Verfahrensgang
SG Augsburg (Entscheidung vom 23.11.2022; Aktenzeichen S 13 BA 59/21) |
Bayerisches LSG (Urteil vom 16.04.2024; Aktenzeichen L 7 BA 127/22) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. April 2024 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob die Beigeladene in ihrer Tätigkeit als Anästhesistin für die Klägerin ab 1.9.2019 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.
Die beigeladene Anästhesistin nimmt am Notarztdienst der KVB teil, hat seit 1.1.2020 eine kassenärztliche Praxisniederlassung mit von der KVB anerkannter Belegarzttätigkeit bei dem von der Klägerin betriebenen Krankenhaus und ist seit 1.9.2019 gegen eine Honorarvereinbarung für die Klägerin als Anästhesistin tätig. Auf den Statusfeststellungsantrag der Beigeladenen stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit aufgrund des Honorarvertrags in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt werde und Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe(Bescheide vom 3.2.2021; Widerspruchsbescheide vom 30.7.2021) . Das SG hat die Klage abgewiesen(Urteil vom 23.11.2022) . Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Bei der Gesamtabwägung überwögen die Umstände für eine abhängige Beschäftigung. Streitgegenständlich seien allein die Leistungen für die Hauptabteilungen der Klägerin, nicht ihre Tätigkeit als Belegärztin. Ihre Verpflichtungen führten zu einer Eingliederung in die Organisation des Klinikbetriebs. Dies betreffe ua die Nutzungsverpflichtung der Einrichtungen der Klägerin, die Dokumentation und die Einhaltung der Hygiene- und Qualitätsregelungen. In den Hauptabteilungen behandele sie ausschließlich Patienten der Klinik. Dabei arbeite sie mit dem Personal der Klinik arbeitsteilig zusammen. Die Vorgespräche in den eigenen Praxisräumen würden nur einen unwesentlichen Teil der ansonsten im Rahmen der von der Klägerin vorgegebenen Klinikstruktur erbrachten Gesamtleistung ausmachen. Nicht ausschlaggebend seien die Umstände, dass das Letztentscheidungsrecht in fachlichen Fragen bei der Beigeladenen gelegen habe und der Dienstplan eigenverantwortlich von den Pool-Anästhesisten - nach den Vorgaben der Klägerin - erstellt worden sei. Ein wesentliches unternehmerisches Risiko bestehe nicht(Urteil vom 16.4.2024) .
Die Klägerin wendet sich gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil.
II
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen(§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm§ 169 Satz 2 und 3 SGG ) . Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und des Verfahrensmangels(§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts im Sinne des § 162 SGG stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist darzulegen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt(vglBSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN) . Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin macht geltend, dass die vorliegende Gestaltung der Tätigkeit von externen Anästhesisten als Gruppe (vom LSG als Pool-Anästhesisten bezeichnet) grundsätzliche Bedeutung habe und auch der Rechtsfortbildung diene, da die streitgegenständliche Fallkonstellation bislang nicht Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung gewesen sei und sich grundsätzlich von den höchstrichterlichen Entscheidungen zu Honorarärzten unterscheide. Dort seien - anders als vorliegend - neben streitgegenständlich zu beurteilenden Honorarärzten auch abhängig beschäftigte Honorarärzte in einem Krankenhaus tätig gewesen. Das LSG vertrete zu Unrecht die Auffassung, dass eine Eingliederung der Beigeladenen in die Organisation der Klägerin bestanden habe. Insbesondere die Konstellation der eigenverantwortlichen Organisation der Mitglieder der Anästhesisten in der von ihnen gegründeten Gruppe unterscheide sich von den bislang entschiedenen Fallkonstellationen.
Damit hat die Klägerin schon keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts(§ 162 SGG ) mit höherrangigem Recht(vglBSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert, sondern vielmehr im Kern nach dem Ergebnis eines Subsumtionsvorgangs im Einzelfall gefragt. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann(BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN) .
Unabhängig davon hat die Klägerin auch die Klärungsbedürftigkeit der angesprochenen Thematik nicht hinreichend dargelegt. Auch wenn das BSG eine Fallgestaltung - worauf sich die Klägerin beruft - noch nicht ausdrücklich entschieden hat, ist eine Rechtsfrage auch dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben(stRspr; vgl zBBSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17;BSG Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6) . Deshalb hätte sich die Klägerin mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zu § 7 Abs 1 SGB IV auseinandersetzen und darlegen müssen, dass sich die von ihr aufgeworfene Frage nicht bereits auf Grundlage der darin entwickelten Rechtssätze beantworten lässt. Dies unterlässt die Klägerin aber. Allein die Behauptung, die vorliegende Fallgestaltung weiche von den bisherigen Entscheidungen des BSG zur Statusbeurteilung von Honorarärzten ab, genügt ebenso wenig zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, wie die Behauptung, die Statusfrage sei in Bezug auf eine bestimmte Berufsgruppe noch nicht entschieden worden(vgl hierzuBSG Beschluss vom 9.2.2016 - B 12 R 11/15 B - juris RdNr 10 mwN) .
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann nicht zur Zulassung der Revision führen(stRspr; vglBSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18) .
2. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne(§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) , müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels(§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Hierzu trägt die Klägerin zunächst vor, die Anästhesisten hätten völlig eigenverantwortlich untereinander einen Dienstplan anhand ihrer jeweiligen zeitlichen Verfügbarkeit erstellt und im Falle der späteren Verhinderung auch die Vertretung aus dem Mitgliederkreis der Gruppe der Anästhesisten organisiert. Dies spreche gegen die unterstellte Verpflichtung zur höchstpersönlichen Leistung. Von einer Weisungsgebundenheit und einer Eingliederung in die Betriebsorganisation bei der Klägerin könne nicht die Rede sein, ebenso wenig davon, dass die Klägerin die Erstellung des Dienstplanes delegiert und darauf Einfluss genommen habe; dies lasse sich weder aus dem Sachvortrag im Verwaltungs-, Klage- und Berufungsverfahren herleiten noch aus sonstigen Feststellungen. Auch unter diesem Aspekt sei die Revision zuzulassen, da das LSG von "einem Sachverhalt und entsprechenden vorherigen Hinweis ausgegangen ist, ohne dass hierüber Beweis erhoben worden ist". Daher liege neben der grundsätzlichen Bedeutung zur Rechtsfortbildung auch der Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vor.
Soweit die Klägerin damit eine Rüge unzureichender Sachaufklärung(§ 103 SGG ) erheben will, weil das LSG keine ausreichenden Feststellungen zu den tatsächlichen Verhältnissen getroffen habe, hat sie einen Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet(§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) . Eine Sachaufklärungsrüge hätte die - hier nicht aufgezeigte - Benennung eines Beweisantrags erfordert(§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ) .
Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör(Art 103 Abs 1 GG ,§ 62 SGG ) in Gestalt einer Überraschungsentscheidung ist ebenfalls nicht dargetan. Sie liegt vor, wenn sich das Gericht ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte(vglBSG Urteil vom 16.3.2016 - B 9 V 6/15 R - SozR 4-3100 § 60 Nr 7 RdNr 26 mwN). Dieser Verfahrensmangel ist deshalb nur dann schlüssig bezeichnet, wenn im Einzelnen vorgetragen wird, aus welchen Gründen auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter aufgrund des bisherigen Prozessverlaufs nicht damit rechnen musste, dass das Gericht seine Entscheidung auf einen bestimmten Gesichtspunkt stützt(zu den Anforderungen vgl etwaBSG Beschluss vom 7.6.2016 - B 13 R 40/16 B - juris RdNr 9 ) . Hierzu fehlt es aber an hinreichenden Darlegungen zum Prozessverlauf; insbesondere werden weder der Vortrag der Klägerin im Laufe des Verfahrens noch die Gesichtspunkte, auf die das SG und LSG ihre Bewertung gestützt haben, im Einzelnen aufgezeigt.
Der Umstand, dass das LSG der Rechtsauffassung der Klägerin nicht gefolgt ist, begründet keinen Gehörsverstoß. Das gilt auch, soweit die Klägerin auf ihre in einem Schriftsatz vom 23.1.2023 vertretene Auffassung zur Bedeutung des Dienstplans, zu dem Auftreten der Beigeladenen nach außen oder dem unternehmerischen Verhalten der Anästhesisten Bezug nimmt. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass ein Kläger "gehört", nicht jedoch "erhört" wird(stRspr, vgl zBBSG Beschluss vom 18.12.2012 - B 13 R 305/11 B - juris RdNr 8 undBSG Beschluss vom 9.5.2011 - B 13 R 112/11 B - juris RdNr 9 ) . Auch dass die Klägerin mit der Auswertung und Würdigung des Sachverhalts(vgl§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG ) im Einzelfall nicht einverstanden ist oder die angegriffene Entscheidung für rechtsfehlerhaft hält(vgl oben zu 1.) , begründet die Zulassung der Revision nicht(stRspr; vgl zBBSG Beschluss vom 19.4.2017 - B 12 R 2/17 B - juris RdNr 6 ) .
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen(§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm§ 154 Abs 2 und 3 VwGO.
4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren bestimmt sich nach § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm§ 63 Abs 2 Satz 1 ,§ 52 Abs 1 und 2,§ 47 Abs 1 und 3 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16675279 |