Verfahrensgang
SG Hildesheim (Entscheidung vom 28.02.2022; Aktenzeichen S 24 AS 806/19) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 08.05.2023; Aktenzeichen L 7 AS 239/22) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 8. Mai 2023 - L 7 AS 239/22 - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
Dem Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH kann nicht stattgegeben werden. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein beim BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die vom Kläger angestrebte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG erfolgreich zu begründen. Da der Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH hat, ist auch sein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).
Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), der Beschluss des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder nach dem Vorbringen des Klägers noch nach summarischer Prüfung des Streitstoffs aufgrund des Inhalts der beigezogenen Verfahrensakte ersichtlich.
Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist nur dann anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es ist nicht erkennbar, dass sich wegen der Entscheidung der Vorinstanz, die Berufung des Klägers, mit der er den Anspruch auf Übernahme der Kosten für aus medizinischen Gründen individuell angefertigte Hosen weiterverfolgt hat, sei unzulässig, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen.
Die Entscheidung des LSG weicht auch nicht von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG ab, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Divergenz kommt ausschließlich in Betracht, wenn das LSG einen Rechtssatz in Abweichung von einem solchen des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage sein könnte, derartige abweichende Rechtssätze, auf denen die Entscheidung beruht, zu benennen.
Schließlich ist nicht erkennbar, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter einen Verfahrensmangel geltend machen könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG). Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass das LSG zu Unrecht allein eine Prozessentscheidung getroffen hat, als es die Berufung des Klägers durch Beschluss (§ 158 Satz 2 SGG) mit der Begründung als unzulässig verworfen hat, der Berufungswert übersteige 750 Euro nicht (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG) und die Berufung betreffe keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs 1 Satz 2 SGG). Das LSG ist bei der Berechnung des Berufungswerts zutreffend davon ausgegangen, was das Sozialgericht dem Kläger versagt hat und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen weiter verfolgt wird (stRspr; vgl nur BSG vom 4.7.2011 - B 14 AS 30/11 B - RdNr 4; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 144 RdNr 14 mwN). Es hat insoweit die vom Kläger im Klageantrag angegebenen Kosten für je zwei Sommer- und zwei Winterhosen, zwei Hosenträger und zweimal Nachtwäsche in Höhe von insgesamt 726 Euro zugrunde gelegt. Die vom Kläger für zwei Hin- und Rückfahrten von Hildesheim nach Hannover "für die Vermessung und Anpassung" geltend gemachten Kosten hat er in seinem Klageantrag nicht beziffert, weshalb sie vom Gericht zu ermitteln waren (BSG vom 4.7.2018 - B 3 KR 14/17 R - RdNr 14 mwN). Soweit der Kläger hierfür mit seiner ursprünglichen Klageschrift 50 Euro geltend gemacht hat, hat das LSG diese Kosten als erkennbar überhöht angesehen und bei der Berechnung nicht herangezogen. Es hat insoweit unter Bezugnahme auf die tariflichen Bedingungen in der Region ausgeführt, dass die Fahrten insgesamt 24 Euro (viermal à sechs Euro) kosten, weshalb eine verbliebene Beschwer in Höhe von 750 Euro bestehe und die Berufung der Zulassung bedürfe.
Es ist nicht ersichtlich, dass das LSG den Wert des Rechtsmittelgegenstands fehlerhaft zu niedrig angesetzt hat. Insbesondere war es vor dem Hintergrund der ansonsten vom Kläger konkret bezifferten Sachanträge nicht daran gehindert, auf die tatsächlich anfallenden Fahrtkosten abzustellen und sich nicht mit einer überschlägigen Berechnung zu begnügen (vgl hierzu bei einem Streit über den Anspruch dem Grunde nach BSG vom 2.6.2004 - B 7 AL 38/03 R - BSGE 93, 42 = SozR 4-4300 § 64 Nr 1, juris RdNr 13) und dabei im Zweifel von der zulassungsfreien Statthaftigkeit der Berufung auszugehen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 144 RdNr 15b). Soweit der Kläger gegen die Berechnung durch das LSG bereits im Berufungsverfahren eingewendet hat, das zugrunde gelegte Sparticket habe zum Zeitpunkt seiner erstmaligen Antragstellung noch nicht gegolten (Schreiben vom 12.4.2023), folgt hieraus nichts anderes, weil der Kläger keine Erstattung von bereits verauslagten Kosten begehrt.
Die vom Kläger mit seinem PKH-Antrag darüber hinaus gerügten Verfahrensfehler liegen ebenfalls nicht vor. Insbesondere ist für Verfahrensfehler im Zusammenhang mit der Entscheidung des LSG durch Beschluss gemäß § 158 Satz 2 SGG nichts ersichtlich. Es bestand schon deshalb kein Anlass zu "Ausführungen zur Sach- und Rechtslagebeurteilung" im Rahmen der Anhörungsmitteilung, weil die Berufung unzulässig war. Hierauf war das LSG im Einzelnen eingegangen. Entscheidungserheblichen Vortrag des Klägers hat es nicht übergangen. Soweit der Kläger zuletzt rügt, das LSG habe zu Unrecht zeitgleich innerhalb eines Beschlusses die Berufung verworfen und PKH abgelehnt, während er bei vorschriftsgemäßer separater PKH-Entscheidung die Möglichkeit zum ergänzenden Vortrag anhand der PKH-Beschlussbegründung gehabt hätte, liegt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG; hierzu BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 165/06 B - SozR 4-1500 § 62 Nr 9) schon deshalb nicht vor, weil die Gründe, weshalb das LSG von der Unzulässigkeit der Berufung ausging, bereits Inhalt der Anhörungsmitteilung gewesen sind.
S. Knickrehm |
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Neumann |
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Harich |
Fundstellen
Dokument-Index HI16226609 |