Verfahrensgang
SG Koblenz (Entscheidung vom 13.03.2018; Aktenzeichen S 14 VG 24/15) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 26.01.2022; Aktenzeichen L 4 VG 10/18) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Januar 2022 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt B aus H beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt in der Hauptsache Opferentschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen sexueller Misshandlungen und körperlicher Gewalt durch Angehörige in ihrer Kindheit.
Das LSG hat den Anspruch wie vor ihm der Beklagte und das SG nach umfangreichen auch aussagepsychologischen Ermittlungen verneint. Beweise für die von der Klägerin behaupteten Taten seien nicht vorhanden. Die vernommenen Zeugen, darunter die Geschwister der Klägerin, hätten ihre Aussagen nicht bestätigt. Ebenso wenig habe die Klägerin die Taten glaubhaft gemacht iS von § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), wie sich insbesondere aus den beiden eingeholten Glaubhaftigkeitsgutachten ergebe (Urteil vom 26.1.2022).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Zugleich hat sie PKH für die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten beantragt. Das LSG sei von der Rechtsprechung des BSG abgewichen und habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt.
II
1. Der Antrag der Klägerin auf PKH ist abzulehnen.
Gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist hier nicht der Fall. Aus diesem Grund kommt auch die Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten nicht in Betracht (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil sie weder die behauptete Divergenz noch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ordnungsgemäß dargetan hat (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
a) Die für eine Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) notwendigen Voraussetzungen stellt die Klägerin nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den gesetzlichen Anforderungen bezeichnen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen. Erforderlich ist, dass das LSG einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl BSG Beschluss vom 25.10.2018 - B 9 V 27/18 B - juris RdNr 7 f; BSG Beschluss vom 12.1.2017 - B 9 V 58/16 B - juris RdNr 21, jeweils mwN).
Die dafür erforderlichen Darlegungen enthält die Beschwerde nicht. Die Klägerin will der angefochtenen Entscheidung den Rechtssatz entnehmen, ein schädigendes Ereignis gelte auch dann als nicht glaubhaft gemacht iS von § 15 Satz 1 KOVVfG, wenn die Aussage zwar aussagepsychologisch als gut qualifiziert bewertet werde, weitere Angaben derselben Person aber nicht, insbesondere weil diese wegen einer PTBS oder einer dissoziativen Störung als nicht aussagetüchtig beurteilt werde.
Indes gibt die Beschwerde in diesem Zusammenhang bereits den Inhalt des Berufungsurteils nicht wieder, sondern teilt lediglich in einem Satz das für die Klägerin nachteilige Ergebnis mit. Damit gibt sie die Entscheidung nicht in einem Umfang wieder, der zum Verständnis und zur Beurteilung der behaupteten Divergenz allein auf der Grundlage der Beschwerdebegründung erforderlich wäre. Insbesondere legt sie nicht dar, in welchem Kontext und an welcher Stelle des Urteils der von ihr behauptete Rechtssatz zu finden sein soll. Allein die Vorlage des angefochtenen Urteils kann diese Angaben nicht ersetzen. Es ist nicht Aufgabe des BSG, sich den vermeintlich divergierenden Rechtssatz aus dem Urteil des LSG selbst herauszusuchen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 23.2.2022 - B 9 V 35/21 B - juris RdNr 11 mwN).
Selbst wenn die Klägerin aus der Entscheidung des LSG lediglich einen sogenannten verdeckten Rechtssatz ableiten wollte, hätte sie darlegen müssen, an welcher Stelle und mithilfe welcher anerkannten Methodik sie diesen Rechtssatz dem Urteil entnommen hat. Dabei genügt es nicht, aus der konkreten Rechtsanwendung im Einzelfall auf einen Rechtssatz zu schließen (vgl Karmanski in BeckOK, SGG, Stand: 1.8.2022, § 160a RdNr 84 mwN).
Diese gesteigerten Anforderungen für die Bezeichnung eines verdeckten Rechtssatzes verfehlt die Beschwerde umso mehr, weil sie sich, wie ausgeführt, auf die bloße Behauptung eines angeblichen Rechtssatzes des LSG ohne Angabe der Fundstelle und erst recht ohne substantiierte Einbettung in den Kontext des angefochtenen Urteils beschränkt.
b) Ebenso wenig dargelegt hat die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 27.8.2020 - B 9 V 5/20 B - juris RdNr 6 mwN). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert ist und die Antwort nicht von vornherein praktisch außer Zweifel steht, so gut wie unbestritten ist oder sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Um die Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß darzulegen, muss sich der Beschwerdeführer daher ua mit der einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 21.8.2017 - B 9 SB 11/17 B - juris RdNr 8 mwN).
Diese Anforderungen verfehlt die Beschwerdebegründung ebenfalls. Die Klägerin formuliert bereits keine konkrete fallübergreifende Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht (vgl zu diesem Erfordernis BSG Beschluss vom 2.3.2015 - B 12 KR 60/14 B - juris RdNr 15 mwN). Ihre diesbezüglichen Ausführungen erschöpfen sich lediglich in allgemeinen Erwägungen zur Bedeutung von sogenannter ritueller Gewalt, ihrer Einstufung als glaubhaft durch Therapeuten sowie dem Bedürfnis nach einer versorgungsrechtlichen und strafrechtlichen Aufarbeitung. Die Klägerin hält "gravierende Rechtsfragen" für offen, ohne diese jedoch in der prozessrechtlich erforderlichen Weise zu benennen und mit dem angefochtenen Urteil zu verknüpfen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
c) Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).
d) Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15459405 |