Verfahrensgang

SG München (Entscheidung vom 29.03.2018; Aktenzeichen S 22 SO 344/17)

Bayerisches LSG (Urteil vom 14.03.2019; Aktenzeichen L 8 SO 168/18)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. März 2019 - L 8 SO 168/18 - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

 

Gründe

I

Im Streit ist die Frage, ob Ansprüche auf Leistungen der Erstausstattung für eine Küche als Sachleistung bestehen.

Der Kläger bezieht laufend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) von dem beklagten Träger der Sozialhilfe. Nach einem Umzug im März 2012 machte er bei der Beklagten geltend, die neue Wohnung verfüge nicht über eine Kücheneinrichtung. Im Laufe eines anschließenden Klageverfahrens schlossen die Beteiligten einen Vergleich (vom 8.11.2013), mit dem sich die Beklagte zu einer Ausstattung der Küche verpflichtete; die Konkretisierung sollte nach einer Wohnungsbegehung erfolgen. Nach einem Hausbesuch am 11.2.2014 bewilligte die Beklagte die Ausstattung mit einer Anrichte mit Spüle, einem Hängeschrank, zwei Anrichten und einem Kühlschrank, die von beauftragten Firmen geliefert und eingebaut werden sollten (Bescheid vom 26.2.2014). Diese Maßnahmen wurden nicht durchgeführt. Im April 2015 beantragte der Kläger erneut die Montage einer funktionsfähigen Kücheneinrichtung. Eine erneute Aufmaßnahme durch einen Küchenbauer im März 2017 führte zu keiner Einigung, weil die gewünschten Möbel vom Küchenbauer nicht vorgehalten wurden. Daraufhin änderte die Beklagte den Bescheid vom 26.2.2014 und sicherte die Kostenübernahme für eine Einrichtung der Küche bis zu 1438 Euro zu. Die Gewährung einer Einrichtung als Sachleistung, wie sie die Beklagte regelmäßig durch Beauftragung des Küchenbauers erbringe, scheide aus, weil die vom Kläger gewünschten Möbel (Unterschränke, Hochschrank) dort nicht vorgehalten würden; die Kosten für eine Anschaffung würden nach Vorlage eines entsprechenden Kostenvoranschlags bzw von Rechnungen übernommen (Bescheid vom 15.3.2017; Widerspruchsbescheid vom 14.6.2017). Die Klage, gerichtet auf eine Kücheneinrichtung als Sachleistung, hat keinen Erfolg gehabt (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ München vom 29.3.2018; Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 14.3.2019). Das SG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Wohnung verfüge bereits über eine Küchenausstattung (Herd, Waschmaschine, Spüle), sodass die begehrten Leistungen keine Erstausstattung iS des § 31 Abs 1 Nr 1 SGB XII darstellten. Mit den zugesicherten Leistungen habe der Kläger damit mehr erhalten, als ihm zustehe. Das LSG hat in seiner Entscheidung auf diese Begründung Bezug genommen.

Der Kläger beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil.

II

Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ iVm § 114 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Klärungsbedürftige Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Abgrenzung einer Erstausstattung iS des § 42 Nr 2 iVm § 31 Abs 1 Nr 1 SGB XII von einem Ergänzungsbedarf an Ausstattungsgegenständen für eine Küche, wegen der nur eine darlehensweise Bewilligung in Betracht kommt (vgl § 42 Nr 5 iVm § 37 Abs 1 SGB XII), stellen sich nicht, weil die Beklagte vorliegend einen Bedarf an Leistungen der Erstausstattung bindend zuerkannt hat. Anhaltspunkte dafür, dass eine Divergenzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) Aussicht auf Erfolg versprechen könnte, bestehen ebenso wenig.

Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte. Ein Verfahrensfehler, der zu einem absoluten Revisionsgrund führen würde, liegt nach Aktenlage nicht vor. Zwar stellt sich die Vorgehensweise des LSG, über den Antrag auf PKH zugleich mit der Hauptsache zu entscheiden, im Grundsatz als verfahrensfehlerhaft dar. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Grundgesetz ≪GG≫; § 62 SGG) folgt aus einem solchen Vorgehen aber nur dann, wenn bei rechtzeitiger Entscheidung ausgehend von dem damaligen Sach- und Kenntnisstand eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zu bejahen gewesen wäre (vgl § 73a SGG iVm § 114 ZPO; dazu Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 4.12.2007 - B 2 U 165/06 B - SozR 4-1500 § 62 Nr 9). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Nach der Verwaltungspraxis der Beklagten werden ua Kücheneinrichtungen zwar als Sachleistungen (§ 10 Abs 3 SGB XII) erbracht, wie es im Grundsatz dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergleich vom 8.11.2013 und dem (bindend gewordenen) Bescheid vom 26.2.2014 entspricht. Die Beklagte war indes berechtigt, den Bewilligungsbescheid vom 26.2.2014 mit Wirkung für die Zukunft zu ändern (§ 48 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - ≪SGB X≫; § 17 Abs 2 Satz 2 SGB XII). In den Verhältnissen, die bei Bewilligung des Bescheids vom 26.2.2014 vorlagen, ist eine maßgebliche Änderung eingetreten; denn der Kläger hat die ihm bewilligte und in der Folge (zuletzt mit Aufmaßnahme im März 2017) angebotene Sachleistung nicht angenommen. Die ursprüngliche Entscheidung der Beklagten, mit einer Sachleistung könne der notwendige Bedarf entsprechend dem Wunsch- und Wahlrecht des Klägers (vgl § 9 Abs 2 SGB XII), das die Art der zu erbringenden Küchenausstattung maßgeblich bestimmt, gedeckt werden (zum Ganzen Pfriender in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl 2020, § 10 RdNr 55 ff), hat damit ihre Grundlage verloren. Die Beklagte musste erneut in die Prüfung eintreten, wie der Bedarf mit den vom Kläger gewünschten Gegenständen (insbesondere also der Unterschränke und dem Hochschrank) gedeckt werden kann (vgl § 17 Abs 2 Satz 2 SGB XII). Dem Wunsch des Klägers, diese Gegenstände in jedem Fall als Sachleistung zu erhalten (vgl § 10 Abs 3 Halbsatz 2 am Ende iVm § 9 Abs 2 SGB XII), war dabei nicht zu folgen. Es ist nach der Vielzahl fehlgeschlagener Versuche zur Montage einer Küche durch den von der Beklagten im Fall der Sachleistungserbringung beauftragten Küchenbauer nicht erkennbar, dass die Erbringung als Sachleistung den Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls (vgl §§ 9 Abs 1, 17 Abs 2 Satz 2 SGB XII) noch gerecht werden könnte. Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass eine dem Kläger durch Ankauf überlassene Beschaffung der Möbel mit dem von der Beklagten zugesicherten Betrag ihn in der Verwirklichung seiner angemessenen Wünsche einschränkt. Bei dieser Prüfung ist zu berücksichtigen, dass der ursprünglich bestehende Bedarf zwischenzeitlich teilweise gedeckt worden ist. Das lässt den Charakter als "Erstausstattung" wegen der übrigen (schon 2012 benötigten), nach wie vor nicht beschafften Einrichtungsgegenstände zwar nicht entfallen (vgl nur BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 45/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 5), wovon die Beklagte zutreffend ausgegangen ist. Die Geldleistung für die vom Kläger im Antrag vom 4.4.2015 aufgezählten Gegenstände, soweit sie nach den Feststellungen des SG nicht ohnehin vorhanden waren (im Ergebnis eine Arbeitsplatte inklusive Spüle, zwei Unterschränke, ein Kühlschrank, ein Hochschrank und eine Wandlampe), erscheint aber ausreichend.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI13926796

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