Verfahrensgang
Hessisches LSG (Urteil vom 22.06.1999; Aktenzeichen L 2 AL 594/98) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. Juni 1999 – L 2 AL 594/98 – wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Rechtsstreit betrifft die Erstattung von Arbeitslosengeld und Versicherungsbeiträgen, die die beklagte Bundesanstalt für Arbeit einer früheren Arbeitnehmerin der Klägerin gezahlt hat.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Erstattungsvoraussetzungen des § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bejaht und insbesondere ausgeführt, die Ausschlußtatbestände des § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 4 und 5 AFG seien nicht erfüllt. Zur Nr 4 der Vorschrift hat sich das LSG auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bezogen. Die Revision hat das LSG nicht zugelassen.
Mit der Beschwerde macht die Klägerin die Zulassungsgründe grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensmangel (Verletzung der Sachaufklärungspflicht) geltend.
Die Beschwerdebegründung wirft die Frage auf, ob die Beschränkung des Ausschlußtatbestands des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG auf sozial gerechtfertigte Kündigungen gerechtfertigt sei, wenn Kündigungsgründe gegeben, das Arbeitsverhältnis aber durch Aufhebungsvertrag beendet worden sei. Die Rechtsprechung des BSG sei mit tragenden Grundsätzen der Entscheidung BVerfGE 81, 156 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1 nicht zu vereinbaren. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) halte eine Erstattung mit dem Übermaßverbot nicht für vereinbar, wenn der Arbeitgeber die Arbeitslosigkeit nicht in einer Weise herbeigeführt habe, die es rechtfertige, ihm die sozialen Folgekosten aufzubürden. Auch Ebsen NZS 1993, 377, 381 sehe keinen gesetzgeberischen Grund dafür, die Erstattungspflicht (gemeint ist wohl: Ausschlußtatbestand) auf die Beendigungsform der Kündigung zu beschränken. Die Einwände gegen die Rechtsprechung des BSG enthielten neue erhebliche Gesichtspunkte, die die grundsätzliche Bedeutung der Sache begründeten. Die Fassung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG bestätige diese Ansicht. Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen hätte das LSG dem nicht näher gekennzeichneten Sachvortrag der Klägerin in den Vorinstanzen nachgehen müssen. Ggf hätte es festgestellt, daß die Klägerin die betroffene Mitarbeiterin nach der tariflichen Regelung hätte kündigen können.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde ist nicht zulässig, denn die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geforderten Weise dargelegt bzw bezeichnet.
Zur Darlegung grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache ist auszuführen, welche Rechtsfrage sich stellt, daß sie nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht geklärt ist, weshalb ihre Klärung im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich erscheint (Klärungsbedürftigkeit) und daß das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten läßt (Klärungsfähigkeit). Diese Anforderungen entsprechen ständiger Rechtsprechung (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 59 und 65 mwN sowie SozR 3-1500 § 160 Nr 8; BVerwG NJW 1999, 304; BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nrn 6 und 7). Sie gelten auch, wenn verfassungsrechtliche Bedenken geäußert oder die Verfassungswidrigkeit eines Rechtssatzes geltend gemacht wird (BSGE 40, 158, 160 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 23). In der Regel ist eine Rechtsfrage nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie vom Revisionsgericht bereits geklärt ist. Allerdings kommt eine Klärungsbedürftigkeit in Betracht, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13). Den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung genügt die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht.
Ihren Ausführungen sind prüfungsbedürftige Einwände gegen die Rechtsprechung des BSG zu § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG (BSGE 81, 259, 264 = SozR 3-4100 § 128 Nr 5) nicht zu entnehmen. Bloße Zweifel an der Wahrung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Übermaßverbot) reichen nicht aus, um die Rechtsprechung des BSG ernsthaft in Frage zu stellen und damit ein Klärungsbedürfnis für die Allgemeinheit zu begründen. Vielmehr hätte sie substantielle Einwendungen gegen die Rechtsprechung des BSG darlegen müssen (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 23). Bei näherer Auseinandersetzung mit der von der Beschwerdebegründung angeführten Rechtsprechung des BVerfG und des BSG hätte die Klägerin erkannt, daß die von ihr bekämpfte Rechtsansicht des BSG die Rechtsprechung des BVerfG beachtet und die Auslegung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darstellt. Die bloße Bezugnahme auf angeblich von der Rechtsprechung des BSG abweichende Ansichten im Schrifttum reicht nicht aus, um erneut die Klärungsbedürftigkeit einer vom Revisionsgericht inzwischen in ständiger Rechtsprechung beantworteten Rechtsfrage (BSG Urteile vom 25. Juni 1998 – B 7 AL 80/97 R und B 7 AL 82/97 R – zur Veröffentlichung vorgesehen sowie BSG Urteil vom 16. September 1998 – B 11 AL 59/97 R – unveröffentlicht) darzulegen. Hätte die Klägerin geprüft, ob dem von ihr angeführten Schrifttum substantielle Einwände gegen die Rechtsprechung des BSG zu entnehmen sind, hätte sie erkannt, daß die Auslegung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG durch das BSG wegen der “Funktion der Umgehungserschwerung” (so auch: Ebsen NZS 1993, 377, 381) für verfassungsmäßig gehalten wird. Im Zusammenhang mit der aufgeworfenen Rechtsfrage sind die Ausführungen der Beschwerdebegründung zu § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG nicht verständlich. Sie genügen nicht den Anforderungen an eine zulässige Beschwerdebegründung, die gewissen Mindestanforderungen hinsichtlich ihrer Klarheit, Verständlichkeit und Überschaubarkeit genügen muß (BVerwG DÖV 1998, 117 f mwN).
- Auch der angebliche Verstoß des LSG gegen die Sachaufklärungspflicht ist in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend bezeichnet. Dabei kann dahinstehen, ob im Hinblick auf § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 4 und 5 AFG ein Verstoß gegen den Ermittlungsgrundsatz überhaupt denkbar ist, weil der Arbeitgeber Ausschlußgründe darzulegen und zu beweisen hat. Unabhängig davon fehlt es an Ausführungen darüber, daß es auf das nicht näher bezeichnete Sachvorbringen der Klägerin in den Vorinstanzen nach der materiellen Rechtsansicht des LSG überhaupt ankam. Der Ermittlungsgrundsatz verlangt von den Tatsachengerichten nämlich nur die Klärung von Tatsachen, die das Gericht für entscheidungserheblich hält. Den Begründungsanforderungen genügt die Klägerin auch insofern nicht, als sie nicht mitteilt, sie habe in der Vorinstanz Beweisanträge gestellt und in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten (vgl dazu: BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 mwN).
- Da ihre Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht, ist die Beschwerde entsprechend § 169 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG entsprechend.
Fundstellen