Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 24. Mai 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 14 300 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Im Streit ist die Zahlung von 14 300 Euro für ambulante Pflegeleistungen, die die Klägerin in der Zeit von März 2006 bis Dezember 2007 an die zwischenzeitlich verstorbene C. B. (B) erbracht hat.
Die schwerstpflegebedürftige B, die Pflegesachleistungen nach der Pflegestufe III erhalten hat, wurde von der Klägerin, einem nach § 72 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) zugelassenen ambulanten Dienst, über zehn Jahre, ua von März 2006 bis Dezember 2007, ambulant gepflegt. Im streitigen Zeitraum verlangte die Klägerin für die Pflege neben den Leistungen nach dem SGB XI von B pauschal einen Eigenanteil in Höhe von 650 Euro monatlich. Der von B beim örtlichen Träger der Sozialhilfe gestellte Antrag auf Gewährung von Hilfe zur Pflege in dieser Höhe blieb ohne Erfolg, weil durch die häusliche Pflege unverhältnismäßige Mehrkosten gegenüber einer stationären Versorgung entstünden. Der örtliche Träger der Sozialhilfe bewilligte lediglich die Investitionskosten, soweit sie B monatlich in Rechnung gestellt würden (Bescheid vom 24.10.2006). Die Klägerin erhob gegen den überörtlichen Träger der Sozialhilfe Klage auf Zahlung von 14 300 Euro und machte geltend, mit dem Bescheid vom 24.10.2006 seien die begehrten Sachleistungen bewilligt worden und ein Schuldbeitritt erfolgt. Die Vergütung richte sich nach dem Versorgungsvertrag der Klägerin mit den Pflegekassen, dem auch der Beklagte beigetreten sei. Leistungsnachweise für die Zeit von März 2006 bis Dezember 2007 lägen vor. Die Klage hat keinen Erfolg gehabt (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Magdeburg vom 9.11.2015; Beschluss des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Sachsen-Anhalt vom 24.5.2018).
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Beschluss und macht geltend, das LSG habe über die Sache nicht nach § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss entscheiden dürfen. Zudem habe es die Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufzuklären, verletzt.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensfehlers.
Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36).
Diesen Anforderungen genügt das Vorbingen der Klägerin zur Verletzung des § 153 Abs 4 SGG nicht. Nach § 153 Abs 4 Satz 1 SGG kann das LSG, außer in den Fällen, in denen das SG durch Gerichtsbescheid (§ 105 Abs 2 Satz 1 SGG) entschieden hat, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören (Satz 2). Wegen der Ausführungen der Klägerin, es finde sich kein Hinweis in der Gerichtsakte über eine Abstimmung unter den Berufsrichtern vor Beschlussfassung, wird schon nicht deutlich, welcher Mangel im Verfahrensablauf damit gerügt werden soll. Mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach die Anhörung auch durch den Berichterstatter und vor Meinungsbildung im Berufungssenat geschehen kann (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 8), setzt sich die Klägerin nicht auseinander. Weshalb ein "Protokoll" über die Beschlussfassung selbst Voraussetzung sein sollte, wird nicht dargestellt. Dass die Entscheidung nicht einstimmig erfolgt sein könnte, wird lediglich behauptet, ohne dass hierzu irgendein Vortrag erfolgt ist.
Mit dem Vortrag der Klägerin, das LSG habe gegen die Anhörungspflicht verstoßen, ist ein Verstoß gegen § 153 Abs 4 SGG ebenfalls nicht schlüssig gerügt. Sie trägt zunächst (sinngemäß) vor, aus dem Anhörungsschreiben vom 25.1.2018 sei nicht hervorgegangen, dass sie sich habe äußern können. Da sie sich aber - wie sie auch selbst vorträgt - tatsächlich geäußert hat, ist schon nicht nachvollziehbar, weshalb aus dem Schreiben vom 25.1.2018, mit dem nicht nur die beabsichtigte Verfahrensweise dargestellt, sondern auch inhaltliche Gesichtspunkte zur Beurteilung der Erfolgsaussicht gegeben worden sind und eine Frist mitgeteilt worden ist, aus Sicht des (unvertretenen) Empfängers nicht zumindest hinreichend deutlich geworden ist, dass sich die Prozessbeteiligten bis zum Ablauf der Frist zum beabsichtigten Verfahren äußern können. Äußert sich ein Beteiligter nach Erhalt der Anhörungsmitteilung - wie vorliegend - umfangreich, bedarf es zudem der eingehenderen Darlegung weiterer Umstände, aus denen sich ergibt, dass gleichwohl mit der Anhörungsmitteilung die Funktion, dass durch den Wegfall der mündlichen Verhandlung das rechtliche Gehör nicht verkürzt werden soll (BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 11 S 32), nicht erfüllt worden ist. Das ist hier nicht geschehen.
Auch mit dem weiteren Vortrag legt die Klägerin einen Verfahrensverstoß gegen § 153 Abs 4 SGG nicht ausreichend dar. Sie behauptet nur, das LSG hätte sie nach ihrer umfangreichen Äußerung erneut anhören müssen. Weder trägt sie vor, auf welchen Vortrag im Einzelnen und aus welchen Gründen dies nach den dazu entwickelten Kriterien der Rechtsprechung (vgl nur BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 11 RdNr 13) hätte der Fall gewesen sein sollen, noch macht sie Ausführungen dazu, weshalb mit der Wiederholung des Hinweises des Berufungssenats (mit Schreiben vom 12.3.2018 unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 25.1.2018) einer solchen ggf bestehenden Verpflichtung nicht ausreichend nachgekommen worden sein sollte. Schließlich genügt auch die Wiedergabe von Literaturzitaten zum zulässigen Anwendungsbereich des § 153 Abs 4 SGG verbunden mit der Behauptung, das LSG habe sich in der angegriffenen Entscheidung mit den neuen Ausführungen nicht auseinandergesetzt, nicht, um nachvollziehbar werden zu lassen, welche Aspekte dazu hätten führen sollen, dass das Ermessen des LSG, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, hier auf Null reduziert gewesen sein sollte.
Soweit die Klägerin mit ihrem Vortrag, das LSG habe sich mit ihren umfangreichen Ausführungen im Schriftsatz vom 16.2.2018 nicht auseinandergesetzt, eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫; § 62 SGG) geltend machen will, genügt ihre Begründung ebenfalls nicht den Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels. Hierzu hätte - woran es aber fehlt - jedenfalls dargelegt werden müssen, in welcher Weise konkret sich angeblich nicht zur Kenntnis genommene Ausführungen der Klägerin - ausgehend von der Rechtsauffassung des LSG - notwendig auf die angegriffene Entscheidung ausgewirkt hätten. Der Anspruch auf rechtliches Gehör bietet nämlich keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lassen (vgl BVerfGE 96, 205, 216). Er gewährleistet nur, dass ein Beteiligter mit seinem Vortrag "gehört", nicht jedoch "erhört" wird. Die Gerichte werden durch Art 103 Abs 1 GG nicht dazu verpflichtet, sich mit jedem Vortrag eines Beteiligten auseinanderzusetzen oder seiner Rechtsansicht zu folgen (BSG Beschluss vom 18.12.2012 - B 13 R 305/11 B - juris RdNr 8 mwN).
Auch eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht hat die Klägerin nicht ausreichend dargelegt. Wer sich - wie hier - auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl zB BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl dazu BSG Beschluss vom 20.9.2013 - B 8 SO 15/13 B; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Bei nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten sind zwar weniger strenge Anforderungen an die Form und den Inhalt eines Beweisantrags zu stellen. Auch ein unvertretener Kläger muss aber dem Gericht deutlich machen, dass er noch Aufklärungsbedarf sieht (BSG Beschluss vom 20.9.2013 - B 8 SO 15/13 B; BSG Beschluss vom 28.5.2013 - B 5 R 38/13 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 24.7.2012 - B 2 U 103/12 B - juris RdNr 7).
Soweit die Klägerin ausführt, es hätte insoweit "sehr wohl" der Frage nachgegangen werden müssen, wie es zu den "Merkwürdigkeiten" im Hinblick auf die Datierung eines Schreibens über die Rücknahme des Widerspruchs durch B gekommen sei, genügt sie diesen Anforderungen nicht. Selbst wenn sie dem Gericht vor Beschlussfassung noch ausreichend deutlich gemacht haben sollte, dass sie noch Aufklärungsbedarf wegen der Rücknahmeerklärung gesehen hat, legt sie mit der Beschwerde nicht ausreichend dar, weshalb die Bestandskraft des Bescheids vom 24.10.2006 aus Sicht des LSG überhaupt entscheidungserheblich gewesen sein sollte. Zwar kam es aus Sicht des LSG auf die Einlegung des Widerspruchs an; denn zu der Auslegung, mit dem Bescheid sei aus Sicht von B eine Ablehnung der streitigen Leistungen erfolgt, ist das LSG gelangt, weil B dagegen (zunächst) Widerspruch eingelegt hatte. Inwieweit für die Entscheidung des LSG aber erheblich gewesen sein sollte, dass (wie das LSG ausgeführt hat) der Widerspruch noch von der Betreuerin von B zu deren Lebzeiten zurückgenommen worden ist, legt die Klägerin nicht dar. Im Übrigen rügt sie nur die Beweiswürdigung des Gerichts, soweit sie vorträgt, aus Hinweisen des Beklagten an das SG und dem Sterbedatum der B ergebe sich, dass die Rücknahme später bzw "unter fragwürdigen Umständen" erfolgt sei.
Der Vortrag, die Klägerin habe darauf hingewiesen, dass "sehr wohl" über die Investitionskosten abgerechnet und Unterlagen vorgelegt worden seien, und habe angeregt, in einer mündlichen Verhandlung die Unterlagen des Beklagten zu sichten, damit man überhaupt wisse, "was gemeint war", genügt ebenfalls nicht, um einen Verstoß gegen die Pflicht zur Amtsermittlung ausreichend darzulegen. Allein der allgemeine Hinweis, dass "die Frage der Übersendung der Abrechnungen des Pflegedienstes mit der zuständigen Pflegekasse streitig war", genügt zur Darlegung eines Verfahrensfehlers, insbesondere seiner Entscheidungserheblichkeit, nicht. Aus der insoweit maßgeblichen Sicht des LSG sind Abrechnungen mit der zuständigen Pflegekasse nicht vorgelegt worden; die vorgelegten Leistungsnachweise und an B gerichtete Abrechnungen genügten gerade nicht. Soweit die Klägerin diesen Feststellungen des LSG widerspricht, greift sie im Ergebnis dessen Beweiswürdigung an (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG), auf die der Verfahrensmangel nicht gestützt werden kann. Die Geltendmachung einer Aufklärungsrüge oder eines anderen Verfahrensmangels oder einer Grundsatzrüge darf nicht zur Umgehung der nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ausgeschlossenen Rüge einer fehlerhaften Beweiswürdigung führen. Andernfalls liefen die Beschränkungen in § 160 Abs 2 Nr 3 SGG im Ergebnis leer (vgl BSG Beschluss vom 10.9.2018 - B 9 SB 40/18 B).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3 Satz 1, § 47 Abs 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Fundstellen
Dokument-Index HI12641614 |