Verfahrensgang
LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 07.12.2016; Aktenzeichen L 17 R 777/13) |
SG Berlin (Aktenzeichen S 9 R 2859/11) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Dezember 2016 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Mit Urteil vom 7.12.2016 hat das LSG Berlin-Brandenburg einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung über den 30.9.2010 hinaus verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die Zulassungsgründe des § 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG. Für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 160a RdNr 32 ff).
Der Kläger wird bereits dem ersten Erfordernis nicht gerecht. Er hat keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Inhalt oder Anwendungsbereich einer revisiblen Norm (vgl § 162 SGG) gestellt (vgl Senatsbeschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181). Es gehört nicht zu den Aufgaben des BSG, den Vortrag des Klägers darauf zu analysieren, ob sich ihm eventuell eine entsprechende Rechtsfrage entnehmen ließe (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48).
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Der Kläger rügt sinngemäß die Fehlerhaftigkeit der vom Berufungsgericht vorgenommenen Beweiswürdigung.
Hierzu trägt er vor: Das Urteil des LSG basiere auf fragwürdigen medizinischen Gutachten, die zum Teil nicht zulässig gewesen seien (zweites Gutachten von Dr. S.), die zum Teil relativiert worden seien (Dr. B.) und die zum Teil den Richtlinien der Gutachtenerstellung der Ärztekammer widersprächen (Dr. A.). Den völlig verfälschten und streckenweise erschreckend absurden Feststellungen des Gutachters Dr. A. habe das Berufungsgericht bemerkenswert viel und absolut nicht nachvollziehbar Bedeutung zugemessen. Die Stellungnahmen von Dr. D., des Dipl.-Psychologen Se., von Dr. K., Dr. Kö. und vom Sozial-Medizinischen Institut B. habe das LSG dagegen bei seiner Entscheidung ignoriert.
Auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG, der den Grundsatz der freien Beweiswürdigung normiert, kann eine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nicht gestützt werden.
Der Kläger macht ferner sinngemäß eine Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht iS von § 103 SGG geltend.
Hierzu trägt er vor: Das LSG habe - wie schon zuvor das SG - seine zahlreichen Hinweise auf ein Berliner Krankenhaus (AVK) ignoriert, in dem sich eine Vielzahl kompetenter Ärzte mit HIV/Aids und den Nebenwirkungen der antiretroviralen Therapie beschäftigten, die besser als Sachverständige geeignet seien. Dagegen seien auffallend gezielt Ärzte beauftragt worden, die aufgrund ihrer Berufserfahrung am wenigsten geeignet seien, über die Nebenwirkungen der Therapie zu befinden. Auch ein orthopädischer Sachverständiger sei nicht befragt worden.
Mit diesem Vorbringen ist eine Verletzung des § 103 SGG nicht schlüssig bezeichnet. Der Kläger hat bereits nicht aufgezeigt, im Berufungsverfahren Beweisanträge gestellt zu haben.
War der Beschwerdeführer in der Berufungsinstanz - wie hier - durch keinen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertreten, sind zwar an Form, Inhalt, Formulierung und Präzisierung eines Beweisantrags verminderte Anforderungen zu stellen (BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5; BSG Beschluss vom 1.3.2006 - B 2 U 403/05 B - Juris RdNr 5; vgl auch BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11; BVerfG SozR 3-1500 § 160 Nr 6 S 14; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 733). Auch ein unvertretener Beteiligter muss aber einen konkreten Beweisantrag sinngemäß gestellt haben, dh angeben, welche konkreten Punkte er am Ende des Verfahrens noch für aufklärungsbedürftig gehalten hat und auf welche Beweismittel das Gericht hätte zurückgreifen sollen, um diese aufzuklären (BSG Beschlüsse vom 2.6.2003 - B 2 U 80/03 B - Juris RdNr 4 und vom 22.7.2010 - B 13 R 585/09 B - Juris RdNr 11). Diesen Anforderungen wird nicht genügt.
Dass der Kläger vor dem Berufungsgericht beantragt hat, von (bestimmten) Ärzten aus dem Berliner Krankenhaus (AVK) und einem orthopädischen Sachverständigen zu konkreten Gesundheitsstörungen ein Gutachten einzuholen, ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.
Ebenso wenig hat der Kläger mit seinem Vorbringen, es seien "Ärzte beauftragt (worden), bei denen sowohl Befangenheit als auch die Tendenz zur Ausstellung eines Gefälligkeitsgutachtens nicht zu verkennen" gewesen seien, einen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG schlüssig bezeichnet. Der Kläger hat noch nicht einmal vorgetragen, vor dem LSG ein Ablehnungsgesuch gemäß § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 406 Abs 2 ZPO gegen einen bestimmten Sachverständigen gestellt zu haben, über das das LSG nicht wie gesetzlich vorgesehen durch Beschluss (§ 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 406 Abs 4 ZPO) entschieden habe bzw das vom Berufungsgericht zu Unrecht zurückgewiesen worden sei, wodurch der angefochtenen instanzbeendenden Entscheidung ein Mangel anhafte (vgl zu den Voraussetzungen einer Verfahrensrüge in diesen Fällen Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 17 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr).
Mit seinem übrigen Vorbringen macht der Kläger die Fehlerhaftigkeit des Berufungsurteils in der Sache geltend. Hierauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde indes ausweislich § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG nicht gestützt werden.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, kann dem Kläger für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht gewährt werden (vgl § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10862602 |