Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Darlegung. grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage
Orientierungssatz
In einer Nichtzulassungsbeschwerde ist insoweit darzulegen, dass es im angestrebten Revisionsverfahren nicht nur um die Anwendung von bereits feststehenden Rechtsgrundsätzen in Bezug auf ein einzelnes Leiden geht, sondern um das Bedürfnis nach darüber hinausgehender Rechtsfortbildung.
Normenkette
SGG § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
Thüringer LSG (Beschluss vom 21.11.2002; Aktenzeichen L 6 KR 75/02) |
SG Nordhausen (Entscheidung vom 26.11.2001; Aktenzeichen S 6 KR 578/98) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Thüringer Landessozialgerichts vom 21. November 2002 wird verworfen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger, der im Seitenzahnbereich des Oberkiefers ohne Zähne ist und der herausnehmbaren Zahnersatz wegen starken Würgereizes nicht verträgt, begehrt - bislang erfolglos - die Erstattung der Kosten für eine 1997/1998 erfolgte Implantatversorgung einschließlich Suprakonstruktionen. Das Landessozialgericht (LSG) hat in seinem die Berufung zurückweisenden Beschluss in vollem Umfang auf das Urteil des Sozialgerichts (SG) Bezug genommen und entschieden, dass die Beklagte die Kostenübernahme nicht zu Unrecht abgelehnt habe: Es liege kein Ausnahmefall vor, in dem gemäß § 28 Abs 2 Satz 9 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) iVm Kapitel B VII. Nr 29 Satz 4 der Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen eine Leistungspflicht bestehe; insbesondere bestehe beim Kläger keine "nicht willentlich beeinflussbare muskuläre Fehlfunktion im Mund- und Gesichtsbereich" iS der Richtlinien (Beschluss vom 30. Januar 2003).
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Beschluss und hält die Rechtssache für grundsätzlich bedeutsam.
II. Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
Um den Darlegungserfordernissen für diesen Zulassungsgrund zu genügen, muss gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert und ausgeführt werden, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die Beschwerdebegründung beachtet dies nicht, weil sie schon keine ausdrückliche Frage formuliert, sondern beanstandet, dass "die angegriffene Entscheidung sich auf eine Subsumtion stützt, die entgegen dem Wortlaut ... erfolgt". Der damit gerügte vermeintliche Subsumtionsfehler des LSG betrifft allein die inhaltliche Richtigkeit des Berufungsurteils und lässt sich keinem der abschließend in § 160 Abs 2 SGG aufgeführten Revisionsgründe zuordnen. Selbst wenn man dem Vorbringen aber sinngemäß die Rechtsfrage entnehmen wollte "Stellt starker Würgereiz, der es dem Betroffenen unmöglich macht, herausnehmbaren Zahnersatz zu tragen, eine Ausnahmeindikation für die Versorgung mit Implantaten und Suprakonstruktionen im Sinne einer nicht willentlich beeinflussbaren muskulären Fehlfunktion im Mund- und Gesichtsbereich dar?", fehlt es jedenfalls an weiteren erforderlichen Darlegungen. So lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen, weshalb der Entscheidung zu dem streitbefangenen Würgereiz eine allgemeine, dh über diese konkrete Krankheit hinausgehende Bedeutung zukommen soll. Es wäre insoweit darzulegen gewesen, dass es im angestrebten Revisionsverfahren nicht nur um die Anwendung von bereits feststehenden Rechtsgrundsätzen in Bezug auf ein einzelnes Leiden geht, sondern um das Bedürfnis nach darüber hinausgehender Rechtsfortbildung. Die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage ist indessen zu verneinen, wenn sich die Antwort darauf bereits aus dem Inhalt der maßgeblichen Rechtsvorschriften bzw dazu vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung ergibt ( vgl zB BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6 und § 160a Nr 21 S 38 ). Insoweit fällt hier ins Gewicht, dass die vom SG zitierte Rechtsprechung des Senats dem Bundesausschuss einen weiten Gestaltungsspielraum zubilligt, die ihm durch § 28 Abs 2 Satz 9 SGB V übertragenen Festlegungen zu treffen; es muss sich dabei um "seltene" Ausnahmeindikationen "für besonders schwere Fälle" handeln, in denen eine "medizinischen Gesamtbehandlung" im Raum steht und die wertungsmäßig mit anderen Fallbeispielen (zB Tumoroperationen, Schädel- und Gesichtstraumata) vergleichbar sind (vgl BSGE 88, 166, 169 = SozR 3-2500 § 28 Nr 5 S 28; BSG SozR 3-2500 § 28 Nr 6 S 38) . Die Beschwerde setzt sich weder mit dieser Rechtsprechung noch mit der im SG-Verfahren eingeholten Auskunft des Bundesausschusses vom 5. Juli 1999 auseinander, wonach Würgereiz gerade keine Ausnahmeindikation sein sollte.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen