Verfahrensgang
SG Meiningen (Entscheidung vom 18.05.2017; Aktenzeichen S 5 R 2098/13) |
Thüringer LSG (Urteil vom 24.07.2019; Aktenzeichen L 12 R 1025/17) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 24. Juli 2019 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Mit Urteil vom 24.7.2019 hat das Thüringer LSG einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen krankheitsbedingter Einschränkungen seiner Erwerbsfähigkeit verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf alle Zulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG.
II
Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- die angefochtene Entscheidung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Dass der Kläger das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann dagegen nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
1. Die Beschwerdebegründung vom 30.1.2020 sowie 6.2.2020 genügt nicht den Anforderungen aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG, soweit sich der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache beruft.
Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr; zB BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 9 mwN; vgl auch BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7; jüngst BSG Beschluss vom 29.6.2018 - B 13 R 9/16 B - juris RdNr 12).
Der Kläger misst folgender Frage grundsätzliche Bedeutung zu:
"Stellt eine unterbrochene Arbeitsunfähigkeit i.S.d. § 44 SGB V über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr nicht jedenfalls ein Indiz dafür dar, dass bei den Betroffenen eine Erwerbsminderung in rentenberechtigendem Ausmaße vorliegt".
Es kann dahinstehen, ob der Kläger damit eine hinreichend konkrete Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht aufgeworfen und in den folgenden Ausführungen den vom Revisionsgericht erwarteten klärenden Schritt ausreichend konkret dargelegt hat, oder ob er vielmehr im Kern eine Frage zur Rechtsanwendung im Einzelfall gestellt hat. Jedenfalls hat er - die Qualität als Rechtsfrage unterstellt - die Klärungsbedürftigkeit bzw Klärungsfähigkeit dieser Frage nicht den nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG diesbezüglich geltenden Anforderungen genügend dargelegt.
Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als bereits höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG Beschluss vom 8.2.2017 - B 13 R 294/16 B - juris RdNr 4). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung vorliege oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet sei (Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 183 mwN).
Dem genügen die erläuternden Ausführungen der Beschwerdebegründung zur og Frage nicht. Es fehlt bereits an einem Hinweis, im Zusammenhang mit welcher Norm des Bundesrechts sich diese Frage konkret stellen soll. Dementsprechend fehlt auch eine Untersuchung des Wortlauts der einschlägigen Normen darauf, ob sich daraus relevante Unterschiede in den Voraussetzungen für die Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit nach § 49 SGB V und einer gesundheitsbedingten Rentenberechtigung ergeben könnten. Daher geht der Kläger auch nicht der Frage nach, welche Hinweise zur Beantwortung der von ihm formulierten Frage sich aus diesen Normen ergeben könnten.
Jedenfalls aber hat der Kläger auch die Klärungsfähigkeit der formulierten Frage schon wegen einer unzureichenden Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts nicht dargelegt. Nur durch die Zusammenschau verschiedener Passagen der Beschwerdebegründung wird überhaupt der Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits erkennbar, wobei der genaue Streitgegenstand im Dunklen bleibt. Insbesondere zeigt der Kläger nicht auf, welche Tatsachen vom LSG im angegriffenen Urteil festgestellt worden sind. Nur letztere können aber einer Entscheidung des BSG in der angestrebten Revision zugrunde gelegt werden. Ohne die Angabe des genauen Streitgegenstands und der vom LSG festgestellten Tatsachen ist der Senat jedoch nicht in der Lage, wie erforderlich, allein aufgrund der Beschwerdebegründung die Entscheidungserheblichkeit einer Rechtsfrage zu beurteilen (vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 13e mwN). Es ist nicht Aufgabe des erkennenden Senats, sich den maßgeblichen Sachverhalt aus den Akten oder der angegriffenen Entscheidung herauszusuchen (vgl BSG Beschluss vom 31.5.2017 - B 5 R 358/16 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 8.8.2019 - B 13 R 289/18 B - juris RdNr 11).
2. Auch ein Verfahrensmangel wird in der Beschwerdebegründung des Klägers nicht den insoweit geltenden Anforderungen gerecht bezeichnet.
Zur Bezeichnung eines Verfahrensmangels müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 mwN; BSG Beschluss vom 20.2.2018 - B 10 LW 3/17 B - juris RdNr 4). Zu beachten ist, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 2 SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 3 SGG).
Im Hinblick auf die nach Auffassung des Klägers vom LSG zu Unrecht unterlassene Vernehmung bestimmter Ärzte als Zeugen trägt der Kläger zwar vor, diese noch im Termin zur mündlichen Verhandlung zu Protokoll beantragt zu haben. Damit hat der bereits vor dem LSG rechtskundig vertretene Kläger jedoch nicht - wie erforderlich - dargelegt, einen ordnungsgemäßen Beweisantrag iS des § 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 373 bzw § 414 iVm § 373 ZPO gestellt zu haben. Ein solcher Antrag muss grundsätzlich in prozessordnungsgerechter Weise formuliert sein, sich regelmäßig auf ein Beweismittel der ZPO beziehen, das Beweisthema möglichst konkret angeben und insoweit wenigstens umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben soll (BSG Beschluss vom 15.8.2018 - B 13 R 387/16 B - juris RdNr 6; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 18a mwN). Der nach den Darlegungen des Klägers zu Protokoll gestellte Antrag enthält mit der Formulierung, bestimmte Ärzte "zur Gesundheit des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum zu hören", nur ein vages, allenfalls aus dem Verfahrenskontext heraus verständliches Beweisthema. Einem solchen Antrag fehlt zudem jedweder Hinweis darauf, was die Beweisaufnahme ergeben soll. Im Streit über einen Anspruch auf eine Rente wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen im Erwerbsleben hätte der Beweisantrag aber auf den Nachweis einer bestimmten anspruchsbegründenden Tatsache, zB eines allenfalls unter sechsstündigen Leistungsvermögens am allgemeinen Arbeitsmarkt zu einem bestimmten Zeitpunkt, gerichtet sein müssen (BSG Beschluss vom 24.1.2018 - B 13 R 377/15 B - juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 15.8.2018 - B 13 R 387/16 B - juris RdNr 6). Dies ist der vom Kläger vorgetragenen Antragsformulierung nicht zu entnehmen.
Ein Verfahrensmangel durch eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) wird ebenfalls nicht ordnungsgemäß bezeichnet. Diesbezüglich macht der Kläger geltend, dass Berufungsgericht habe "eine Unmöglichkeit der Beweiserhebung durch nervenärztliches Gutachten nicht unterstellen dürfen" und "eine Ausschöpfung der Beweismittel" sei durch das Berufungsgericht gerade nicht erfolgt. Jedoch rügt der Kläger damit der Sache nach keine Gehörsverletzung, sondern eine unzureichende Sachaufklärung durch das LSG, also eine Verletzung des § 103 SGG. Eine solche Rüge ist - wie bereits dargelegt - allerdings nur dann statthaft, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 3 SGG). Einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag hat der Kläger - wie bereits erörtert - nicht bezeichnet. Im Übrigen gilt, dass die Einschränkungen des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG für die Geltendmachung eines Verfahrensmangels wegen Verletzung des § 103 SGG auch nicht durch die Berufung auf die vermeintliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör umgangen werden können (vgl BSG Beschluss vom 18.5.2016 - B 5 RS 10/16 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 29.6.2018 - B 13 R 9/16 B - juris RdNr 10).
Anforderungsgerecht bezeichnet ist eine Gehörsverletzung auch nicht, soweit der Kläger darüber hinaus die Ansicht vertritt, das Gericht habe nicht "von den klägerischen Ausführungen abweichen" dürfen und habe ihm vor einer "negativen Entscheidung" Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. Diesbezüglich verkennt er, dass keine allgemeine Verpflichtung des Gerichts besteht, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Tatsachen- und Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern. Sie wird weder durch den allgemeinen Anspruch auf rechtliches Gehör aus § 62 SGG bzw Art 103 Abs 1 GG noch durch die Regelungen zu richterlichen Hinweispflichten (§ 106 Abs 1 bzw § 112 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet. Denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung (vgl BSG Beschluss vom 24.1.2018 - B 13 R 377/15 B - juris RdNr 19; BSG Urteil vom 17.4.2013 - B 9 SB 3/12 R - juris RdNr 44; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 590 mwN). Im Übrigen gebietet der Anspruch auf rechtliches Gehör nur, dass die Gerichte die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen; es verpflichtet sie aber nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen, ihn also zu "erhören" (BVerfG Beschluss vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - NZS 2014, 539 RdNr 13 mwN).
3. Eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG wird mit der Beschwerdebegründung schon deshalb nicht anforderungsgerecht dargelegt, weil der Kläger keinen Rechtssatz aus dem angegriffenen Urteil benennt, mit dem das LSG von einem Rechtssatz aus dem Urteil des BVerfG vom 28.4.1999 (1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95 - BVerfGE 100, 1) abgewichen sein könnte. Mit seiner knappen Begründung hierzu rügt er allenfalls die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten, eher allgemein umschriebenen Rechtssatzes aus dem Urteil des BVerfG durch das LSG (bloße Subsumtionsrüge). Jedoch ermöglicht nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f; BSG Beschluss vom 24.4.2015 - B 13 R 37/15 B - juris RdNr 6). Dass der Kläger das angegriffene Urteil für fehlerhaft hält, vermag - wie bereits oben dargelegt - die Zulassung der Revision nicht zu begründen.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14297506 |