Verfahrensgang
SG Berlin (Entscheidung vom 23.06.2022; Aktenzeichen S 183 AS 7132/18) |
LSG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 13.03.2024; Aktenzeichen L 5 AS 729/22) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. März 2024 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in der vorgenannten Entscheidung wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
1. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter(§ 73 Abs 4 SGG ) in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erfolgreich zu begründen. Da kein Anspruch auf Bewilligung von PKH besteht, ist auch der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen( § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm§ 121 ZPO ) .
Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat(Nr 1) , das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht(Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann(Nr 3) .
Solche Zulassungsgründe sind nach summarischer Prüfung des Streitstoffs auf der Grundlage des Inhalts der Gerichtsakten sowie unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht erkennbar. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung haben könnte. Das LSG hat, soweit es die Klage nicht bereits als unzulässig angesehen hat, die auf die Gewährung von weiteren bzw höheren Mehrbedarfen nach§ 21 Abs 4 ,5 und 6 SGB II in der Zeit vom 1.5.2017 bis 30.4.2019 gerichtete Berufung - teilweise unter Verweis auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe(§ 153 Abs 2 SGG ) - zurückgewiesen, weil die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlagen nicht erfüllt seien. Dies betrifft die Umstände des Einzelfalles, wirft aber keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.
Auch für eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG oder einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist nichts ersichtlich.
Nicht zu beanstanden ist insbesondere, dass das LSG gemäß § 153 Abs 4 Satz 1 SGG durch Beschluss entschieden hat. Das LSG hat - entgegen der Behauptung des Klägers - die Beteiligten mit Schreiben vom 6.10.2022 hierzu angehört. Dieses Schreiben ist dem Kläger am Folgetag zugestellt worden. Der Kläger hat hierauf erneut ausgeführt, warum nach seiner Auffassung die Berufung begründet sei. Diese und spätere Äußerungen des Klägers mussten für das LSG nicht Anlass für eine erneute Anhörungsmitteilung sein, denn eine solche ist nur erforderlich, wenn eine entscheidungserhebliche Änderung der Prozesssituation eingetreten ist(stRspr; etwaBSG vom 10.11.2022 - B 1 KR 21/21 R - juris RdNr 16 - zur Veröffentlichung in SozR 4-1500 § 153 vorgesehen;BSG vom 22.12.2022 - B 5 R 166/22 B - juris RdNr 6 mwN) . Daran fehlt es, wenn - wie hier - der Berufungskläger lediglich sein Vorbringen wiederholt oder ergänzt, ohne eine neue prozessuale Situation zu schaffen(vglBSG vom 14.6.2018 - B 9 SB 92/17 B - juris RdNr 7 f;BSG vom 10.11.2022 - B 1 KR 21/21 R - juris RdNr 16 - zur Veröffentlichung in SozR 4-1500 § 153 vorgesehen) . Auch die Einreichung von Befundberichten oder Arztbriefen als solches führt keine neue prozessuale Situation herbei(BSG vom 30.1.2020 - B 9 V 40/19 B - juris RdNr 10 ). Es ist nicht erkennbar, dass die im Juli 2023 übersandten Arztbriefe aus den Jahren 2016 bis 2023 ausgehend von der Rechtsauffassung des LSG entscheidungserheblich gewesen sein könnten. Ebenso wenig ist zu erkennen, dass der hiermit verbundene Hinweis des Klägers auf eine Verschlechterung seines Gesundheitszustands Anlass zu weiteren Beweiserhebungen in Hinblick auf die geltend gemachten Mehrbedarfe für die Zeit vom 1.5.2017 bis 30.4.2019 gegeben hätte. Neuer Beteiligtenvortrag ist gerade dann nicht entscheidungserheblich, wenn er für die Absicht des LSG, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, weder hinsichtlich der Verfahrensweise noch in der Sache von Bedeutung ist. Das Berufungsgericht muss den Beteiligten dann weder mitteilen, dass es an seiner Absicht, durch Beschluss zu entscheiden, festhält noch wie es den Vortrag zu würdigen gedenkt(BSG vom 14.6.2018 - B 9 SB 92/17 B - juris RdNr 7 f) .
Auch der große zeitliche Abstand zwischen der Anhörungsmitteilung und der Beschlussfassung stellt keinen Verfahrensmangel dar. Eine Anhörungsmitteilung verliert nicht durch bloßen Zeitablauf ihre Wirkung(BSG vom 7.12.2023 - B 4 AS 44/23 C - juris RdNr 11 mwN - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) .
Der Umstand, dass nach der Anhörungsmitteilung vom 6.10.2022 ein anderer Senat des Berufungsgerichts zuständig geworden ist und entschieden hat, stellt ebenfalls keinen Verfahrensmangel dar. Selbst wenn eine derartige Änderung des Geschäftsverteilungsplans eine erneute Anhörungsmitteilung erforderlich machen würde(dazu skeptischBSG vom 19.12.2006 - B 7a AL 148/06 B - juris RdNr 7 ; unter Hinweis darauf ablehnend Karl in Zeihe/Hauck, SGG, § 153 RdNr 21f, Stand November 2023) , war dem hier jedenfalls dadurch Genüge getan, dass der zuständig gewordene 5. Senat des LSG mit Schreiben vom 4.5.2023 ausdrücklich auf das Schreiben des 19. Senats des LSG vom 6.10.2022 verwiesen hat und der Kläger anschließend noch hinreichend Zeit für eine Äußerung hatte.
Dass der Kläger, worauf er verweist, der Entscheidung durch Beschluss nicht positiv zugestimmt hat, steht einer Entscheidung nach § 153 Abs 4 Satz 1 SGG nicht entgegen. Diese Verfahrensweise ist nicht von der Zustimmung der Beteiligten abhängig(BSG vom 24.8.2021 - B 4 AS 32/21 BH - juris RdNr 7 ;BSG vom 18.4.2023 - B 5 R 16/23 B - juris RdNr 6 mwN; zu § 130a VwGOBVerwG vom 24.5.2023 - 5 B 20/22 - juris RdNr 19 ) . Entgegen der Darstellung des Klägers hat dieser der angekündigten Verfahrensweise auch nicht widersprochen.
Es ist schließlich auch nicht ersichtlich, dass der Kläger eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht mit Erfolg rügen könnte. Er moniert insofern, dass das LSG den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt und insbesondere kein Sachverständigengutachten eingeholt habe. Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützen will, muss ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund derer bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten(stRspr; zuletztBSG vom 20.2.2024 - B 1 KR 56/23 BH - juris RdNr 19 mwN) . Kündigt das Berufungsgericht - wie hier - an, durch Beschluss zu entscheiden, muss ein solcher Beweisantrag anschließend schriftsätzlich gestellt bzw aufrechterhalten werden(BSG vom 11.9.2019 - B 1 KR 62/18 B - juris RdNr 7 ;BSG vom 30.8.2022 - B 9 SB 17/22 B - juris RdNr 7 ;BSG vom 17.4.2023 - B 9 V 38/22 B - juris RdNr 8 ) . Zwar sind an Form, Inhalt, Formulierung und Präzisierung eines Beweisantrags verminderte Anforderungen zu stellen, wenn der Kläger - wie hier - in der Berufungsinstanz durch keinen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertreten war(BSG vom 8.5.2018 - B 1 KR 3/18 B - juris RdNr 5 mwN) . Auch ein unvertretener Kläger muss aber dem Gericht deutlich machen, dass er noch Aufklärungsbedarf sieht(BSG vom 8.5.2018 - B 1 KR 3/18 B - juris RdNr 5 mwN) . Selbst wenn man in den im Juli 2023 übersandten Arztbriefen und dem Hinweis des Klägers auf eine Gesundheitsverschlechterung eine solche Beweisanregung sehen wollte, ist nicht erkennbar, dass diese - wie auch insoweit erforderlich - entscheidungserheblich gewesen sein könnte.
2. Die von dem Kläger selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Formvorschriften und ist deshalb als unzulässig zu verwerfen(§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm§ 169 Satz 2 SGG ) . Die Verwerfung erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf§ 193 Abs 1 Satz 1 , Abs 4 SGG.
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Fundstellen
Dokument-Index HI16469071 |