Verfahrensgang
Sächsisches LSG (Urteil vom 24.01.2017; Aktenzeichen L 4 R 233/14) |
SG Leipzig (Entscheidung vom 28.01.2014; Aktenzeichen S 27 R 1328/11) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 24. Januar 2017 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Mit Urteil vom 24.1.2017 hat das Sächsische LSG einen Anspruch der Klägerin auf Auszahlung von 4949,19 Euro aus einer rückwirkend bewilligten, weitergewährten Rente wegen Erwerbsminderung verneint, auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG Leipzig vom 28.1.2014 aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht als Zulassungsgrund die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
1. Die Klägerin formuliert zunächst als Rechtsfrage, der sie grundsätzliche Bedeutung beimisst:
"Verstößt § 40a Satz 2 SGB II i.V.m. §§ 40 Satz 1, 104 SGB X i.V.m. Art. 2 Abs. 2 SGB2ÄndG8 gegen das verfassungsrechtlich normierte Rückwirkungsverbot?"
Die Klägerin hat die Klärungsbedürftigkeit der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage nicht hinreichend begründet. Eine Rechtsfrage ist nämlich dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 183 mwN). Soweit die Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus einer Verletzung von Normen des GG ableitet, darf sie sich dabei nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den (konkret) gerügten Verfassungsnormen bzw - prinzipien in substantieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (stRspr, zB bereits BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 f = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 13 f). Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe der jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des GG im Einzelnen dargelegt werden (stRspr, zB BSG Beschluss vom 12.7.2013 - B 1 KR 123/12 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 20.7.2010 - B 1 KR 10/10 B - Juris RdNr 6).
Dies ist nicht geschehen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG findet das Rückwirkungsverbot seinen Grund im Vertrauensschutz. Das grundsätzliche Verbot der echten Rückwirkung greift daher nur ein, wenn eine gesetzliche Regelung dazu geeignet war, Vertrauen auf ihren Fortbestand in vergangenen Zeiträumen zu erwecken (vgl BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvL 11/06 - BVerfGE 126, 369 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9 RdNr 75 mwN). Aus welchen Gründen die Klägerin nach der Rechtslage vor Einführung des § 40a SGB II darauf vertrauen konnte, dass sie nach dem SGB II bezogene Leistungen - auch neben der nachgezahlten Rente wegen Erwerbsminderung - behalten durfte, trägt die Klägerin nicht vor. Dass eine solche Rechtsauffassung, wonach in Fällen wie dem der Klägerin nach §§ 102 ff SGB X keinerlei Erstattungsanspruch bestehe, jedenfalls bis zu den Urteilen des BSG vom 31.10.2012 - B 13 R 9/12 R und B 13 R 11/11 R - überhaupt vertreten wurde, hat die Klägerin nicht dargelegt. Das Gegenteil war der Fall (vgl dazu Pattar in jurisPK-SGB II, § 40a RdNr 12 f).
2. Die Klägerin formuliert als weitere Rechtsfrage:
"Steht § 40 Abs. 2 Satz 2 SGB II alter Fassung bzw. § 40 Abs. 4 Satz 2 SGB II (in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung) in Höhe von 56 v.Hundert der Kosten der Unterkunft der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X entgegen,
bzw. beschränkt § 40 Abs. 2 Satz 1 a.F. § 40 Abs. 4 Satz 1 in der Fassung bis zum 31.12.2016 in analoger Anwendung die Erstattungsansprüche des § 104.SGB X (i.V.m. § 40a SGB II)?"
Es kann offenbleiben, ob die Klägerin mit dieser Formulierung eine abstrakte Rechtsfrage zum Anwendungsbereich einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) aufzeigt. Auch wenn man zu ihren Gunsten unterstellt, die Klägerin habe anstelle der von ihr angeführten "§ 40 Abs. 4 Satz 2 SGB II (in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung)" und "§ 40 Abs. 4 Satz 1 in der Fassung bis zum 31.12.2016" jeweils die Vorschrift des § 40 Abs 9 S 1 SGB II idF bis zum 31.12.2016 gemeint (§ 40 Abs 9 ersetzte den früheren Abs 4 gemäß Art 1 Nr 34 Buchst e Gesetz v 26.7.2016, BGBl I 1824 mWv 1.8.2016), fehlt es jedenfalls an hinreichenden Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit der von der Klägerin aufgeworfenen Problematik. Wie bereits ausgeführt ist eine Rechtsfrage insbesondere dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Nach dem Wortlaut von § 40 Abs 9 S 1 SGB II idF bis zum 31.12.2016 waren "abweichend von § 50 des Zehnten Buches" 56 Prozent der bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes berücksichtigten Bedarfe für Unterkunft nicht zu erstatten. Woraus die Klägerin entgegen des insoweit eindeutigen Gesetzestextes einen erweiterten Anwendungsbereich von § 40 Abs 9 S 1 SGB II idF bis zum 31.12.2016 auch im Verhältnis zwischen dem Jobcenter und dem Rentenversicherungsträger ableitet, begründet die Klägerin ebenso wenig wie die von ihr begehrte weitere Rechtsfolge, nämlich den Erfüllungseinwand der Beklagten nach § 107 SGB X zu beschränken.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11399708 |