Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Zweiwochenfrist. Sollvorschrift. Besonderer Verkündungstermin. Verkündung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine allgemeine Überprüfung der vorinstanzlichen Entscheidung in dem Sinne, ob das LSG unter Würdigung der Angaben des Klägers richtig entschieden hat, ist im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft.
2. Bei der Zweiwochenfrist des § 132 Abs. 1 S. 3 SGG handelt es sich um eine bloße Sollvorschrift.
3. In einem besonderen Verkündungstermin nach § 132 Abs. 1 S. 3 SGG ist es gemäß § 311 Abs. 4 ZPO i.V.m § 202 S. 1 SGG zulässig, dass der Senatsvorsitzende das Urteil im Termin allein in Abwesenheit der übrigen Berufsrichter und der ehrenamtlichen Richter verkündet.
Normenkette
SGG § 60 Abs. 1, § 73 Abs. 4, § 73a Abs. 1 S. 1, § 132 Abs. 1 S. 3, § 160 Abs. 2, § 202 S. 1; ZPO § 47 Abs. 2, §§ 114, 121, 311 Abs. 4, § 547 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Februar 2019 - L 15 U 698/17 - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
Mit vorbezeichnetem Urteil hat das LSG Nordrhein-Westfalen die Berufungen des Klägers gegen die Gerichtsbescheide des SG Münster vom 9.3.2017 zurückgewiesen. Nach Zustellung am 25.4.2019 hat er am 21.5.2019 um "PKH für Nichtzulassungsbeschwerde" nachgesucht, auf die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in dem Verfahren "B 1 KR 7/19" verwiesen und sich ua auf das Senatsurteil vom 27.3.1990 (2 RU 43/89 - juris) berufen. Dies fasst der Senat als isolierten Antrag auf PKH für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angefochtenen Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen nebst Beiordnung eines Rechtsanwalts auf.
1. Das PKH-Gesuch ist indes abzulehnen, weil eine Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1, § 121 Abs 1 ZPO). Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder aufgezeigt worden noch nach Durchsicht der Akten aufgrund der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung des Streitstoffs zu erblicken. Dagegen ist eine allgemeine Überprüfung der vorinstanzlichen Entscheidung in dem Sinne, ob das LSG unter Würdigung der Angaben des Klägers richtig entschieden hat, im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft. Es ist nicht erkennbar, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erfolgreich zu begründen.
a) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage zu einer revisiblen Bundesnorm (§ 162 SGG) aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht oder die Frage bereits höchstrichterlich entschieden ist (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70). Rechtsfragen, die in diesem Sinne grundsätzliche Bedeutung haben könnten, sind nicht erkennbar.
b) Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder - anders ausgedrückt - das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Soweit sich der Kläger auf das Senatsurteil vom 27.3.1990 (2 RU 43/89 - juris) beruft, ist eine Divergenz schon deshalb nicht erkennbar, weil eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung nur bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt vorliegen kann, auf den dieselben Rechtsnormen anzuwenden sind. Während in der herangezogenen Entscheidung ausschließlich Normen der RVO maßgebend waren, sind auf die geltend gemachten Unfallereignisse vom 18.9.2013 und 20.1.2016 ausschließlich Rechtsvorschriften des SGB VII anzuwenden. Darüber hinaus ist das Vorliegen vergleichbarer Sachverhalte nicht ersichtlich.
c) Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass der Berufungssenat bei seinem Urteil, das auf die mündliche Verhandlung vom 5.2.2019 ergangen und am 12.3.2019 verkündet worden ist, vorschriftswidrig besetzt gewesen sein könnte (absoluter Revisionsgrund nach § 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 S 1 SGG). Die drei Berufsrichter, die der Kläger während der mündlichen Verhandlung am 5.2.2019 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat, haben die mündliche Verhandlung unter Hinweis auf § 60 Abs 1 SGG iVm § 47 Abs 2 ZPO zu Ende geführt, mit den ehrenamtlichen Richtern geheim beraten und einen Verkündungstermin auf den 12.3.2019 bestimmt. Dass zwischen Verhandlungs- und Verkündungstermin mehr als zwei Wochen lagen, ist unschädlich, weil es sich bei der Zweiwochenfrist des § 132 Abs 1 S 3 SGG um eine bloße Sollvorschrift handelt und zugleich gewährleistet war, dass das Urteil auf dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung beruht (vgl Bolay in HK-SGG, § 132 RdNr 10; Harks in Roos/Wahrendorf, SGG, § 132 RdNr 15, Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 12. Aufl 2017, § 132 RdNr 3a; Schütz in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2017, § 132 RdNr 22). Nachdem die Ablehnungsgesuche ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter zurückgewiesen und der Beschluss vom 27.2.2019 (L 15 SF 60/19 AB, L 15 SF 61/19 AB und L 15 SF 62/19 AB) dem Kläger am 1.3.2019 zugestellt worden war, hat der Senatsvorsitzende das angefochtene Urteil am 12.3.2019 verkündet. Die Anhörungsrüge des Klägers vom 13.3.2019 gegen den Beschluss vom 27.2.2019 hat das LSG verworfen (Beschluss vom 13.5.2019). Dieses Vorgehen lässt weder einen absoluten Revisionsgrund noch einen sonstigen Verfahrensmangel erkennen, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann (vgl dazu bereits BSG Beschluss vom 28.6.2016 - B 14 AS 33/16 B - SozR 4-1500 § 132 Nr 1 RdNr 5). Dasselbe gilt für den Umstand, dass der Senatsvorsitzende das Urteil im Termin am 12.3.2019 allein in Abwesenheit der übrigen Berufsrichter und der ehrenamtlichen Richter verkündet hat. Denn in einem besonderen Verkündungstermin nach § 132 Abs 1 S 3 SGG ist dies gemäß § 311 Abs 4 ZPO iVm § 202 S 1 SGG zulässig (BSG, aaO, RdNr 6; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, aaO, § 132 RdNr 4a).
2. Da dem Kläger somit keine PKH zu bewilligen ist, hat er nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO auch keinen Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts.
Fundstellen
Dokument-Index HI13477431 |