Verfahrensgang
LSG Berlin (Urteil vom 12.09.1996) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 12. September 1996 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger ist mit dem Begehren, ihm wegen der Folgen der anerkannten Berufskrankheit (BK) nach Nr 4302 (durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) der Anl 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) ab dem 30. April 1996 eine Verletztenrente in Höhe von 30 vH der Vollrente zu gewähren, ohne Erfolg geblieben (Bescheid vom 25. November 1991 idF des Widerspruchsbescheides vom 13. März 1992; der Klage teilweise stattgebendes Urteil des Sozialgerichts vom 9. November 1994 und die Berufung zurückweisendes Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 12. September 1996). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, daß die Folgen der anerkannten BK in Form einer bronchialen Hyperreagibilität sowie einer geringen restriktiven Ventilationsstörung ab dem 30. April 1996 mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH zu bewerten seien. Hinweise auf eine koronare Herzerkrankung oder auf eine relevante Diffusionsstörung der Lungen lägen nicht vor. Eine durch die BK bedingte Lungenfibrose sei nicht nachgewiesen. Auch eine Erhöhung des Grades der MdE gemäß § 581 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung komme nicht in Betracht.
Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde, mit der der Beschwerdeführer einen Verfahrensmangel des LSG geltend macht, ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfordern diese Vorschriften, daß die Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47 und 58; vgl auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, IX, RdNrn 177, 179 mwN). Daran fehlt es der Beschwerdebegründung.
Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Der Beschwerdeführer macht als Verfahrensmangel geltend, daß das LSG seinem durch den Prozeßbevollmächtigten mit Schreiben vom 29. August 1996 gestellten Antrag, den Termin der mündlichen Verhandlung vom 12. September 1996 zu verlegen, damit die behandelnde Ärztin für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. Pö. … zum Sachverständigengutachten des Dr. Pe. zur Frage der Diffusionsstörungen Stellung nehmen könne, nicht entsprochen habe. Die Beteiligten müßten in der Lage sein, sich fachkundigen Rat, insbesondere von den Ärzten ihres Vertrauens einzuholen. Die Ärztin habe im Mai 1996 bei ihm eine ausgedehnte Fibrose beider Lungen sowie eine Diffusionsstörung festgestellt. Er hätte aufgrund der Stellungnahme von Dr. Pö. … wirksame Einwände gegen und Ergänzungen zum Gutachten des Dr. Pe. machen können. Dadurch hätte sich das Gericht veranlaßt gesehen, ein weiteres Gutachten einzuholen, so daß eine höhere MdE bei ihm festgestellt worden wäre. Das Gericht hätte dann auch prüfen müssen, ob nicht eine BK der Nr 4107 (Erkrankungen an Lungenfibrose durch Metallstäube bei der Herstellung oder Verarbeitung von Hartmetallen) in Betracht komme und sich mit der Inhalation von Vanadium beim Reinigen von Ölheizungen befassen müssen.
Dieser Vortrag des Beschwerdeführers genügt schon deshalb nicht für eine schlüssige Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde, weil der Kläger nicht dargelegt hat, daß eine Heilung des Verfahrensmangels und damit ein Verlust des Rügerechts nicht eingetreten ist, obwohl sein Prozeßbevollmächtigter in der nächsten mündlichen Verhandlung vom 12. September 1996 den Mangel nicht gerügt hat, bzw zur Vermeidung des Verlusts des Rügerecht einen förmlichen Vertagungsantrag mit einer näheren Begründung nicht gestellt hat (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 61; BVerwG NJW 1991, S 2097).
Die Verlegung eines Termins zur mündlichen Verhandlung kommt nach § 202 SGG iVm § 227 Abs 1 Satz 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) nur aus erheblichen Gründen in Betracht. Zu diesen zählt auch die erforderliche Einräumung einer angemessenen Frist, um den Beteiligten dadurch ausreichende Gelegenheit zur Wahrnehmung ihres Anspruches auf rechtliches Gehör zu gewähren. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährt den Beteiligten ua das Recht, sich in bezug auf Tatsachen und Beweisergebnisse zu äußern. Ihnen ist dadurch Gelegenheit zu geben, sachgemäße Erklärungen abzugeben (vgl BSGE 11, 165, 166). Dem Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher nur genügt, wenn den Beteiligten für die Abgabe ihrer Erklärung eine angemessene Zeit eingeräumt ist. Diese richtet sich bei neuen Tatsachen oder Beweisergebnissen nach dem Gegenstand der Beweisaufnahme. Handelt es sich dabei um Ausführungen eines medizinischen Sachverständigen und ist der betroffene Beteiligte ein medizinischer Laie, so kann dieser eine sachgerechte Äußerung zu dem Beweisergebnis erst nach sachkundiger Beratung abgeben (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 5; Krasney/Udsching, aaO, VI, RdNr 161; Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 62 SGG RdNr 5, § 110 SGG, RdNr 5). Eine Ablehnung einer beantragten Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung, die aus erheblichen Gründen geboten gewesen wäre, kann damit den Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzen.
Es kann aber dahingestellt bleiben, ob nach den Umständen des vorliegenden Falles die Ablehnung des Terminsverlegungsantrags trotz Vorliegens eines „erheblichen Grundes” iS des § 227 Abs 1 ZPO erfolgte und damit als eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zu werten ist.
Denn selbst wenn ein Mangel des Verfahrens durch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorgelegen hat, kann er in der Revisionsinstanz nicht mehr mit Erfolg gerügt werden, wenn das Rügerecht durch schuldhaftes Unterlassen seiner Geltendmachung gemäß § 295 ZPO iVm § 202 SGG in der Berufungsinstanz verloren gegangen ist (BSGE 1, 126, 131; 4, 60, 64; BSG SozR Nr 6 zu § 112 SGG; BSG SozR 1500 § 160a Nr 61, vgl Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 136; Meyer-Ladewig, aaO, § 62 SGG RdNr 11, § 160 SGG RdNr 22; Bley in GesamtKomm, § 62 SGG, Anm 6a; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 200). § 295 ZPO ist über § 202 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden. Zu den Verfahrensmängeln, bei denen ein Verlust des Rügerechts gemäß § 295 ZPO eintreten kann, gehört die Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl Kummer, aaO). Der rechtskundige Prozeßbevollmächtigte des Klägers hätte zur Vermeidung des Verlusts des Rügerechts in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 12. September 1996 den Mangel rügen, bzw einen förmlichen Vertagungsantrag mit einer näheren Begründung stellen müssen. Dies hat er ausweislich der Sitzungsniederschrift nicht getan. Das LSG konnte am 12. September 1996 damit über die Berufung entscheiden, ohne damit gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs gemäß §§ 62, 128 Abs 2 SGG, Art 103 des Grundgesetzes zu verstoßen. Daß trotzdem kein Verlust des Rügerechts eingetreten ist, hat der Kläger nicht vorgetragen.
Da der Kläger in der Beschwerdebegründung sich nicht mit der Frage einer Heilung des gerügten Verfahrensmangels auseinandergesetzt hat, fehlen schlüssige Darlegungen darüber, daß das angefochtene Urteil auf dem Mangel beruht. Die somit nicht formgerecht begründete Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen