Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtliches Gehör

 

Orientierungssatz

Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Daraus ergibt sich nicht die Verpflichtung des Gerichts, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs 2 Nr 3, § 160a Abs 2 S 3, §§ 103, 62; GG Art 103 Abs 1

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 21.02.1990; Aktenzeichen L 10 V 283/87)

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht in der in §§ 160 Abs 2 und 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) festgelegten Form begründet worden. Sie ist deshalb entsprechend §§ 169, 193 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).

Der Beschwerdeführer weist zwar auf Zulassungsgründe hin, die in § 160 Abs 2 SGG aufgeführt sind. Er behauptet, das angegriffene Urteil beruhe auf einer Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG und auf Verfahrensfehlern iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Damit sind aber die behaupteten Zulassungsgründe nicht so "dargelegt" und "bezeichnet", wie dies § 160a Abs 2 Satz 3 SGG verlangt.

Nach der ständigen Rechtsprechung verlangt diese Vorschrift, daß die Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden: Eine Abweichung ist nur dann ausreichend begründet, wenn erklärt wird, mit welcher genau bestimmten Aussage das angegriffene Urteil von welcher genau bestimmten Aussage des Bundessozialgerichts (BSG) oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 21, 29). Eine vorschriftsmäßig begründete Verfahrensrüge liegt nur dann vor, wenn die sie begründenden Tatsachen im einzelnen genau angegeben sind und in sich verständlich den behaupteten Verfahrensfehler ergeben (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Diese Erfordernisse betreffen die gesetzliche Form iS des § 169 Satz 1 SGG.

Die Beschwerde ist in diesem Sinne nicht formgerecht begründet. Soweit der Kläger eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht gemäß § 103 SGG rügt, ist der Verfahrensfehler schon deshalb nicht schlüssig dargetan, weil es an der Bezeichnung eines Beweisantrages fehlt, dem das Landessozialgericht (LSG) ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ist die Verfahrensrüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht nur unter dieser Voraussetzung zulässig. Auch der Verfahrensfehler einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Grundgesetz -GG-, § 62 SGG) ist von dem Kläger nicht schlüssig dargetan. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 63, 80, 85). Der Kläger verkennt nicht, daß sich daraus nicht die Verpflichtung des Gerichts ergibt, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (BVerfGE 50, 287, 289). Er meint aber, das LSG habe bereits den Kern seines gesamten Vorbringens, daß er durch kriegsbedingte Verhältnisse nicht die optimale medizinische Versorgung erhalten und deshalb sich seine Krankheit verschlimmert habe, nicht beachtet. Aus den Gründen des angefochtenen Urteils ergibt sich aber, daß das LSG von einer mangelhaften medizinischen Versorgung des Klägers während des Krieges ausgegangen ist. Es hat einen Versorgungsanspruch des Klägers allein deswegen verneint, weil der Gesundheitsschaden des Klägers nicht auf ein schädigendes Ereignis, sondern auf die allgemeinen kriegsbedingten Verhältnisse zurückzuführen sei, die einen Versorgungsanspruch nicht begründen könnten. Damit hat das LSG das Vorbringen des Klägers hinreichend berücksichtigt; daß es ihm nicht gefolgt ist, begründet keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.

Der Kläger sieht schließlich eine Abweichung des LSG von dem Beschluß des BSG vom 19. Juni 1961 (SozR Nr 4 zu § 192 SGG), indem es ihm gem § 192 SGG Mutwillenskosten auferlegt habe. Damit ist eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nicht hinreichend dargelegt. Dazu reicht nicht aus, daß das LSG bei Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen. Vielmehr muß ein Rechtssatz aufgezeigt werden, mit dem das LSG von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen ist. Der Kläger trägt aber lediglich vor, das LSG habe zu Unrecht aus dem gegebenen Sachverhalt den Schluß auf einen subjektiven Mutwillen gezogen. Er greift damit allein die Beweiswürdigung an. Im übrigen wäre selbst bei Vorliegen einer Divergenz auf die Nichtzulassungsbeschwerde die Revision nicht zuzulassen, weil die Revision allein die Kostenentscheidung beträfe und deswegen unzulässig wäre (BSG SozR 1500 § 160 Nr 54).

Eine Veranlassung, dem Kläger Mutwillenskosten für das Beschwerdeverfahren aufzuerlegen, sieht der Senat nicht.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1650484

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