Verfahrensgang
SG München (Entscheidung vom 20.05.2022; Aktenzeichen S 14 R 1448/21) |
Bayerisches LSG (Urteil vom 24.05.2023; Aktenzeichen L 6 R 323/22) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Mai 2023 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt in dem hier zugrundeliegenden Rechtsstreit von der Beklagten ua eine höhere Rentenzahlung unter Berücksichtigung von weiteren Anrechnungszeiten und die Verzinsung der Rentennachzahlung.
Nach Bewilligung einer zunächst nur befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1.1.2019 bis zum 30.11.2021(Bescheid vom 22.6.2020) half die Beklagte dem dagegen erhobenen Widerspruch vollständig ab und gewährte eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer(Bescheid vom 1.4.2021; Widerspruchsbescheid vom 29.10.2021) .
Das SG hat die Beklagte unter Änderung des Widerspruchsbescheids vom 29.10.2021 verurteilt, der Klägerin die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu einem Drittel zu erstatten und im Übrigen die Klage abgewiesen(Gerichtsbescheid vom 20.5.2022) . Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ua die Berücksichtigung von Fachschulzeiten vom 1.8.1983 bis zum 27.10.1984 sowie einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme in der Zeit vom 26.10.2009 bis 27.1.2010 als weitere Anrechnungszeit und die Vorlage der Rechtssache an den EuGH begehrt. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen(Urteil vom 24.5.2023) .
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 26.7.2023 Beschwerde beim BSG eingelegt und mit Schreiben vom 16.8.2023 weiter begründet. Sie rügt verschiedene Verfahrensmängel iS von§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG .
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form begründet ist. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne(§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) , so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels(§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) zunächst die Umstände, aus denen sich der Verfahrensfehler ergeben soll, substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Die Beschwerdebegründung rügt einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht des LSG nach § 103 SGG und eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nachArt 103 GG . Zum Nachweis eines Fachschulbesuchs in der Zeit vom 1.8.1993 bis zum 27.10.1984 und einer berufsfördernden Bildungsmaßnahme im Zeitraum vom 26.10.2009 bis zum 27.1.2010 benennt die Klägerin verschiedenste vor dem SG(Schreiben vom 29.11.2021, 22.2.2022, 9.5.2022) und vor dem LSG gestellte Beweisanträge(Schreiben vom 20.6.2022, 3.2.2023, 2.3.2023 und 13.4.2023) .
Dabei fehlt es schon an Vortrag dazu, dass sie ihre Beweisanträge bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten hat. Ein Beteiligter kann nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt(stRspr; vgl uaBSG Beschluss vom 2.1.2024 - B 5 R 134/23 B - juris RdNr 8 mwN) . Dies legt die Klägerin bereits nicht dar. Nach ihrem Vortrag wiederholte sie mit Schreiben vom 3.2.2023 und 2.3.2023 alle Beweisanträge und erweiterte sie teilweise. Dass sie an diesen Anträgen auch in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG festgehalten hat, trägt sie nicht vor. Auch eine nicht anwaltlich vertretene Beteiligte muss dem Gericht deutlich machen, dass sie noch Aufklärungsbedarf sieht und nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG darlegen, einen konkreten Beweisantrag zumindest sinngemäß gestellt zu haben(vglBSG Beschluss vom 20.12.2023 - B 5 R 81/23 B - juris RdNr 8 mwN) .
Es erschließt sich aus der Beschwerdebegründung auch nicht, in welcher Hinsicht ausgehend von der Rechtsauffassung des LSG noch weiterer Aufklärungsbedarf bestanden haben soll. Hinsichtlich des Fachschulbesuchs benennt die Klägerin sämtliche Schriftstücke, die sie der Klageschrift und einem Schreiben vom 22.2.2022 beigefügt habe, als "Beweisanträge". Bei der Vorlage von Nachweisen handelt es sich jedoch nicht um Beweisanträge zu noch aufklärungsbedürftigen Punkten(vgl § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm§ 403 ZPO ) , sondern um die Präsentation von Beweismitteln. Deren Würdigung obliegt dem Tatsachengericht und kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde nach dem eindeutigen Wortlaut des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht angegriffen werden. Dass das SG und ihm folgend das LSG die "Beweisanträge" der Klägerin nicht in ihrem Sinne bewertet hat, vermag auch keinen Verstoß gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör zu begründen.
Soweit die Klägerin auf ihre Anträge verweist, den Leiter der behördlichen Aufsichtsbehörde für Unterricht und Kultus in L (Herr B), eines Vertreters der privaten Hochschule A (Herr D1), Mme C A sowie den Bayerischen Staatsminister für Unterricht und Kultus als Zeugen zu vernehmen, fehlt es an hinreichendem Vortrag, weshalb zu einer Anhörung dieser Personen zwingende Veranlassung bestanden haben soll. Die Klägerin trägt selbst vor, es sei für ihren Anspruch auf die Bestätigung der Teilnahme an den einzelnen Unterrichtsstunden angekommen. Die benannten Personen könnten nach ihrem Vorbringen Angaben machen zu Regularien und Procedere im Jahr 1984 in der Fachschule D2 in L (Herr D1 und Mme A), über die Voraussetzungen für die Anmeldung zum Diplom der französischen Sprache (Herr B) und zum Umfang des Präsenzunterrichts im Abiturjahr 1983/84, der den Fachschulbesuch nicht ausgeschlossen habe (Bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus). Abgesehen davon, dass das LSG nach dem Vorbringen der Klägerin selbst den letzten Punkt für irrelevant gehalten hat, fehlt es an Vortrag dazu, welche nicht durch Urkunden belegten neuen Erkenntnisse sich hieraus ergeben hätten und was die benannten Zeugen konkret zum Fachschulbesuch der Klägerin hätten bekunden können. Im Kern wendet sich die Klägerin damit wiederum gegen die Beweiswürdigung durch das LSG, die mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht angegriffen werden kann(§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) . Auch eine vermeintlich falsche Rechtsanwendung, wie sie die Klägerin mit ihrem Vortrag rügt, das LSG habe unzutreffende Kriterien für die Berücksichtigung von weiteren Anrechnungszeiten zugrunde gelegt, vermag eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu begründen.
Hinsichtlich der von der Klägerin begehrten Berücksichtigung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme in der Zeit vom 26.10.2009 bis 27.1.2010 ist ebenfalls kein Verfahrensfehler ausreichend bezeichnet. Die Klägerin macht auch insoweit geltend, das LSG sei ohne hinreichende Begründung ihren Beweisanträgen vom 3.2.2023 und vom 2.3.2023 nicht gefolgt. Das LSG hat nach ihrem Vorbringen seine Entscheidung aber unter Hinweis auf die Begründung des SG darauf gestützt, dass die Klage insoweit nicht zulässig sei, weil die Klägerin die Berücksichtigung dieser Zeit nicht bei der Beklagten beantragt, diese darüber keine Entscheidung getroffen und die Klägerin auch im Widerspruchsverfahren eine Berücksichtigung nicht geltend gemacht habe. Inwiefern die angefochtene Entscheidung danach auf dem Verfahrensmangel einer unzureichenden Amtsermittlung beruhen könnte, erläutert die Beschwerdebegründung nicht. Sofern die Klägerin unter Hinweis auf ihre erweiterte Widerspruchsbegründung geltend macht, das LSG hätte die Klage nicht als unzulässig erachten dürfen, fehlt es ebenfalls an hinreichenden Ausführungen zu einem Beruhen des Urteils auf diesem Umstand, hat doch das LSG nach ihrem Vortrag daneben auch die Voraussetzungen für eine Maßnahme der beruflichen Eingliederung verneint.
Zum materiell-rechtlichen Anspruch auf Berücksichtigung einer weiteren Anrechnungszeit aufgrund des Lehrgangs zur Immobilienmanagerin, den das LSG ergänzend abgelehnt hat, benennt die Klägerin als "Beweisanträge" wiederum zahlreiche Schriftstücke, deren Erklärungsinhalte nach ihrer Auffassung vom LSG zu Unrecht ignoriert worden seien. Damit bezeichnet sie keine prozessordnungsgemäßen Beweisanträge zu klärungsbedürftigen Tatsachenfragen. Dass die Klägerin der Auffassung ist, das LSG habe die Erklärungsinhalte der vorgelegten Schriftstücke ignoriert, bezeichnet kein fehlerhaftes prozessuales Vorgehen des Gerichts, sondern zielt erneut gegen die Beweiswürdigung des LSG. Auf eine solche Rüge kann die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.
Soweit sie nach ihrem Vortrag Zeugenbeweis dafür beantragt hat, dass die Maßnahme der beruflichen Eingliederung diente, dafür geeignet war und als Vollzeitlehrgang mehr als 20 Wochenstunden umfasste, fehlt es an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der Argumentation des LSG, wonach vor dem Hintergrund des Werdegangs der Klägerin der Lehrgang zur Immobilienmanagerin keine berufsbegleitende schulische Ausbildung oder eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme gewesen sei. Auch könne die Zeit wegen der fehlenden Anknüpfung an eine versicherungspflichtige Beschäftigung nicht als Zeit der Arbeitslosigkeit berücksichtigt werden. Unabhängig davon ist auch hier nicht vorgetragen, dass die Beweisanträge bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten worden seien.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen(vgl§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von§ 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16326986 |