Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 3. Dezember 2020 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 919,90 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Die Klägerin ist als Trägerin eines Universitätsklinikums (im Folgenden: Krankenhaus) nach § 108 Nr 1 SGB V zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Das Krankenhaus behandelte einen Versicherten der beklagten Krankenkasse vom 23.5.2010 bis zum 1.6.2010 vollstationär mit einer koronaren Bypass-Operation und rechnete hierfür 12 906,10 Euro nach Fallpauschale (DRG) F06F ab. Im Rechnungsbetrag war das Zusatzentgelt (ZE) 2010-8402 (Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten, 2 Apherese-Thrombozytenkonzentrate) in Höhe von 916,90 Euro enthalten. Die Krankenkasse zahlte den Rechnungsbetrag zunächst vollständig, verrechnete am 22.9.2010 jedoch 919,90 Euro mit einer anderen, unstreitigen Vergütungsforderung des Krankenhauses: Statt der (zur Kodierung des abgerechneten ZE führenden) Behandlung mit Apherese-Thrombozytenkonzentraten (ATK) hätte auch eine Behandlung mit gepoolten Thrombozytenkonzentraten (PTK) erfolgen können, für die kein gesondertes ZE angefallen wäre. Das SG hat die Klage auf Zahlung der vollständigen Vergütung abgewiesen (Urteil vom 28.5.2018). Das LSG hat die Berufung des Krankenhauses zurückgewiesen: Dem Krankenhaus stehe bei Existenz verschiedener gleich zweckmäßiger und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten nur diejenige Vergütung zu, die bei Durchführung der wirtschaftlicheren Behandlungsmöglichkeit angefallen wäre. Im hier vorliegenden Einzelfall sei die kostengünstigere PTK zur Behandlung des Versicherten genauso geeignet gewesen wie die ATK. Dies habe für den Behandlungszeitpunkt im Jahr 2010 das MDK-Gutachten von H vom 6.6.2011 ergeben, der sich ua auf das Grundsatzgutachten des Transfusionsmediziners B vom MDK-Baden-Württemberg vom 19.10.2010 bezogen habe, der die Studienlage ausführlich ausgewertet sowie die Risiken bewertet habe und nachvollziehbar zu der Schlussfolgerung gekommen sei, dass ATK und PTK (mit Ausnahme bestimmter Indikationen, die hier nicht vorlägen) gleichwertig seien. Dies bestätige auch eine ausführliche, vom SG beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI) eingeholte Stellungnahme vom 18.5.2016. Dass das Krankenhaus von einer statistisch-mathematischen Infektions-Risikoerhöhung bei der Verwendung von Spenderblut von vier bis sechs Blutspendern bei der PTK (gegenüber der Verwendung von Spenderblut von nur einem Blutspender bei der ATK) ausgehe, sei zwar im Ansatz nachvollziehbar. Für die generelle Risikoabschätzung sei jedoch das PEI als Zulassungsbehörde zuständig. Bei der Zulassung beider Präparate durch das PEI und Nichtvorliegen einer Kontraindikation im hier maßgeblichen Einzelfall sei es nicht Aufgabe des Gerichts, einer abweichenden generellen Risikobewertung des Krankenhauses nachzugehen oder die wissenschaftlich insoweit kontrovers diskutierte Frage durch Einholung von Sachverständigengutachten einer Klärung zuzuführen (Urteil vom 3.12.2020).
Mit seiner Beschwerde wendet sich das Krankenhaus gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und des Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
Das Krankenhaus formuliert als Rechtsfrage,
"ob in jedem Fall der Verabreichung von ATK diese abgerechnet werden können oder ob dem Vergütungsanspruch entgegensteht, dass die Gabe von PTK womöglich ausreichend und wirtschaftlich i.S.d. des Wirtschaftlichkeitsgebotes nach § 12 SGB V gewesen wäre und damit die Gabe von ATK nur in Ausnahmefällen abrechenbar ist".
Es legt jedoch die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht ausreichend dar. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG vom 22.2.2017 - B 1 KR 73/16 B - juris RdNr 8 mwN; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit eines entsprechenden Maßstabs BVerfG ≪Kammer≫ vom 12.9.1991 - 1 BvR 765/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10 f = juris RdNr 4). Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann wieder klärungsbedürftig werden, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden, was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zB BSG vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32; BSG vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - juris RdNr 7). Erneute Klärungsbedürftigkeit ist darüber hinaus auch gegeben, wenn neue erhebliche Gesichtspunkte gegen die bisherige Rechtsprechung vorgebracht werden, die zu einer über die bisherige Erörterung hinausgehenden Betrachtung der aufgeworfenen Fragestellung führen können und die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung nicht offensichtlich ausschließen (vgl BSG vom 14.12.2020 - B 1 KR 16/20 B - juris RdNr 7; BSG vom 11.2.2020 - B 10 EG 14/19 B - juris RdNr 6, jeweils mwN). Dass die aufgeworfene Rechtsfrage gemessen daran klärungsbedürftig sei, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf.
Das BSG vertritt in ständiger Rechtsprechung, dass ein Vergütungsanspruch nur für wirtschaftliche Behandlungen besteht (stRspr; vgl zB BSG vom 28.3.2017 - B 1 KR 29/16 R - BSGE 123, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 61, RdNr 9, 21 mwN; BSG vom 13.11.2012 - B 1 KR 6/12 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 27 RdNr 9; BSG vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13; BSG vom 16.12.2008 - B 1 KN 1/07 KR R - BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11). Dies gilt nach der Rechtsprechung des BSG auch für Fälle, in denen - wie hier nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen (dazu 2.) und daher bindenden Feststellungen des LSG - für die Behandlung die Gabe von PTK ausreicht, die Gabe von ATK dagegen zwar ebenfalls geeignet, aber nicht erforderlich ist (vgl BSG vom 10.3.2015 - B 1 KR 2/15 R - BSGE 118, 155 = SozR 4-2500 § 39 Nr 23, RdNr 14 ff). Mit dieser Rechtsprechung setzt sich die Beschwerdebegründung nur auf der - hier unbeachtlichen - tatsächlichen Ebene auseinander. Das Krankenhaus verweist darauf, dass die Entscheidung des BSG vom 10.3.2015 sich nicht mit der Frage des Infektionsrisikos von ATK und PTK befasst habe, also aus tatsächlichen Gründen unzulänglich sei. Es formuliert aber weder eine Rechtsfrage zur rechtlichen Bedeutung von Maßnahmen und Bewertungen des PEI im Zusammenhang mit Thrombozytenkonzentraten noch geht es auf eine etwaige Klärungsbedürftigkeit näher ein.
2. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Die Rüge der Aufklärungspflicht (§ 103 SGG) erfordert ua, dass in der Beschwerdebegründung ein für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbarer, bis zuletzt aufrechterhaltener oder im Urteil wiedergegebener Beweisantrag bezeichnet wird, dem das LSG nicht gefolgt ist und dass die Rechtsauffassung des LSG wiedergegeben wird, auf deren Grundlage bestimmte Tatfragen klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen (stRspr; vgl zB BSG vom 16.5.2019 - B 13 R 222/18 B - juris RdNr 12 mwN).
Die Anforderungen an die Darlegung der gerügten Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG sind schon deshalb nicht erfüllt, weil das Krankenhaus keinen ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnet (stRspr; vgl zB BSG vom 20.7.2010 - B 1 KR 29/10 B - RdNr 5 mwN; BSG vom 1.3.2011 - B 1 KR 112/10 B - juris RdNr 3 mwN; BSG vom 14.10.2016 - B 1 KR 59/16 B - juris RdNr 5). Ein solcher ergibt sich auch weder aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 3.12.2020 noch wird ein solcher Antrag im angegriffenen LSG-Urteil wiedergegeben. Der Hinweis darauf, dass die "Einholung eines Sachverständigengutachtens" vom Krankenhaus angeregt worden sei, genügt insoweit nicht.
Außerdem fehlen Darlegungen dazu, dass es auf die strittige Tatsache überhaupt ankommt, diese also entscheidungserheblich ist. Denn nach der Rechtsauffassung des LSG ist für die generelle Risikoabschätzung die Einschätzung des PEI als Zulassungsbehörde maßgeblich. Das PEI habe beide Präparate als generell gleich sicher zugelassen; eine Kontraindikation für die Anwendung von PTK habe im vorliegenden Einzelfall nicht bestanden. Wieso es bei dieser Rechtsansicht des LSG noch auf eine in jedem Einzelfall vorzunehmende generelle Risikoabschätzung ankommen soll, legt das Krankenhaus nicht dar.
3. Soweit das Krankenhaus im Übrigen darzulegen versucht, dass das LSG im Hinblick auf die aufgeworfene Rechtsfrage aus ihrer Sicht anders hätte entscheiden müssen, behauptet sie lediglich eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das LSG, die nicht zur Zulassung der Revision führt. Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (vgl nur BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7).
4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14892257 |