die im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde die qualifizierten Darlegungsvoraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG gelten, dh die Benennung eines im Berufungsverfahren gestellten Beweisantrags, dem das LSG ohne hinreichende Gründe nicht gefolgt ist.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 3 Hs. 2, § 160a Abs. 2 S. 3, §§ 103, 162; SGB 5 § 228 Abs. 1 S. 1, § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Mai 2013 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob und inwieweit monatliche Leistungen der H.-Pensionskasse mit Sitz in Liechtenstein an den Kläger ab Juli 2007 der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung unterliegen.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen LSG vom 28.5.2013 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 4.11.2013 auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
Zur Begründung führt er aus, die Fragen seien zum jetzigen Rechtsstand nicht höchstrichterlich entschieden und würden in der Kommentarliteratur ebenfalls nur unzureichend beantwortet. Zunächst gibt er sodann zwei Kommentarstellen in Zitatform wieder (Peters in Kasseler Komm, § 228 RdNr 11, Stand 78. Ergänzungslieferung 2013; Ulmer in Beck'scher Online-Kommentar Sozialrecht, SGB V, § 229 RdNr 15, Stand 1.9.2013). Anschließend zählt er "bisherige Rechtsprechung" auf (Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 229 Nr 14; BSGE 102, 211 = SozR 4-4300 § 142 Nr 4; BSGE 63, 231 = SozR 2200 § 180 Nr 41; BSG SozR 3-2500 § 229 Nr 9). Diese gebe entweder keine Antwort auf die gestellten Fragen oder sei vom LSG für nicht anwendbar erklärt worden. Hinsichtlich des zuletzt angeführten Urteils wiederholt er das eingangs genannte Zitat aus der sozialrechtlichen Literatur mit optischen Hervorhebungen. Die Fragen seien auch klärungsfähig, da die konkrete Auslegung der revisiblen Rechtsnormen der §§ 228 und 229 SGB V im Streit stehe. Die Abgrenzung zwischen ausländischen Renten und ausländischen Versorgungsbezügen könne durch das Revisionsgericht anhand von Kriterien bestimmt werden, die unabhängig von dem nicht revisiblen ausländischen Recht seien. Die Fragen seien auch entscheidungserheblich. Abhängig von der Beantwortung der Rechtsfrage unterlägen die Leistungen der H.-Pensionskasse entweder der vollen Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung oder der ermäßigten Beitragspflicht nach § 247 S 2 SGB V. Die Kriterien für die Abgrenzung seien vom jeweiligen ausländischen Recht im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung unabhängig. Die Fragen ließen sich nicht zweifellos anhand der Gesetzesnormen beantworten.
Hierdurch legt der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in einer die Zulässigkeit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde begründenden Weise nach § 160a Abs 2 S 3 SGG dar.
a) Es kann offenbleiben, ob die Beschwerdebegründung deshalb nicht den Zulässigkeitsanforderungen genügt, weil sie nicht in gebotener Weise in den Blick nimmt, dass Fragen der Rechtsanwendung und Fragen tatsächlicher Art selbst dann nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG führen können, wenn mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Klärungsbedürftigkeit allgemeiner (genereller) Tatsachen geltend gemacht wird, die nicht als "Rechtsfragen" zu qualifizieren und daher Mitteln der juristischen Methodik nicht zugänglich sind (vgl dazu zB BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 9, Leitsatz 1 und RdNr 5 ff mit umfangreichen Nachweisen; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 22), selbst wenn der Wunsch einer Klärung derartiger Tatsachenfragen im Interesse einer möglichst bundesweit einheitlichen Handhabung durchaus nachvollziehbar ist. In diesem Zusammenhang ist auch die grundlegende Frage einzuordnen, wie eine gewährte Geldleistung aus einem speziellen Leistungssystem eines ausländischen Staates im Hinblick auf die Auslegung spezifischer Tatbestandsmerkmale des deutschen Sozialversicherungsrechts in Bezug auf dort angeordnete Rechtsfolgen zu würdigen ist. Letztlich wird hierdurch im Kern nur die Frage der Anwendung von Regelungen des deutschen Sozialrechts auf einen individuellen Sachverhalt aufgeworfen und somit eine Frage der Subsumtion und der Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall. Ob die vorliegende Beschwerdebegründung diesen Anforderungen insoweit genügt, kann offenbleiben.
b) Die Beschwerdebegründung genügt jedenfalls deshalb nicht den Zulässigkeitsanforderungen, weil sie die Klärungsbedürftigkeit der Fragen nicht aufzeigt. Soweit der Kläger (sinngemäß) eine Verletzung von § 228 Abs 1, § 229 Abs 1 S 1 und 2 SGB V als revisibles Bundesrecht iS von § 162 SGG rügt, setzt er sich mit diesen Normen nicht hinreichend auseinander. Insbesondere unterlässt der Kläger Ausführungen dazu, inwieweit sich bereits aus den Normen, der Gesetzeshistorie, ihrem systematischen Zusammenhang und der bisher hierzu ergangenen Rechtsprechung Anhaltspunkte zur Beantwortung der in den Raum gestellten Fragen ergeben können. So lässt der Kläger Ausführungen dazu vermissen, was - ausgehend von der Gesetzeslage und der bislang hierzu ergangenen Rechtsprechung und veröffentlichten Literatur - eine "Rente der gesetzlichen Rentenversicherung" iS von § 228 Abs 1 S 1 SGB V auszeichnet und welche grundlegenden Strukturmerkmale ein (ausländisches) Alterssicherungssystem allgemein erfüllen muss, um eine Vergleichbarkeit der Leistungen iS von § 228 Abs 1 S 2 SGB V zu begründen. Der Kläger beschränkt sich insoweit lediglich darauf, Urteile des BSG aufzuführen, um sie sodann kurz als nicht einschlägig zu charakterisieren. Er unterlässt jedwede vertiefte Auseinandersetzung mit der Rechtslage und der hierzu ergangenen Rechtsprechung im Hinblick darauf, inwieweit sich daraus Kriterien für die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen ergeben. Entsprechende Anhaltspunkte ergeben sich aber bereits insbesondere aus dem Urteil des Senats vom 10.6.1988 (BSGE 63, 231 = SozR 2200 § 180 Nr 41). Dieses Urteil führt der Kläger zwar auf, setzt sich damit aber nicht vertieft auseinander, weil es seiner Meinung nach keine Antwort "für die hier vorliegende Frage" enthalte. Zusammenfassend lässt die Beschwerdebegründung eine stringente und schlüssige Auseinandersetzung mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung vermissen, was sich nicht zuletzt darin zeigt, dass der Kläger unter Punkt B. auf Seite 8 seiner Beschwerdebegründung zum Zulassungsgrund der Divergenz ausführt, soweit man davon ausgehe, dass eine Entscheidung des BSG (SozR 3-2500 § 229 Nr 9) die vorliegende Rechtsfrage bereits ausreichend beantworte, würde sich das Problem der Divergenz stellen.
c) Darüber hinaus zeigt die Beschwerdebegründung die Klärungsfähigkeit nicht in zulässigkeitsbegründender Weise auf. Der Kläger weist nicht nach, dass die Feststellungen des Berufungsgerichts zum BPVG das BSG als Revisionsinstanz in die Lage versetzen, auf die aufgeworfenen Fragen Antworten zu geben. Die Ermittlung ausländischen Rechts wird jedoch als Tatsachen- (und nicht als "Rechts"-)Frage in den Amtsermittlungsgrundsatz einbezogen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 103 RdNr 3 mwN). Macht ein Beteiligter die Verletzung der entsprechenden Ermittlungspflicht geltend, so muss er eine Verfahrensrüge erheben (vgl Leitherer, aaO, § 162 RdNr 6c), für die im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde die qualifizierten Darlegungsvoraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG gelten, dh die Benennung eines im Berufungsverfahren gestellten Beweisantrags, dem das LSG ohne hinreichende Gründe nicht gefolgt ist. Der Kläger beachtet dies nicht.
2. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).
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Der Kläger entnimmt auf Seite 8 der Beschwerdebegründung dem angefochtenen Urteil folgenden "Rechtssatz": |
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"Die Entscheidung (Anmerkung des Unterfertigten: Urteil des Bundessozialgerichts vom 18.12.2008, Aktenzeichen B 11 AL 32/07 R) bezieht sich auf das Ruhen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld, also auf einen Leistungsanspruch aus einem System der sozialen Sicherheit. Es ist daher für die streitgegenständliche Frage der Beitragspflicht einer Auslandsleistung nicht, auch nicht entsprechend übertragbar." |
Sodann führt der Kläger Zitate aus Entscheidungen des BSG auf (BSGE 102, 211 = SozR 4-4300 § 142 Nr 4; SozR 3-2500 § 229 Nr 9; BSGE 63, 231 = SozR 2200 § 180 Nr 41). Diese enthielten "inhaltlich im Wesentlichen den gleichen Rechtssatz" wie das vom LSG für nicht anwendbar erklärte Urteil des 11. Senats des BSG. Der vom LSG aufgestellte Rechtssatz enthalte damit (indirekt) auch die Aussage, dass die beiden weiteren Urteile (BSG SozR 3-2500 § 229 Nr 9; BSGE 63, 231 = SozR 2200 § 180 Nr 41) für die Klärung dieser Rechtsfrage nicht heranzuziehen seien. Damit setze sich das LSG aber in Widerspruch zu diesen Urteilen und den oben zitierten Rechtssätzen.
Hierdurch zeigt der Kläger eine Divergenz nicht in zulässigkeitsbegründender Weise auf. Er entnimmt weder dem angefochtenen Urteil noch den in Bezug genommenen Entscheidungen des BSG abstrakte, entscheidungserhebliche Rechtssätze, die er zum Nachweis der behaupteten Divergenz gegenüberstellt. Bereits dem angefochtenen Urteil entnimmt er keinen Rechtssatz, sondern wiederholt lediglich die Begründung des LSG, warum dessen Meinung nach eine bestimmte Entscheidung des BSG nicht entsprechend übertragbar sei. Auch aus den in Bezug genommenen Entscheidungen des BSG arbeitet der Kläger nicht wie erforderlich entscheidungserhebliche Rechtssätze heraus, sondern beschränkt sich auf die Wiedergabe von Zitaten und die Feststellung, diese Entscheidungen enthielten "inhaltlich im Wesentlichen den gleichen Rechtssatz wie das vom LSG für nicht anwendbar erklärte Urteil des 11. Senats" des BSG. Diese Begründung genügt nicht den Zulässigkeitsanforderungen.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen