Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 09.03.2016; Aktenzeichen L 3 SB 3522/14) |
SG Karlsruhe (Aktenzeichen S 6 SB 986/13) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. März 2016 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin wendet sich gegen die Herabsetzung ihres Grades der Behinderung (GdB).
Bei der Klägerin war ab dem 1.1.2005 rückwirkend ein GdB von 50 wegen orthopädischer und seelischer Erkrankungen festgestellt (Widerspruchsbescheid vom 31.10.2007).
Auf einen Verschlimmerungsantrag der Klägerin sowie gleichzeitig im Wege der Überprüfung von Amts wegen senkte der Beklagte den GdB der Klägerin auf 30 ab, weil sich ihr Gesundheitszustand wesentlich gebessert habe (Bescheid vom 28.3.2012, Widerspruchsbescheid vom 26.2.2013).
Das SG hat die dagegen gerichtete Klage nach medizinischen Ermittlungen abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 17.7.2014).
Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Das seelische Leiden der Klägerin habe sich gebessert. Ein GdB von 30 trage ihrem Behinderungszustand ausreichend Rechnung (Urteil vom 9.3.2016).
Mit ihrer gegen die Nichtzulassung der Revision in dem LSG-Urteil erhobenen Beschwerde macht die Klägerin geltend, das LSG habe Verfahrensrecht verletzt. Es habe insbesondere versäumt, über neu bei ihr aufgetretene Gesundheitsstörungen Beweis zu erheben.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die behaupteten Verfahrensmängel nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Fall der Klägerin darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§ 103 SGG), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist. Dazu muss die Beschwerdebegründung folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).
Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Allein die Erwähnung eines Beweisantritts vom 12.2.2015 genügt insoweit nicht. Denn damit ist weder die genaue Fundstelle für einen Beweisantrag genannt noch dargelegt, auf welche Tatsachen eine weitere Beweiserhebung zielen sollte, welche Ergebnisse davon zu erwarten gewesen wären und warum sie voraussichtlich zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis geführt hätten. Hat die Beschwerde damit keinen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz dargelegt, so kann sie die vermeintlich prozessordnungswidrig unterbliebenen Ermittlungen auch nicht allgemein mit Erfolg als einen Verstoß gegen die Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens rügen.
Soweit die Klägerin darüber hinaus als Verfahrensmangel rügt, das LSG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG; Art 103 Abs 1 GG) verletzt, entsprechen ihre Ausführungen gleichfalls nicht den Darlegungsanforderungen. Denn dieser Anspruch soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (s § 128 Abs 2 SGG; vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12; BVerfGE 84, 188, 190), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen miteinbezogen wird (BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 216 f). Das Gericht muss jedoch nicht ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten bescheiden. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Berücksichtigung von Vorbringen ist nur dann anzunehmen, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (BVerfGE aaO), zB wenn ein Gericht das Gegenteil des Vorgebrachten - ohne entsprechende Beweisaufnahme - annimmt, oder den Vortrag eines Beteiligten als nichtexistent behandelt (vgl BVerfGE 22, 267, 274), oder wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, sofern der Tatsachenvortrag nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht unerheblich ist (BVerfGE 86, 133, 146). Art 103 Abs 1 GG schützt indessen nicht davor, dass ein Gericht die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt (BVerfGE 64, 1, 12; 76, 93, 98).
Die Beschwerde hat nicht substantiiert dargelegt, warum das LSG die von ihr erwähnten Gesundheitsstörungen übergangen haben sollte. Sie beschäftigt sich nicht damit, dass das LSG die bei der Klägerin bestehende Fußheberparese in den Urteilsgründen ebenso erwähnt hat wie ihren Vortrag über eine Herzrhythmusstörung sowie eine Funktionseinschränkung der Schilddrüse. Soweit die Klägerin gleichwohl eine andere, höhere GdB-Bewertung dieser und ihrer sonstigen gesundheitlichen Einschränkungen geltend machen will, wendet sie sich gegen die Beweiswürdigung des LSG, die § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG indes der Beurteilung durch das Revisionsgericht vollständig entzieht. Kraft der darin enthaltenen ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung kann die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar angegriffen werden (Karmanski in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 160 RdNr 58 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10448675 |