Verfahrensgang

LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 02.02.2017; Aktenzeichen L 8 SO 6/13)

SG Halle (Saale) (Entscheidung vom 05.12.2012; Aktenzeichen S 13 SO 22/11)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 2. Februar 2017 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Im Streit ist die Höhe von Kosten für die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft als Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII für die Zeit von Februar 2010 bis Januar 2011.

Der Kläger erhielt von der Pflegekasse im streitbefangenen Zeitraum Pflegesachleistungen auf Grundlage der von ihr festgestellten Pflegestufe III nach dem bis zum 31.12.2016 geltenden Recht. Die Pflege wurde entsprechend einer Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Beigeladenen, einem nach dem SGB XI zugelassenen ambulanten Pflegedienst, von deren Pflegekräften erbracht; die vereinbarten Leistungen richteten sich nach den Leistungskomplexen und Punktwerten entsprechend der zwischen der Beigeladenen und den Pflegekassen im Einvernehmen mit dem beklagten überörtlichen Träger der Sozialhilfe geschlossenen Vereinbarung nach § 89 SGB XI. Wegen der die Pflegesachleistung übersteigenden Kosten kürzte der Beklagte die von der Beigeladenen in Rechnung gestellten Positionen. Die Klage hiergegen hatte keinen Erfolg (Urteil des SG Halle vom 5.12.2012; Urteil des LSG vom 2.2.2017). Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung unter anderem ausgeführt, der Beklagte sei zwar grundsätzlich an die nach § 89 SGB XI getroffenen Vereinbarungen gebunden. Hier sei eine Kürzung gleichwohl zulässig, weil nach § 61 Abs 6 SGB XII ergänzend zur Bestimmung der erforderlichen Pflege - bei Fehlen von Rahmenverträgen auf Landesebene in Sachsen-Anhalt - die Bundesempfehlungen nach § 75 Abs 6 SGB XI heranzuziehen seien. Danach seien bestimmte Leistungskomplexe aber nicht nebeneinander abrechenbar, was den Beklagten zur Kürzung um diese Positionen berechtigt habe.

Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

II

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des Revisionszulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Der Kläger formuliert die Rechtsfrage,

"Dürfen die Empfehlungen der Spitzenverbände der Pflegekassen für ein System zur Vergütung von Leistungen der häuslichen Pflege nach dem SGB XI (gemeint ist SGB XII) in Sachsen-Anhalt angewandt werden, obwohl durch einen Rahmenvertrag nach § 75 SGB XI zur ambulanten pflegerischen Versorgung und durch eine Vergütungsvereinbarung nach § 89 SGB XI die Anwendung der der Vergütungsvereinbarung beigefügten Leistungskomplexe vereinbart ist".

Jedenfalls ist wegen dieser Frage die Klärungsbedürftigkeit deshalb nicht ausreichend dargelegt, weil sie auf eine Rechtslage vor dem 1.1.2017 abzielt; eine § 61 Abs 6 SGB XII entsprechende Vorschrift enthält das SGB XII seither nicht mehr. Betrifft die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Rechtsfrage aber ausgelaufenes oder auslaufendes Recht, besteht in aller Regel kein Bedürfnis mehr, diese Frage höchstrichterlich zu klären (vgl BSG Beschluss vom 21.6.2011 - B 4 AS 14/11 B - Juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 26.4.2007 - B 12 R 15/06 B - Juris RdNr 9; BSG SozR 1500 § 160a Nr 19). Bei Rechtsfragen zu bereits außer Kraft getretenem Recht muss für eine grundsätzliche Bedeutung entweder noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des ausgelaufenen Rechts zu entscheiden sein, oder die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihrer Auslegung muss aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung haben (vgl BSG Beschluss vom 17.3.2010 - B 6 KA 23/09 B - Juris RdNr 32; BSG Beschluss vom 16.12.2009 - B 6 KA 13/09 B - Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 22.3.2006 - B 6 KA 46/05 B - Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 20.6.2001 - B 10/14 KG 1/00 B - Juris RdNr 1; BSG Beschluss vom 31.3.1999 - B 7 AL 170/98 B - Juris RdNr 8; BSG SozR 1500 § 160a Nr 19). Die besonderen Voraussetzungen einer solchen Grundsatzrevision bei auslaufendem oder ausgelaufenem Recht müssen vom Beschwerdeführer im Einzelnen dargelegt werden. Hieran fehlt es aber. Der pauschale Hinweis auf die Breitenwirkung, wonach die Rechtsfrage "nicht nur auf den konkreten Fall des Klägers, sondern auf alle Entscheidungen des Beklagten über die Vergütung von Leistungen der häuslichen Pflege nach dem SGB XI in Sachsen-Anhalt hat" (richtig: "hatte") genügt nicht, um die fortwirkende allgemeine Bedeutung des ausgelaufenen Rechts schlüssig aufzuzeigen. Ob auf Grundlage der vom Kläger zitierten Rechtsprechung des Senats und der im Übrigen eindeutigen Rechtslage im SGB XI, wonach die Bundesempfehlungen keine Bindungswirkung für Verträge nach § 89 SGB XI entfalten, überhaupt ein Klärungsbedarf bestehen konnte, kann deshalb dahinstehen. Allein eine ggf unzutreffende Entscheidung des LSG in einem Einzelfall kann eine Zulassung der Revision jedenfalls nicht begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI11295195

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